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Der Beitrag schlägt einen Bogen von historischen Verabschiedungen zum Begriff der Praktik und wieder zurück: Er legt zunächst die Gründe dafür dar, das Stichwort der ,Praktik‘ auf einen Untersuchungsgegenstand wie den historischer Verabschiedungen anzuwenden, und diskutiert in diesem Zusammenhang wichtige bisherige Verwendungsweisen der Bezeichnung in der Linguistik. Anschließend wird ein Konzept von Praktik entfaltet, das auf den Gegenstand der Verabschiedungen abgestimmt ist. Es knüpft vor allem an die soziologischkulturwissenschaftlich geprägten Debatten um ,soziale Praktiken‘, insbesondere an Anthony Giddens’ ,Theorie der Strukturierung‘ an, die zu diesem Zweck in ihren Grundzügen vorgestellt werden. Zuletzt veranschaulicht der Beitrag an Verabschiedungen aus dem 19. und 20. Jahrhundert, welche Konsequenzen das entwickelte Praktikenkonzept für die empirische Arbeit hat. Die zentrale Leistung des Konzepts, die auch für andere Studien der Pragmatik und kulturanalytischen Linguistik interessant sein könnte, besteht darin, die Emergenz von Kultur aus dem (sprachlichen) Handeln analytisch besser zugänglich zu machen.
Die linguistische Fundierung des Praktikenkonzepts kann von der starken Stellung des Konzepts in der Literalitätsforschung profitieren. Hier spielt der Begriff seit Beginn der kontroversen Diskussion zu den „Konsequenzen der Lite- ralität“ ab Beginn der 1980er Jahre eine zentrale Rolle. Die Forschung zeigt, dass „literacy practices“ als institutionell und kontextuell gebundene Formen des schriftlichen Sprachgebrauchs die pragmatischen Transmissionsriemen für den Aufbau literaler Kompetenz sind. An drei empirischen Bereichen, dem Erwerb von Textsortenwissen vor Beginn des eigenen Schreibens (protoliteraler Erwerb), dem Erwerb von phonologischer Bewusstheit und von Prozeduren des Textreferierens (schulischer Erwerb) und schließlich dem Erwerb von intertextuellen Praktiken wissenschaftlichen Zitierens (wissenschaftlicher Erwerb) diskutiert der Beitrag exemplarisch Leistungsmöglichkeiten und Grenzen praktikentheoretischer Konzepte für die Erklärung des beobachtbaren Sprachlernens.
Mit dem sogenannten Practice Turn werden in den Sozialwissenschaften aber auch in der Linguistik die Materialität und Körperlichkeit, die Routine und der Performanz-Charakter des Sozialen betont. Damit geht aber einher, dass vor allem in den radikaleren Ansätzen, die sich explizit gegen einen Handlungsbegriff stellen, die Aussparung des Subjektiven zu theoretischen wie methodologischen Problemen führt. Auf Basis einer reflexiven Zuwendung zu unseren eigenen Praktiken der interpretativen Videoanalyse zeigen wir einerseits, welche Beiträge die Praxisperspektive liefern kann, weisen aber auch auf die Rolle der Subjektivität der Beobachtenden hin. Diese Verbindung beider Perspektiven leistet der umfassendere Begriff des kommunikativen Handelns, auf dessen Grundlage die Sozialität der Praktiken nicht mehr nur postuliert wird, sondern ihr Zustandekommen aus den Prozessen der Routinisierung, Habitualisierung und Institutionalisierung des Handelns erklärt werden kann.
