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Der Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, wie Konstruktionen in der Konstruktionsgrammatik klassifiziert werden. Da es in der Konstruktionsgrammatik keine klare Trennung von Lexikon und Grammatik gibt, zeigt dieser Beitrag, wie die Methoden der Konstruktionsgrammatik und Frame-Semantik angewendet werden können, um eine einheitliche Beschreibung von Phänomenen im Spannungsfeld zwischen Lexikon und Grammatik zu erreichen. Darüber hinaus will dieser Beitrag auf empirische Probleme aufmerksam machen, die bei der Klassifikation von Konstruktionen anhand von Korpusdaten auftreten können.
Phänomene im Bereich von Valenz, Argumentstruktur, Diathesen, Kollokationen und Phrasemen dienen von jeher zur Bestimmung der Schnittstelle zwischen Lexikon und Grammatik. Mittlerweile sind allerdings grundsätzliche Zweifel an der Berechtigung der sprachtheoretischen Zweiteilung in Lexikon und Grammatik aufgekommen, auch weil die Entwicklungen im Bereich empirischer Methodik einen zunehmend besseren Einblick in die differenzierte Natur sprachlichen Wissens ermöglichen und uns mit semiproduktiven Prozessen, graduellen Kategoriezuordnungen, instabilen sprachlichen Mustern und frequenzgesteuerten Usualisierungen eigentlich regelhafter Strukturen konfrontieren. Die strikte Grenze zwischen der Grammatik als dem Ort des syntaktisch-semantisch Regelhaften und dem Lexikon als dem Repositorium des syntaktisch-semantisch Idiosynkratischen ist damit in Frage gestellt. Die Beiträge des Bandes betrachten den Bereich, wo Regelhaftes und Idiosynkratisches miteinander verwoben sind, sie führen Kontroversen zum Status von Konstruktionen und dem Verhältnis zwischen Lexikon und Grammatik, und sie zeigen, wie empirische Methoden der Korpuslinguistik, Psycho- und Neurolinguistik und Spracherwerbsforschung zur Klärung dieser Kontroversen beitragen.
Es ist unbestritten, dass in allen natürlichen Sprachen nicht-kompositionelle Form-Bedeutungspaare verschiedener Komplexitäts- und Abstraktionsgrade existieren. Uneinigkeit besteht dagegen bezüglich der Frage, ob diese Form-Bedeutungspaare als Teil der Grammatik oder gar, wie in der Konstruktionsgrammatik postuliert, als grundsätzliches grammatisches Organisationsprinzip zu verstehen sind. In meinem Beitrag argumentiere ich für eine zentrale Rolle von Konstruktionen bei der Repräsentation sprachlichen Wissens: Da Menschen offensichtlich in der Lage sind, Konstruktionen (im oben genannten Sinne) zu erwerben und zu verarbeiten, muss ein entsprechendes, konstruktionsverarbeitendes System existieren. Dieses kann auch nicht-idiomatische (regelhafte) Strukturen verarbeiten. Umgekehrt kann aber ein regelverarbeitendes System nicht ohne Weiteres idiomatische Strukturen verarbeiten. Das Sparsamkeitsprinzip sagt uns, dass eine Grammatik mit nur einem System einer mit zwei Systemen vorzuziehen ist, wenn es keine zwingenden Gründe für die Annahme eines zweiten Systems gibt. Neben diesem logisch-ökonomischen Argument diskutiere ich abschließend die Möglichkeit, anhand der systematischen Verletzung scheinbar allgemeingültiger grammatischer Regeln die Plausibilität eines konstruktionsverarbeitenden Systems empirisch zu untermauern.
Im letzten halben Jahrhundert hat in der formalen Grammatikforschung eine intensive Diskussion über die Natur syntaktischer und lexikalischer Information statt-gefunden. Während die frühe Generative Grammatik der traditionellen Grammatik folgte und konstruktionsspezifische Regeln anerkannte, gibt es seit den achtziger Jahren extreme Formen des Lexikalismus, die die Existenz von Konstruktionen bestreiten. Als Reaktion auf diese Entwicklungen leitete die „Berkeley Construction Grammar“ eine Renaissance der grammatischen Konstruktion ein. Der vorliegende Aufsatz untersucht anhand deutscher Relativsatztypen, ob diese besser rein lexikalisch oder mit Hilfe von Konstruktionen zu analysieren sind. Der Befund ist eindeutig: Die empirischen Daten treiben die rein lexikalische Theorie vor sich her und erweisen sie als unmotiviert und unüberzeugend. Im Gegensatz dazu kann die konstruktionale Theorie mit „intelligenten“ Werkzeugen wie Typen, Untertypen und Vererbung Generalisierungen über deutsche Relativsätze auf allen Ebenen elegant und effizient erfassen. Der Vorschlag Chomskys, Konstruktionen aus der Grammatik zu verbannen, erweist sich somit konzeptuell und empirisch als wissenschaftliche Fehlentscheidung.
Zwischenräume – Phänomene, Methoden und Modellierung im Bereich zwischen Lexikon und Grammatik
(2011)
Der Beitrag führt in den Sammelband „Sprachliches Wissen zwischen Lexikon und Grammatik“ ein und diskutiert zunächst den Zusammenhang zwischen den drei Dichotomien Lexikon versus Grammatik, Wort versus Phrase und Idiosynkrasie versus Regel. Im Folgenden werden Varianten des Konstruktionsbegriffs dargestellt und hinsichtlich verschiedener Dimensionen analysiert. Einer Darstellung der im Zusammenhang mit der Lexikon-Grammatik-Abgrenzung diskutierten Phänomene und angewandten empirischen Methoden schließt sich eine Übersicht über die Aufsätze des Sammelbandes an.