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Wie nun bereits seit einigen Jahren üblich, wurde die IDS-Jahrestagung auch dieses Jahr wieder von einer Methodenmesse begleitet, auf der sich passend zum Tagungsthema anwendungsorientierte Projekte mit Bezug zur Lexikonforschung präsentierten. Die Bandbreite der dargebotenen Themen war sehr groß: innovative methodische Ansätze im Bereich der Translationswissenschaft, Tools zur Analyse und Beschreibung lexikalischer Muster oder zur Detektion von Neologismen, neue lexikografische Ressourcen bis hin zu Infrastrukturaktivitäten und einem Kooperationsprojekt zwischen Schüler/innen und Wissenschaftler/innen zur Wortschatzanalyse. Im Folgenden sollen die einzelnen Projekte, die sich auf der Messe präsentiert haben, auf der Basis der eingereichten Abstracts der Messeteilnehmer/innen kurz vorgestellt werden.
Die Corona-Pandemie betrifft fast alle Facetten des öffentlichen Lebens und hat nicht nur erhebliche Auswirkungen auf den persönlichen Umgang miteinander, sondern beherrscht auch die Berichterstattung im großen Stil. In unserem Beitrag wollen wir zeigen, welche lexikalischen Spuren oder Trends der Coronakrise wir in der deutschen Online-Nachrichtenberichterstattung beobachten können, obwohl wir uns noch mitten in der Pandemie zu befinden scheinen. „Lexikalische Spuren“ bedeutet, dass wir z.B. die am häufigsten verwendeten Wörter, Wortbildungsprodukte rund um „Corona“ oder Häufigkeitskurven einzelner Wortformen analysieren. Auf der Grundlage von Online-Nachrichtenberichten aus 13 deutschsprachigen Quellen, die seit Anfang 2020 gesammelt wurden, zeigen wir unter anderem, wie über wöchentliche Übersichten der am häufigsten verwendeten Wörter zu sehen ist, wann die Corona-Pandemie zum dominierenden Thema in der Nachrichtenberichterstattung wird; wie eine wahre Explosion von Wortbildungsprodukten mit „Corona“ wie „Vor-Corona-Gesellschaft“ oder „Post-Corona Zukunft“ beobachtet werden kann, wie andere Themen – z.B. der Fußball – durch Corona verdrängt werden, wie sich die Diskussion um Auswege aus dem Lockdown in den Daten widerspiegelt, oder wie prominente Virolog/-innen in die gleiche „Frequenzliga“ wie Politiker/-innen aufsteigen.
Wissenschaftlich basierte allgemeine Wörterbücher des Deutschen werden heute meist korpusbasiert erarbeitet, d. h. die in ihnen beschriebene Sprache wird vor der lexikografischen Beschreibung empirisch erforscht. Diese Korpora sind allerdings, wie die großen linguistischen Textsammlungen zum Deutschen allgemein, durch Zeitungstexte dominiert. Daher beruhen die in Wörterbüchern beschriebenen Kollokationen und typischen Verwendungskontexte zumindest teilweise auf dieser Textsorte. Wir untersuchen in unserem Beitrag anhand einer Fallstudie zu Mann und Frau, wie stark sich die Beschreibung solcher Kollokationssets ändern würde, wenn als Korpusgrundlage nicht Zeitungen, sondern Publikumszeitschriften oder belletristische Texte herangezogen würden und wie unterschiedlich demnach Geschlechterstereotype dargestellt würden. Damit diskutieren wir auch die Frage, ob Zeitungstexte in diesem Fall ein adäquates und vielseitiges Abbild des Gebrauchsstandards zeigen. Auf einer allgemeineren Ebene wird dadurch ein grundlegendes Problem korpuslinguistischer Forschungsarbeiten tangiert, nämlich die Frage, inwieweit durch Korpora überhaupt ein ‚objektives‘ Bild der sprachlichen Wirklichkeit gezeichnet werden kann.
Quantitativ ausgerichtete empirische Linguistik hat in der Regel das Ziel, grose Mengen sprachlichen Materials auf einmal in den Blick zu nehmen und durch geeignete Analysemethoden sowohl neue Phanomene zu entdecken als auch bekannte Phanomene systematischer zu erforschen. Das Ziel unseres Beitrags ist es, anhand zweier exemplarischer Forschungsfragen methodisch zu reflektieren, wo der quantitativ-empirische Ansatz fur die Analyse lexikalischer Daten wirklich so funktioniert wie erhofft und wo vielleicht sogar systembedingte Grenzen liegen. Wir greifen zu diesem Zweck zwei sehr unterschiedliche Forschungsfragen heraus: zum einen die zeitnahe Analyse von produktiven Wortschatzwandelprozessen und zum anderen die Ausgleichsbeziehung von Wortstellungsvs. Wortstrukturregularitat in den Sprachen der Welt. Diese beiden Forschungsfragen liegen auf sehr unterschiedlichen Abstraktionsebenen. Wir hoffen aber, dass wir mit ihnen in groser Bandbreite zeigen konnen, auf welchen Ebenen die quantitative Analyse lexikalischer Daten stattfinden kann. Daruber hinaus mochten wir anhand dieser sehr unterschiedlichen Analysen die Moglichkeiten und Grenzen des quantitativen Ansatzes reflektieren und damit die Interpretationskraft der Verfahren verdeutlichen.