Mediatisierte Praktiken: Zur Rekontextualisierung von Anschlusskommunikation in den Sozialen Medien
(2016)
Mediatisierte Praktiken sind Gefüge kommunikativer Handlungen, die im Zuge der gesellschaftlichen Mediatisierung aufkommen, Technologien digitaler Kommunikation einbeziehen und an prä-digitale Vorgänger enger oder loser angebunden sind. Der Beitrag arbeitet den Begriff der mediatisierten Praktiken durch die Engführung zweier Forschungsstränge, der soziolinguistischen Praktiken-Forschung und der kommunikationswissenschaftlichen Mediatisierungsforschung, heraus. Rahmenbedingungen für die Mediatisierung sprachlicher Praktiken werden in fünf Dimensionen systematisiert: Formatierung, Beteiligungsrollen, Temporalität, Transkontextualität und Intermedialität. Zudem werden zwei Wege der Entstehung mediatisierter Praktiken durch „lineare“ bzw. „integrative“ Rekontextualisierung von Elementen früherer sprachlicher Praktiken unterschieden. Zur empirischen Flankierung dienen zwei Fallbeispiele der mediatisierten Anschlusskommunikation: die rezeptionsbegleitende Kommentierung der Krimiserie „Tatort“ auf Twitter einerseits, die Praktik der redaktionellen Intervention auf der Facebook-Präsenz der Nachrichtensendung Tagesschau andererseits.
Der Beitrag plädiert dafür, die Interaktionale Linguistik stärker für modellorientierte Forschung und datengeleitete Methoden zu öffnen. Er stellt eine Methode vor, wie auf der Basis von Korpora datengeleitet Praktiken rekonstruiert und modelliert werden können. Ausgehend von einer Diskussion der tiefgreifenden Veränderungen, die die Digitalisierung für die Linguistik mit sich bringt, und einer Auseinandersetzung mit dem Modellbegriff, wird der Begriff der (Kommunikativen) Praktik in Abgrenzung zum Begriff der Kommunikativen Gattung bestimmt. Im Anschluss wird am Beispiel von Trostdialogen in OnlineForen eine korpusgeleitete Methode zur Dialogmodellierung vorgestellt. Schließlich werden die Folgen der menschlichen Interaktion mit maschinellen Dialogsystemen reflektiert.
Der Beitrag interpretiert ausgewählte interaktionale Phänomene in Chats, Foren und Wikipedia-Diskussionen als ,Praktiken‘ im Sinne der Interaktionalen Linguistik. Vorgestellt und anhand von Beispielanalysen veranschaulicht werden Praktiken des Revidierens, der Portionierung, des Zitierens, des Adressierens und des nachträglichen Editierens von Kommunikationsbeiträgen. Das Praktikenkonzept erweist sich dabei als grundsätzlich produktiv; hinsichtlich der Äußerungsund Wahrnehmungsbedingungen sowie der für die Interaktionskonstitution zur Verfügung stehenden Ressourcen weist die internetbasierte Kommunikation aber dennoch eine fundamentale Differenz zu Formen mündlicher Interaktion auf. Diese Unterschiede sind bei der Adaption des Praktikenkonzepts für die Analyse der neuen Kommunikationsformen zu berücksichtigen.
Kommunikative Gattungen in der Interaktion: Kulturelle und grammatische Praktiken im Gebrauch
(2016)
Das Konzept der kommunikativen Gattungen beschreibt alltägliche kommunikative Muster, an denen sich Sprecher/innen und Rezipient/innen bei der Produktion und Rezeption kommunikativen Handelns orientieren. In diesem Beitrag werden zwei Aspekte der Gattungsanalyse näher beleuchtet: 1. Unterschiedliche Kulturen zeichnen sich durch teilweise unterschiedliche Muster bzw. Gattungen zur Lösung ihrer kommunikativen Aufgaben aus. Kommunikative Muster und Gattungen, die in der einen Kultur auf bestimmte Weise realisiert werden, können in einer anderen Kultur fehlen oder divergent aktualisiert werden. 2. Die Verwobenheit kommunikativer Gattungen und grammatischer Musterbildung kommt zum einen darin zum Ausdruck, dass kommunikative Gattungen Kontexte für die Verwendung spezifischer grammatischer Konstruktionen darstellen; zum andern tragen grammatische Muster selbst wiederum zur Kontextualisierung spezifischer Gattungen bei. Diese reflexive Bezogenheit wird am Beispiel von „bipolaren Alternativfragen“ im Speed-Dating und „Dichten Konstruktionen“ in Alltagserzählungen genauer aufgezeigt.
