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Führer
(2022)
Die folgende Analyse trägt der Zentralität des Führerkonzepts während des Nationalsozialismus Rechnung und skizziert – orientiert an der leitenden Akteurseinteilung in zentrale Repräsentanten des NS-Apparats, verschiedene Akteursgruppen der integrierten Gesellschaft und der Ausgeschlossenen sowie Akteure des Widerstands – ein differenziertes Bild des zeitgenössischen Sprachgebrauchs und der unterschiedlichen Verwendungsweisen des Führerkonzepts. Führer wird als nationalsozialistisches Leitkonzept konturiert, das eng mit weiteren Leitkonzepten wie Volk, Nation und Reich verknüpft war. Es besaß einerseits hohe integrative und affektive Kraft, diente andererseits – auf Seiten der Ausgeschlossenen, Dissidenten und des Widerstands – als Einsatzpunkt von Distanzierung und Kritik.
Der folgende Beitrag vollzieht, nach Akteuren und Texten bzw. Kommunikationsformen unterschieden, Bezugnahmen auf die Olympischen Sommerspiele 1936 als eine multiperspektivische Konstruktionen nach. Methodisch werden – für die Perspektive der NS-Akteure – die Zugänge der Raumlinguistik genutzt und entsprechende Referenzen als Verräumlichungs-Akte beschrieben. Unter der Voraussetzung, dass die offizielle Berichterstattung der Olympia-Zeitung die Funktion hatte, einen geistig-kulturellen Zusammenhang zwischen der klassischen Antike und der nationalsozialistischen Gegenwart herzustellen, werden exemplarisch spezifische Raum- und Zeitkonstruktionen analysiert. Mit der Behauptung der Identität der klassischen Antike mit dem Nationalsozialismus wird Rechtfertigungspotenzial geschaffen; unter dem Schutz des Prestiges dieser Kulturepoche und ihrer Hervorbringungen hat man Handlungsspielraum. Für die Perspektive von Dissidenten und Ausgeschlossenen werden Bezugnahmen zeitlinguistisch im Sinn von Chronoferenzen dargestellt. Diese konzipieren die Spiele als ein eine transitorische Realität schaffendes Zeitereignis, mit einem markierten Beginn und Ende, vor allem aber mit temporären Phänomenen, i. e. der auf die Spiele zeitlich begrenzten Aussetzung von Exklusionsmaßnahmen. Im Zeichen von Täuschung und Entlarvung werden die kommunikativen Akte akteursspezifisch zusammengefasst.