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In der Geschichte der Sprachwissenschaft hat das Lexikon in unterschiedlichem Maße Aufmerksamkeit erfahren. In jüngerer Zeit ist es vor allem durch die Verfügbarkeit sprachlicher Massendaten und die Entwicklung von Methoden zu ihrer Analyse wieder stärker ins Zentrum des Interesses gerückt. Dies hat aber nicht nur unseren Blick für lexikalische Phänomene geschärft, sondern hat gegenwärtig auch einen profunden Einfluss auf die Entstehung neuer Sprachtheorien, beginnend bei Fragen nach der Natur lexikalischen Wissens bis hin zur Auflösung der Lexikon-Grammatik-Dichotomie. Das Institut für Deutsche Sprache hat diese Entwicklungen zum Anlass genommen, sein aktuelles Jahrbuch in Anknüpfung an die Jahrestagung 2017 – „Wortschätze: Dynamik, Muster, Komplexität“ – der Theorie des Lexikons und den Methoden seiner Erforschung zu widmen.
Vorwort
(2021)
Vorwort
(2024)
Thema der 59. Jahrestagung des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache war vom 14. bis zum 16. März 2023 erstmals nach mehreren Jahrzehnten wieder die Orthografie des Deutschen, und zwar „in Wissenschaft und Gesellschaft“. Einen unmittelbaren Anlass dafür bildete der bevorstehende Abschluss der siebenjährigen Arbeitsphase des Rats für deutsche Rechtschreibung Ende 2023, dessen Tätigkeit das IDS seit seiner Gründung wissenschaftlich begleitet. Aber auch die Orthografieforschung selbst hat sich seit der Rechtschreibreform im Jahr 1996 in einer Weise entwickelt, dass die Wahl dieses schriftlinguistischen Querschnittsthemas angezeigt erschien.
Dependenz in der Wortbildung
(2006)
In dependenzsyntaktischen Systemen wie denen von Engel (1982), Hudson (1984), Schubert (1987), Mel'čuk (1988) oder Starosta (1988) können gemeinhin nur Wörter andere Wörter oder Phrasen regieren. Auch wenn diese Annahme durchaus praktikabel ist, führt sie doch zu einer ganzen Reihe von syntaxtheoretischen Unzulänglichkeiten, die ausgearbeitete Dependenzgrammatiken gegenüber konkurrierenden Grammatiktheorien als unzulänglich erscheinen lassen. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, die Notwendigkeit darzulegen, auch komplexeren Einheiten Rektionsfähigkeit zuzugestehen, und mit dem Konzept des 'komplexen Elements' ein geeignetes formales Instrument dafür zur Verfügung zu stellen.
Für koordinative Konstrukte sind verschiedene syntaktische Grundstrukturen vorgeschlagen worden. Allen diesen Ansätzen ist gemein, daß sie die inkre- mentelle Verarbeitung dieser Konstruktionen nicht plausibel erklären können, obwohl Indizien dafür vorliegen, daß es sich bei Koordination keineswegs um ein genuin strukturelles Phänomen handelt, sondern um eines, daß aus den Prinzipien der inkrementellen Verarbeitung emergiert. Das skizzierte Verarbeitungsmodell basiert deshalb auf der Annahme, daß syntaktische Strukturen im Falle der Koordination mehrfach benutzt werden und hinsichtlich verschiedener sog. Projektionen zu verarbeiten sind. Diese Annahme erlaubt es, die Vielfalt der bei der Koordination auftretenden Tilgungs- und Reduktionsphänomene auf die Realisation koordinativer Strukturen bezüglich ihrer verschiedenen Projektionen zurückzuführen.
Die fast unüberschaubare Vielfalt koordinationssyntaktischer Phänomene ist eines der schwierigsten Probleme für eine kohärente Grammatiktheorie. Die vorliegende Untersuchung sieht Koordination nicht als grammatisches Phänomen per se, sondern als eine Technik, die es Sprecher und Hörer erlaubt, eine syntaktische Struktur in effizienter Weise ein zweites Mal zu verwenden. Statt koordinationssyntaktischer Strukturen werden deshalb Ersetzungs- und Linearisierungsprozesse als grundlegend angenommen. Das Buch zeigt, wie diese Idee für die Entwicklung einer einheitlichen und allgemeinen Koordinationstheorie genutzt werden kann, die neben allen Spielarten der Koordination auch andere Erscheinungsformen regulärer Ellipse erklären kann.
Die Untersuchungen erfolgen auf der Grundlage einer formalisierten Version der Dependenzgrammatik, lassen sich aber auch auf andere Grammatiktheorie übertragen, die eine getrennte Darstellung von syntaktischer Struktur und Wortstellung erlauben.
„Revolutionen sind die Lokomotiven der Geschichte“, lautet ein berühmter Ausspruch von Karl Marx. Kann man dies auch auf die Sprachgeschichte übertragen? Und was sind deren Lokomotiven? Eine neuere These besagt, dass Pandemien, Kriege und andere “revolutionäre” Ereignisse mit starker Auswirkung auf die Demografie sprachhistorisches Geschehen in Gang setzen können.