Wer sprachliche zu kommunikativen Praktiken in Beziehung setzt, muss bekanntlich dem Umstand Rechnung tragen, dass die zur Bedeutungskonstitution gebrauchten sprachlichen Ressourcen semantisch und pragmatisch weit unbestimmter sind als die Bedeutungen, die an Interaktionsprozessen Beteiligte Äußerungen zuschreiben, die (u.a.) auf der Verwendung dieser sprachlichen Symbole beruhen. Fragt man vor diesem Hintergrund danach, wie die Kluft zwischen Sprache und Kommunikation in der Verständigung und Kooperation geschlossen wird, so kommen Probleme ins Blickfeld, die in der theoretischen Linguistik bislang in erster Linie auf handlungslogischer Grundlage bearbeitet werden. Der gegenwärtige „Practice turn“ bezieht seine Legitimation aus einer Kritik an (bestimmten) handlungstheoretischen Positionen, die individuelle (Zweck-)Rationaliät bzw. konventionell geteiltes (Regel-)Wissen – modellhaft – als hinreichende Voraussetzungen menschlicher Kommunikation begreifen. Dagegen gehen (bestimmte) Praxistheorien von der Annahme aus, dass Sozialität basal in einer interaktionalen „Infrastruktur“ (Schegloff 2012) gründet, auf deren Basis durch sprachliches und praktisches Tun in Verbindung mit komplexen kulturellen Verstehenshintergründen (Schatzki 2002) kommunikativer Sinn gleichermaßen reproduktiv wie stets dynamisch hergestellt wird. Der vorliegende Beitrag erprobt anhand von Daten aus einem laufenden DFG-Projekt über Foyer-Gespräche im Theater – speziell im Blick auf Bewertungen – die methodische Reichweite handlungslogischer und praxeologischer Herangehensweisen und erörtert im Kontext der linguistischen Pragmatik ihr Verhältnis zueinander.
Ausgehend von fundamentalen Einsichten konversationsanalytischer
Interaktionsforschung zum zentralen Stellenwert, den leibliche Kopräsenz und wechselseitige Wahrnehmung für die Ausgestaltung unserer interaktiven Praktiken besitzen, untersucht der Beitrag deiktische Praktiken in der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht. Deixis – verbales und gestisches Zeigen für einen Anderen – kann phylo- und ontogenetisch (Tomasello 2003, 2006, 2008) als privilegierte Schnittstelle zwischen Interaktion und Grammatik, zwischen Sprache, menschlichen Körpern, Objekten, Wahrnehmung und Raum betrachtet werden. Auf der Grundlage eines breit angelegten Videokorpus unterschiedlicher Genres werden deiktische Zeigehandlungen als situierte, körpergebundene Praktiken analysiert und systematisch auf transsituative Gemeinsamkeiten und Unterschiede befragt. Die Ergebnisse der empirischen Analysen zur demonstratio ad oculos (dem Zeigen auf Sichtbares, Bühler 1965) und zur Deixis am Phantasma (dem Zeigen auf Unsichtbares, ebd.) werden in einen übergreifenden theoretischen Modell integriert. In dem multimodalen Modell wird Deixis als situierte, die interaktiven, kognitiven und perzeptorischen Ressourcen aller Beteiligten mobilisierende Praxis gemeinsamer Aufmerksamkeitsfokussierung begriffen (Stukenbrock 2015b).
Aufgrund der Tatsache, dass wir häufig Zweifel an Behauptungen von Gesprächspartnern, an Sachverhalten, an Wahrheitsgehalten von Aussagen etc. hegen, ist davon auszugehen, dass wir entsprechend über mehr oder weniger stark verfestigte interaktionale Praktiken des Anzeigens und des Behebens von Zweifeln verfügen, die Problemlösungsroutinen für die Bearbeitung von Zweifeln bereitstellen. Anhand einer empirischen Untersuchung von gesprochenem Alltagsdeutsch (ca. dreieinhalb Stunden Audiomaterial) soll versucht werden, exemplarisch solche Praktiken des Zweifelns im Deutschen zu beschreiben.