400 Sprache, Linguistik
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Der Beitrag beleuchtet die seit den Anfängen der Fachgeschichte geführte Debatte um die Positionierung der Sprachwissenschaft zur bzw. in der Gesellschaft mit Blick auf die Frage, inwieweit das Fach eine Deutungshoheit in sprachreflexiven Fragen beanspruche, beanspruchen könne oder solle. Es werden vier Strategien diskutiert, mit denen versucht wurde und wird, einen solchen Anspruch in der Gesellschaft zu proklamieren bzw. zu zementieren. Vor dem disziplinären Hintergrund der soziolinguistisch-sprachanthropologischen Sprachideologieforschung, die auch linguistische Positionen unter Sprachideologien fasst, werden die sprachwissenschaftlichen Positionierungsversuche dabei als diskursiv gerahmte, aber kontextsensitive Manöver in einem ‚Kampf um sprachideologische Deutungshoheit‘ verstanden.
„XYZ hat dich angestupst". Romantische Erstkontakte bei Facebook - ein Schnittstellenphänomen?
(2012)
Am Kontaktaufnahmeverhalten in Sozialen Netzwerken - so die These des vorliegenden Aufsatzes - kann nachvollzogen werden, wie kommunikative Verhaltensformen in romantischen Kontexten aus On- und Offline-Welt Zusammenwirken und einander ergänzen. Anders als Online-Kontaktbörsen dienen Soziale Netzwerke in erster Linie der Pflege bereits offline bestehender sozialer Kontakte. Dennoch werden sie auch genutzt, um neue Kontakte zu etablieren, und als eine virtuelle Erweiterung einer Offline-Lebenswelt begriffen, in der fremde, aber als attraktiv kategorisierte Profilidentitäten' kontaktiert werden können. Mit (sprachlichen) Strategien wird einerseits das für Offline-Situationen typische Flirtverhalten simuliert, andererseits aber auf das charakteristische Vorgehen in Online-Kontaktbörsen zurückgegriffen. Auf der Basis solcher Beobachtungen werden Soziale Netzwerke als neuer Kommunikationsraum gedeutet, in dem Online- und Offline-Welt diffundieren - eine These, die aufschlussreich ist für eine Theorie kirchlicher Praxis in den Kommunikationsräumen des Web 2.0.
Bauchschmerzen bei Kindern sind häufig, aber glücklicherweise meist ohne schwerwiegende Ursache. Sogar starke oder wiederkehrende Bauchschmerzen haben oftmals keinen organischen Ursprung. Dennoch erfolgt bei Kindern mit häufigen Bauchschmerzen in der Regel eine umfangreiche und für alle Beteiligten belastende diagnostische Abklärung – teilweise sogar ohne seriösen, hilfreichen Befund. Idealerweise sollte bereits im Gespräch mit einem fachkundigen Arzt deutlich werden, ob die Schmerzen somatischen oder psychosomatischen Ursprungs sind, um überflüssige und teure Untersuchungsmaßnahmen einzusparen. An dieser Stelle kommt die Gesprächsforschung zum Einsatz: Für die Unterscheidung von organischen und psychisch bedingten Anfallsereignissen konnte gezeigt werden, dass die entscheidenden Hinweise zur Diagnose nicht nur in den geschilderten Fakten liegen, sondern auch in der Art, wie die Betroffenen selbst über ihr Problem reden und mit dem Arzt interagieren. Diese Hinweise lassen sich zielgenau durch gesprächslinguistische Analysen erfassen (vgl. Opp/Frank-Job/Knerich 2015). Für epileptische vs. dissoziative Anfälle konnte dies bereits belegt und in klinischen Studien validiert werden (vgl. Schwabe/Howell/Reuber 2007). In Anknüpfung an das genannte Projekt wird in dieser Dissertation überprüft, ob und inwieweit die Befunde aus der Anfallsforschung auch auf eine andere Erkrankung und Patientinnengruppe übertragen werden können. Für diesen Zweck werden dyadische Interaktionen junger Patientinnen mit Medizinerinnen während einer spezifischen Form und Phase der Anamnese analysiert: Der analytische Kern der Arbeit thematisiert die Interaktion der Beteiligten beim zeichnerischen Umsetzen von Bauchschmerzen. Dabei zeigt sich die interaktiv hervorgebrachte Positionierung der Patientinnen zur Malaufgabe als zentral und entsprechend diagnostisch relevant: Während Patientinnen, deren Schmerzen organischen Ursprungs sind, dazu tendieren, die Malaufgabe mit redundanten Informationen pflichtgemäß zu erfüllen, neigen Patientinnen, die an funktionellen Beschwerden leiden, hingegen dazu, die Malaufgabe als Chance zur Aktualisierung der Beschwerdenschilderung zu sehen. Diese Erkenntnisse lassen sich in Form einer Diagnosetabelle zusammenfassen und konstituieren damit die Basis für einen gesprächsanalytischen Anwendungsbezug, der die medizinische Forschung und Ausbildung um ein innovatives Diagnostikverfahren bereichern kann.
Gerade die Sprache der Journalisten hat eine kritische Reflexion bitter nötig. Denn – hierin den Juristen ähnlich – haben auch Journalisten eine Definitionsmacht über die soziale Wirklichkeit. Vor allem transportieren sie die Sprache der Politiker, die nicht selten „riskante" Begriffe durch Schönfärberei semantisch verschleiert. Oder sie schaffen eine eigene sprachliche Realität, die dann die Perspektive des „kritischen" Beobachters spiegelt. Anhand zahlreicher Beispiele, die vorwiegend den Tageszeitungen entnommen sind, untersucht der Verfasser Sprach-Modismen und Sprach-Verschiebungen aller Art, die zugleich S inn-Verschiebungen sind. Und er ruft die Linguisten auf, die selten gewordene Selbstkritik der Journalisten bei diesen Entschleierungen zu unterstützen. „Denn wir sitzen gemeinsam in dem Sprach-Boot, das alles mögliche darf – nur nicht untergehen."
Der vorliegende Beitrag untersucht das Herstellen von Graffitis sowie diese selbst in einer praxistheoretischen Perspektive. Er stützt sich dabei exemplarisch auf Mannheimer Graffitis aus den Jahren 1998 bis 2014. Die Kultur des Szene-Graffiti markiert in ihren spezifischen Formen - den Artefakten und den (sprachlichen) Praktiken - einen eigenen kulturellen Bereich. Gezeigt wird, dass das Herstellen von Graffitis eine schriftsprachliche, auf Namen konzentrierte Praktik ist, dass aber die (Schrift-)Bildlichkeit im Vordergrund steht. Es wird einerseits die Ausführung der Praktik in ihren sozialen und körperlich-handwerklichen Aspekten dargestellt, andererseits werden Graffitis in ihren (schrift-) sprachlichen, graphostilistischen sowie bildlichen Eigenschaften beschrieben und dabei als Artefakte der Praktik perspektiviert. Diskutiert wird auch die Frage der Intentionalität der Praktik. Argumentiert wird, dass das Herstellen von Graf- fitis eine Praktik darstellt, deren Intentionalität wesentlich in der Reaktion auf einen „Aufforderungscharakter“ (Waldenfels 2000, S. 374) liegt, den die Praktik selbst miterzeugt.