430 Deutsch
Refine
Year of publication
Document Type
- Part of a Book (10)
- Book (2)
Language
- German (12)
Has Fulltext
- yes (12)
Keywords
- Variationslinguistik (12) (remove)
Publicationstate
Reviewstate
- (Verlags)-Lektorat (12)
Publisher
- de Gruyter (6)
- Narr Francke Attempto (3)
- Francke (1)
- Narr (1)
- Olms (1)
Der Beitrag liefert einen Einblick in korpuslinguistische Projekte und Aktivitäten aus dem österreichischen Sprachraum. Der Fokus liegt auf zwei primär auf die Analyse gesprochener Sprache ausgerichteten Korpora (DiÖ-Korpus und WBÖ-Korpus) sowie auf dem medial wie konzeptionell schriftlich angelegten Austrian Media Corpus. Institutionell eingebettet sind die Korpora in den Spezialforschungsbereich „Deutsch in Österreich (DiÖ)“ sowie in die Aktivitäten des Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage (ACDH-CH) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die theoretisch-methodologische Perspektive der Diskussion ist eine variationslinguistische, wobei sozio- und systemlinguistische Aspekte im Beitrag Berücksichtigung finden.
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem Einsatz von dialektalen Merkmalen in Werbespots für den deutschen und österreichischen Markt sowie mit seinen Funktionen am Beispiel von Iglo (Lebensmittelbranche, Tiefkühlkost). Im Zentrum stehen dabei folgende Fragen: Welche dialektalen Merkmale welcher sprachlichen Beschreibungsebenen (Phonetik/Phonologie, Morphologie, Lexik) werden in welchen Textteilen der Spots verwendet? Wird dabei auch multimodal und multisensorisch auf die betreffende Region Bezug genommen? Die Analysen zeigen auch, inwiefern sich der Gebrauch dieser Merkmale in den deutschen und österreichischen Spots unterscheidet, und ob der Dialektgebrauch in den Werbespots (Auswahl der Merkmale, Kontexte/Gesprächssituationen) mit den Ergebnissen von Studien zum Gebrauch und zur Wahrnehmung von Dialekten im Allgemeinen übereinstimmt.
Der vorliegende Beitrag stellt Konzeptualisierungen von Sprachlagen des individuellen Spektrums linguistischer ungeschulter Personen dar und vergleicht dabei erstmalig attitudinale Daten aus Wien und ruralen Regionen Österreichs. Im Fokus der Pilotstudie stehen dabei insbesondere Konzepte zu ‚Dialekt‘, ‚Hochdeutsch‘ sowie ‚Wienerisch‘, die sich in einem mehrstufigen Analyseverfahren als äußerst heterogen erweisen. Ihre Heterogenität speist sich aus einem komplexen Zusammenspiel soziodemografischer, regionaler, situativer sowie dynamischer Parameter, die kontrastiv diskutiert werden und auf distinkte Sprachlagenkonzepte hindeuten.
Dieser Beitrag untersucht auf der Basis von Dialekt-Standard-Übersetzungen und einem Matched-Guise-Experiment bei 108 Personen, die im mittelbairischen Raum wohnhaft sind und Deutsch als Erst- oder Zweitsprache verwenden, den Zusammenhang zwischen Dialektkompetenz und Dialektbewertungen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Variationskompetenz auch im Zweitspracherwerb erreicht wird und dass die Bewertung von Dialekt stark von der individuellen Dialektkompetenz und weniger von einer kategorisch angelegten Sprachgruppenzugehörigkeit (Deutsch als Erst- vs. Zweitsprache) beeinflusst wird.