Anhand der geografischen Distribution des hohen vorderen gerundeten Vokalphonems /y/ in Europa wird das Projekt des Phonologischen Atlas Europas (Phon@Europe) vorgestellt. Der Schwerpunkt der Diskussion liegt auf Fällen der möglichen bzw. strittigen Diffusion von /y/ durch Sprachkontakt. Dabei gilt die Aufmerksamkeit auch der Rolle, die das Deutsche bei der Verbreitung von /y/ in Europa gespielt haben könnte. Es werden Vergleiche zu ähnlich gelagerten Fällen in anderen Teilen des Kontinents gezogen. Die Möglichkeit der kontaktunabhängigen Entstehung von /y/ wird ebenfalls in Betracht gezogen. Abschließend werden die Befunde kontaktlinguistisch und areallinguistisch ausgewertet und das Deutsche in der phonologischen Landschaft Europas situiert.
Vorwort
(2022)
Dieser Beitrag analysiert auf der Grundlage der Wikipedia-Korpora des Leibniz-Instituts für Deutsche Spra-che morphosyntaktische Phänomene im deutsch-italienischen Vergleich. Konkret fokussiert die Fallstudie Konfixe, die ursprünglich lateinischen bzw. griechischen Ursprungs waren und zunächst überwiegend für den Bereich der Medizinfachsprache entlehnt wurden. Mittlerweile werden diese mit veränderter Semantik jedoch auch für gemeinsprachliche Wortbildungsprodukte eingesetzt: So finden sich -phob- (D) und -fob- (IT) sowie -man- (D) und -man- (IT) in gemeinsprachlichen Wortbildungsprodukten, die formale und funk-tionale Äquivalenzen im Deutschen und Italienischen aufweisen. Wikipedia-Autor/-innen nutzen die als Krankheitsmetaphern zu deutenden Termini wie Lösch(o)manie oder cancellomania auf den Diskussionsseiten der Online-Enzyklopädie dazu, das Verhalten anderer Autor/-innen in der kollaborativen Textproduktion der Wikipedia metadiskursiv zu normieren.
Der Beitrag untersucht vorhandene Lösungen und neue Möglichkeiten des Korpusausbaus aus Social Media- und internetbasierter Kommunikation (IBK) für das Deutsche Referenzkorpus (DEREKO). DEREKO ist eine Sammlung gegenwartssprachlicher Schriftkorpora am IDS, die der sprachwissenschaftlichen Öffentlichkeit über die Korpusschnittstellen COSMAS II und KorAP angeboten wird. Anhand von Definitionen und Beispielen gehen wir zunächst auf die Extensionen und Überlappungen der Konzepte Social Media, Internetbasierte Kommunikation und Computer-mediated Communication ein. Wir betrachten die rechtlichen Voraussetzungen für einen Korpusausbau aus Sozialen Medien, die sich aus dem kürzlich in relevanten Punkten reformierten deutschen Urheberrecht, aus Persönlichkeitsrechten wie der europäischen Datenschutz-Grundverordnung ergeben und stellen Konsequenzen sowie mögliche und tatsächliche Umsetzungen dar. Der Aufbau von Social Media-Korpora in großen Textmengen unterliegt außerdem korpustechnologischen Herausforderungen, die für traditionelle Schriftkorpora als gelöst galten oder gar nicht erst bestanden. Wir berichten, wie Fragen der Datenaufbereitung, des Korpus-Encoding, der Anonymisierung oder der linguistischen Annotation von Social Media Korpora für DEREKO angegangen wurden und welche Herausforderungen noch bestehen. Wir betrachten die Korpuslandschaft verfügbarer deutschsprachiger IBK- und Social Media-Korpora und geben einen Überblick über den Bestand an IBK- und Social Media-Korpora und ihre Charakteristika (Chat-, Wiki Talk- und Forenkorpora) in DEREKO sowie von laufenden Projekten in diesem Bereich. Anhand korpuslinguistischer Mikro- und Makro-Analysen von Wikipedia-Diskussionen im Vergleich mit dem Gesamtbestand von DEREKO zeigen wir charakterisierende sprachliche Eigenschaften von Wikipedia-Diskussionen auf und bewerten ihren Status als Repräsentant von IBK-Korpora.
Im alltäglichen Leben sind Sozialen Medien kaum mehr entbehrlich: ob zum Zweck der Kommunikation, wie auf WhatsApp, zum Teilen von Inhalten und Fotos, z.B. durch Facebook und Instagram, oder zur Teilhabe am Weltgeschehen über Twitter. Der Band untersucht, ob und wie Soziale Medien unsere Kommunikation und auch unsere Sprache verändern und welche neuartigen kommunikativen Formen der Gebrauch Sozialer Medien hervorgebracht hat.