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Fragen der sprachlichen Praxis sind in der Sprachwissenschaft seit langem, in vielerlei Gestalt, in Bezug auf ganz unterschiedliche Kommunikationsbereiche und in einer bunten Vielfalt theoretischer Ansätze fest verankert. Im vorliegenden Beitrag diskutiere ich von einem handlungstheoretischen Standpunkt aus, der auch sprachhistorisch-evolutionäre und mediale Erweiterungen umfasst, Vorschläge zur Rolle des Praktiken-Begriffs bzw. (im weiteren Sinne) des Praktiken-Konzepts. Ich formuliere zunächst sieben mehr oder weniger kritische Thesen zu einem Ausschnitt der Praktiken-Literatur, den ich studiert habe, suche dabei auch nach Konsens und Dissens. In ausgewählten Fallbeispielen stelle ich dann Befunde zu Veränderungen in der Wissenschaftskommunikation seit der Erfindung des Buchdrucks dar und frage dabei, ob handlungstheoretisch orientierte Beschreibungen durch die Anwendung des Praktiken-Begriffs gewonnen hätten. Das Resultat fällt eher skeptisch aus.
Mit dem sogenannten Practice Turn werden in den Sozialwissenschaften aber auch in der Linguistik die Materialität und Körperlichkeit, die Routine und der Performanz-Charakter des Sozialen betont. Damit geht aber einher, dass vor allem in den radikaleren Ansätzen, die sich explizit gegen einen Handlungsbegriff stellen, die Aussparung des Subjektiven zu theoretischen wie methodologischen Problemen führt. Auf Basis einer reflexiven Zuwendung zu unseren eigenen Praktiken der interpretativen Videoanalyse zeigen wir einerseits, welche Beiträge die Praxisperspektive liefern kann, weisen aber auch auf die Rolle der Subjektivität der Beobachtenden hin. Diese Verbindung beider Perspektiven leistet der umfassendere Begriff des kommunikativen Handelns, auf dessen Grundlage die Sozialität der Praktiken nicht mehr nur postuliert wird, sondern ihr Zustandekommen aus den Prozessen der Routinisierung, Habitualisierung und Institutionalisierung des Handelns erklärt werden kann.
Wer sprachliche zu kommunikativen Praktiken in Beziehung setzt, muss bekanntlich dem Umstand Rechnung tragen, dass die zur Bedeutungskonstitution gebrauchten sprachlichen Ressourcen semantisch und pragmatisch weit unbestimmter sind als die Bedeutungen, die an Interaktionsprozessen Beteiligte Äußerungen zuschreiben, die (u.a.) auf der Verwendung dieser sprachlichen Symbole beruhen. Fragt man vor diesem Hintergrund danach, wie die Kluft zwischen Sprache und Kommunikation in der Verständigung und Kooperation geschlossen wird, so kommen Probleme ins Blickfeld, die in der theoretischen Linguistik bislang in erster Linie auf handlungslogischer Grundlage bearbeitet werden. Der gegenwärtige „Practice turn“ bezieht seine Legitimation aus einer Kritik an (bestimmten) handlungstheoretischen Positionen, die individuelle (Zweck-)Rationaliät bzw. konventionell geteiltes (Regel-)Wissen – modellhaft – als hinreichende Voraussetzungen menschlicher Kommunikation begreifen. Dagegen gehen (bestimmte) Praxistheorien von der Annahme aus, dass Sozialität basal in einer interaktionalen „Infrastruktur“ (Schegloff 2012) gründet, auf deren Basis durch sprachliches und praktisches Tun in Verbindung mit komplexen kulturellen Verstehenshintergründen (Schatzki 2002) kommunikativer Sinn gleichermaßen reproduktiv wie stets dynamisch hergestellt wird. Der vorliegende Beitrag erprobt anhand von Daten aus einem laufenden DFG-Projekt über Foyer-Gespräche im Theater – speziell im Blick auf Bewertungen – die methodische Reichweite handlungslogischer und praxeologischer Herangehensweisen und erörtert im Kontext der linguistischen Pragmatik ihr Verhältnis zueinander.
Aufgrund der Tatsache, dass wir häufig Zweifel an Behauptungen von Gesprächspartnern, an Sachverhalten, an Wahrheitsgehalten von Aussagen etc. hegen, ist davon auszugehen, dass wir entsprechend über mehr oder weniger stark verfestigte interaktionale Praktiken des Anzeigens und des Behebens von Zweifeln verfügen, die Problemlösungsroutinen für die Bearbeitung von Zweifeln bereitstellen. Anhand einer empirischen Untersuchung von gesprochenem Alltagsdeutsch (ca. dreieinhalb Stunden Audiomaterial) soll versucht werden, exemplarisch solche Praktiken des Zweifelns im Deutschen zu beschreiben.