Johann Leo Weisgerbers bekannter Titel bezieht sich auf Humboldts Energeia-Begriff, also auf die Sprache als wirkende Kraft. Auch in diesem Beitrag soll den wirkenden Kräften nachgegangen werden, freilich nicht als Unterstellung eines wesenhaften Sprachvermögens, sondern als Versuch, die wirksamen Motive der sprachkritischen Einstellungen, Publikationen und publizistischen Erscheinungen an einem Raster sozialwissenschaftlicher Begriffe darzulegen. An einigen ausgewählten Presseberichten und grammatischen Beispielen (Veränderungen im Bereich der deutschen Zeitenfolge) wird zunächst gezeigt, dass sich Sprachkritik oft schon von ihrem Gegenstand, der deutschen Sprache, weitgehend gelöst hat. Auch angesichts neuer Formen von substandardsprachlichen Erscheinungen (z.B. Jugendsprache, Jargon, Kiezsprache usw.) kann oft nachgewiesen werden, dass es sich in vielen Fällen um kommunikativ funktionale Sprachformen handelt. Um es schlagwortartig zusammenzufassen: Es gibt Sprachkritik ohne Sprache. Die „wirkenden Kräfte“ der Sprachkritik sichern vielmehr die Wahrnehmung gesellschaftlicher Differenzen und machen damit das Gefüge unterschiedlicher Lebensformen deutlich. Sie werden hier mit systemtheoretischen Begrifflichkeiten nach Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme beschrieben und damit auch erklärt. Während das für die 80er-Jahre des vorigen Jahrhunderts charakteristische Programm der „Kritik der Sprachkritik“ auf eine sprachwissenschaftliche Aufklärung zielt, scheint heute vielmehr eine soziologische Aufklärung diese metakritische Funktion erfüllen zu können. Es könnte sich aber auch zeigen, dass Sprachkritik ihren Beitrag zur Stabilisierung des gesellschaftlichen Zusammenwirkens leistet — wenn man sie nicht als Sprachkritik im engeren Sinn versteht.
Im Beitrag werden korpuslinguistische Aspekte und Fragestellungen aus variationslinguistischer Perspektive diskutiert, wobei der Fokus auf der Analyse regionalsprachlicher Daten und Korpora des Deutschen liegt. Unter Regionalsprache wird hier der areal gebundene, sprechsprachliche Gesamtbereich „unterhalb“ der normierten Standardsprache verstanden, der sich von den lokalen Basisdialekten über Varietäten bzw. Sprechlagen des mittleren Bereichs bis hin zum standardnächsten Pol der Regionalsprache (Regionalakzent oder Regionalstandard) erstreckt.
Am Beginn des Beitrags steht ein Überblick über Datenklassen, die als empirische Grundlage für regionalsprachliche Fragestellungen herangezogen werden können. Eine Präsentation regionalsprachlicher Korpora, die auf den vorgestellten Datenklassen aufbauen, schließt sich an, wobei hier lediglich einige ausgewählte, online zugängliche Korpora Berücksichtigung finden (können). In einem nächsten Schritt werden die vorgestellten Korpora zur konkreten variationslinguistischen Analyse von zwei regionalsprachlichen Phänomenen aus dem lautlichen („g-Spirantisierung“) bzw. grammatischen Bereich („Rezipientenpassiv“) herangezogen und auf ihre Ergiebigkeit geprüft.
Die Feststellung von einer veränderten Sprachorientierung mit einer Tendenz zur Destandardisierung und einer Abschwächung der Verbindlichkeit standardsprachlicher Normen trifft für die Sprecherwirklichkeit nur bedingt zu. Erfahrungen der Duden-Sprachberatung belegen, dass viele Sprachteilhaberinnen und Sprachteilhaber nach wie vor nach sprachlicher Orientierung suchen, die sich an überkommenen Gebrauchs- oder wie bei der Rechtschreibung gesetzten Normen festmacht. Sprachberatung und allgemeines Gebrauchswörterbuch enttäuschen die vom Laien an sie herangetragenen Erwartungen, wenn sie sich rein beschreibend verhalten. Ihnen werden Empfehlungen abverlangt, soweit sie zur Lösung sehr konkreter sprachlicher Probleme konsultiert werden, die selbst nicht im Fokus des Interesses des Fragenden liegen. Beim Wörterbuch kommt erschwerend hinzu, dass es im Falle von Varianz wegen der linearen Darstellung der enthaltenen Information in jedem Fall präskribierend wirkt oder als präskriptiv gelesen werden kann. Will man dieses Dilemma durch eine Trennung von Produktions- und Rezeptionswörterbuch lösen, wird eine Wörterbuchkultur vorausgesetzt, die es wenigstens in Deutschland derzeit noch nicht zu geben scheint.
Wolgadeutscher Sprachatlas (WDSA). Aufgrund der von Georg Dinges 1925-1929 gesammelten Materialien
(1997)
Der Wolgadeutsche Sprachatlas (WDSA) ist ein historischer, regionaler Sprachatlas. Er umfasst Sprachdaten einer deutschen Region im Ausland, die in der Gegenwart nicht mehr existiert. Es handelt sich um das historische deutsche Sprachgebiet im europäischen Teil Russlands, und zwar um das Gebiet beiderseits des russischen Flusses Wolga.
