430 Deutsch
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Der Konstruktionsbegriff hielt seinen Einzug in die Spracherwerbsforschung durch gebrauchsbasierte Lerntheorien, nach denen sprachliche Strukturen als Form-Funktionseinheiten aus dem Input abgeleitet werden, Sprache somit ein emergentes System ist (Tomasello 1998a und b; Behrens 2009a und b). Die Abstraktionseinheit für das Kind ist dabei die Äußerung in ihrer situativen Gebundenheit und ihrer Diskursfunktion, mithin die Konstruktion. Die Konstruktion wird gefasst als schematische Einheit mit mehr oder weniger offenen Slots: Teile der Konstruktion können lexikalisch fixiert oder aber produktiv und durch andere Ausdrücke ersetzbar sein. Der Kontrast zum Valenzbegriff bzw. dem der Argumentstruktur in seiner formaleren Definition liegt darin, dass die lexikalischen Eigenschaften der Wörter die Syntax nicht projizieren, sondern dass sowohl die Eigenschaften der Lemmas als auch die der Morphosyntax aus ihrem Vorkommen in konkreten Sätzen abgeleitet werden.
Empirisch konzentriert sich die Forschung auf die Ermittlung der Generalisierungsprozesse und auf deren Basis im Input, dem Sprachangebot. Erwerbsrelevant ist insbesondere der Input in seinen usualisierten Mustern in typischen Interaktionssituationen. Eher wird vor allem der Grad der Produktivität kindlicher Äußerungen analysiert. Bislang weniger untersucht, aber zunehmend im Fokus sind die Generalisierungsprozesse selbst und damit die generative Kraft des Konstruktionsbegriffs. Sobald Aspekte einer Konstruktion abstrahiert worden (= produktiv) sind, sollten sie auf neue Situationen übertragen werden können, und gilt es zu ermitteln, welche formalen, funktionalen und distributionellen Faktoren die Abstraktion sprachlichen Wissens fördern.
In dem Paradigma der gebrauchsbasierten Konstruktionsgrammatik wird die modulare Trennung zwischen Wörtern und Regeln aufgehoben. Somit kann innerhalb eines einheitlichen theoretischen Rahmens sowohl der Erwerb regelhafter als auch der stärker idiosynkratischer Strukturen erklärt werden.
In den letzten Jahren haben sich in den Schulen unseres Landes neugestaltete und an den Ergebnissen der modernen Linguistik orientierte Sprachbücher zunehmend durchgesetzt. Gleichzeitig hat sich eine lebhafte Kritik etabliert, die entweder die Gesamtkonzeption oder einzelne Aspekte bzw . Abschnitte dieser neuen Lehrwerke beanstandet. Im Rahmen meines Beitrags werde ich weder eine detaillierte Analyse der vorliegenden Sprachbücher noch einen Überblick über den gegenwärtigen Diskussionsstand geben, sondern versuchen, grundlegende Voraussetzungen zu skizzieren, die bei der Entwicklung von Sprachbüchern oder von linguistischen Curricula beachtet werden sollten und die meiner Ansicht nach angesichts der bildungspolitischen Relevanz von Sprachbüchern im allgemeinen — und größtenteils auch in der bisherigen Diskussion — nicht genügend berücksichtigt worden sind.