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Die sprachliche Situation im Kanton Graubünden, wo eine Vielzahl von italienischen, romanischen und deutschen Varietäten in lang andauerndem Kontakt stehen, ist bisher nur wenig beschrieben, eine wahrnehmungslinguistische Untersuchung steht noch ganz aus. Ausgehend von der Annahme, dass Salienz abhängig vom eigenen sprachlichen System und vom Sprecherwissen ist, wurde ein Experiment konzipiert, bei dem Hörer aus Graubünden und Zürich Aufnahmen aus drei Bündner Orten, in denen Rätoromanisch und Deutsch in unterschiedlichen Kontaktverhältnissen stehen, hören und kommentieren sollten. Dabei konnte gezeigt werden, dass Bündner aufgrund ihres Sprecherwissens über die Variation in Graubünden andere Merkmale wahrgenommen und die Aufnahmen anders charakterisiert haben als Zürcher.
Im vorliegenden Beitrag werden erstmals Daten zweier aktueller Projekte zu Einstellungen von Deutschschweizer/-innen zu Hochdeutsch und Dialekt verglichen. Dabei wird beleuchtet, welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten sich in den Daten der Samples – einem bezüglich Bildung und Beruf heterogenen und einem bezüglich dieser Faktoren homogenen – feststellen lassen. Es zeigt sich eine vielschichtige Konzeptualisierung des Hochdeutschen in beiden Studien, die mit der Annahme unterschiedlicher mentaler Hochdeutsch-Modelle (Norm, Plurizentrizität, Schriftlichkeit, Mündlichkeit mit zwei Untermodellen) erklärt werden kann.
Der beinahe uneingeschränkte mündliche Gebrauch schweizerdeutscher Dialekte führt zur Frage, ob sich - bedingt durch die aus dieser besonderen Diglossiesituation zwangsläufig resultierenden vielfältigen Dialektkontakte - Veränderungstendenzen abzeichnen, die zu einer Koiné, einem einheitlichen Schweizerdeutschen führen. Anhand von Daten aus einem umfangreichen Korpus können verschiedenartige Wandeltendenzen festgestellt werden, die in ihrer Gesamtheit nicht die Veränderung hin zu 'einer' Koiné Schweizerdeutsch an - zeigen, sondern eher die Ausbildung großräumiger, aber binnenschweizerisch nach wie vor räumlich aufgegliederter Dialekte nahelegen, die ihrerseits einen gewissen linguistischen Abstand zur Standardsprache aufrecht erhalten.