Der Wolgadeutsche Sprachatlas dokumentiert die Sprachverhältnisse dieser deutschen Region um 1920 (bis 1928). Die Sprache, die dort von Anfang an bis 1941 gesprochen wurde, wird traditionell „wolgadeutsch“ genannt.
Der Beitrag zeichnet im ersten Teil die historische Entwicklung ethnischer und polyethnischer Sprechweisen im Deutschen nach und skizziert die verschiedenen Transformationen ihrer indexikalischen Bedeutung. Im zweiten Teil des Beitrags wird anhand von Daten aus Stuttgart diskutiert, ob es sich bei den heute verwendeten polyethnischen Markern um Komponenten eines sozialen Stils oder um eine emergente neue Varietät handelt.
Die zentrale Frage der Jahrestagung „Wie viel Variation verträgt die deutsche Standardsprache?“ wird anhand zweier enger gefasster Fragen behandelt. Die erste lautet: „Wo ist linguistisch die Grenze der Standardsprechsprache anzusetzen?“ Die zweite lautet: „Bis zu welchem Grad der Abweichung von der kodifizierten Norm beurteilen naive Hörer regionale Varianten noch als standardsprachlich?“
Die erste Frage wird im Rahmen der Theorie der Sprachdynamik expliziert und beantwortet. Konstitutiv für das interaktiv-kognitive System ‚Sprache‘ sind die Dimensionen ‚Zeitlichkeit‘ und ,Raum‘. Jede sprachliche Interaktion vollzieht sich in der Zeit, zeitlich determiniert sind die kognitiven Reflexe der sprachlichen Interaktionen und die interindividuelle Abstimmung des sprachlichen Wissens und der sprachlichen Konventionen. Die jeweilige Verfasstheit einer Einzelsprache und ihrer Standardvarietät ergibt sich aus dem Nebeneinander von areal determinierten Mesosynchronisierungen, in denen Individuen ihr sprachliches Wissen in Situationen personellen Kontaktes abstimmen, und von Makrosynchronisierungen, mit denen sich die Mitglieder einer Sprachgemeinschaft unabhängig vom personellen Kontakt an einer gemeinsamen Norm ausrichten. Die zunächst großlandschaftlichen Oralisierungsnormen (entstanden um 1700) der einen literalen Standardvarietät unterliegen seit 70 Jahren einem massiven Umwertungsprozess. In dem Maße, in dem die durch die mündlichen Massenmedien verbreiteten neuen nationalen Oralisierungsnormen des Deutschen kommunikative Präsenz erlangten, wurden die alten Prestigesprechlagen als regional begrenzt wahrgenommen und zunehmend in einem landschaftlich sehr differenziert verlaufenden Prozess abgewertet. In dem heutigen Kontinuum der verschiedenen an der literalen Norm ausgerichteten Sprechlagen kann unter Rückgriff auf den kognitiv fundierten Begriff der Vollvarietät eine klare Abgrenzung von standardsprachlichen und nichtstandardsprachlichen Sprechlagen vorgenommen werden.
Zur Beantwortung der zweiten Frage werden rezente empirische Studien vorgestellt, deren Datenbasis standardsprachlich intendierte Äußerungen ungeschulter Sprecher in authentischen Sprechsituationen sind. Die in den entsprechenden Sprachaufnahmen beobachteten Regionalismen wurden dabei 1. empirisch-linguistisch analysiert und 2. in Beurteilungstests durch naive Hörer auf ihre Übereinstimmung mit der Standardsprache hin bewertet. Das überraschende Resultat: Die Hörerbeurteilungen in verschiedenen Regionen des Deutschen stimmen sehr weitgehend mit der theoretisch hergeleiteten Abgrenzung überein.
Zum Abschluss des Beitrages wird dann eine Bestimmung der Standardsprache und ihrer Oralisierungsnormen vorgenommen werden, die einerseits der konstitutiven Zeitlichkeit und Räumlichkeit einer jeden Sprache gerecht wird und dennoch eine klare Unterscheidung der Standardvarietät von regionalsprachlichen Sprechlagen erlaubt.