Jahrbuch / Institut für Deutsche Sprache
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- 2016 -
Die historische Variation als eine der zentralen Variationsdimensionen der Sprache ist gekennzeichnet durch große Variantenvielzahl, Fluktuation der Häufigkeit und zeitliche Überlagerung unterschiedlich alter Muster, aber auch durch Distributionsverschiebungen von Varianten. Sie weist enge Bezüge zur synchronen Mikro- und Makrovariation auf. Die Muster historischer Variation stellen zudem wichtige Argumente für die grammatiktheoretische Analyse dar. Die Spezifik und Dynamik historischer Variation wird exemplarisch anhand der Entwicklung der Vergleichskonstruktionen in der Geschichte des Deutschen veranschaulicht, die durch den Komparativzyklus, d.h. wiederholte Distributionsverschiebungen der Vergleichspartikeln von Äquativ- zu Komparativvergleichen gekennzeichnet ist.
- 2017 -
This paper argues that a lectometric approach may shed light on the distinction between destandardization and demotization, a pair of concepts that plays a key role in ongoing discussions about contemporary trends in standard languages. Instead of a binary distinction, the paper proposes three different types of destandardization, defined as quantitatively measurable changes in a stratigraphic language continuum. The three types are illustrated on the basis of a case study describing changes in the vocabulary of Dutch in The Netherlands and Flanders between 1990 and 2010.
| 2018 |
Aufklärende Sprachkonsultation kann profiliert werden, indem man sie als prospektive Sprachbetrachtung konzipiert. Im Aufsatz werden die Ausgangspunkte und Konsequenzen für diese These erläutert. Drei Blickrichtungen lassen sich unterscheiden: Mikro-, Medio- und Makroprospektiven. Die Mikroprospektivität wird in Verbindung mit sprachnormativen Problemen näher in Augenschein genommen. In allen Ausblicken auf die Zukunft spielt die Thematisierung von individuellen oder kollektiven Handlungsspielräumen eine besondere Rolle, um aufklärende Sprachkonsultation zu verwirklichen.
- 2013 -
Betrachtet man "Verfallserscheinungen" des Verbalsystems wie Übergänge stark > schwach, so zeigt sich, dass hier weder Rezenz noch Verfall zu konstatieren ist. Mit diachroner und analytischer Tiefe offenbart sich ein gestaffelter, systematischer Komplexitätsabbau, der seine Hochphase im Frühneuhochdeutschen hat und sich schlecht mit der Passivität und Chaos implizierenden Verfallsmetapher verträgt: Reorganisation statt Dekadenz. Entwicklungen wie der präteritale Numerusausgleich ('ich sang' – 'wir sungen' > 'ich sang' – 'wir sangen') oder die Herausbildung der vereinfachten Ablautalternanz X–o–o sind nie nur Komplexitätsreduktion, sondern immer auch Systematisierung; sie bremsen Verfall. Dabei ist der Gewinn an Systematik i.d.R. nicht Normautoritäten geschuldet, sondern ihm liegen sprachsystematische, kognitive und frequenzielle Faktoren zugrunde.
- 1995
Der Aufsatz thematisiert die typologische Veränderung in der morphologischen Struktur des Deutschen vom frühen Althochdeutschen
zum modernen Neuhochdeutschen. Das Althochdeutsche ist eine noch weitgehend fusionierend aufgebaute Sprache. Im Laufe der Sprachgeschichte entwickelt das Deutsche in starkem Maße nichtfusionierende Strukturzüge. Ihre Herausbildung ist (im wesentlichen) durch das Zusammenwirken von phonologischem Wandel, morphologischem Wandel und Grammatikalisierung/Reanalyse bedingt.
Die einzelnen Wandelprozesse sind höchst unterschiedlich motiviert
und verlaufen in typologisch unterschiedliche Richtungen; auch eine ’Grundrichtung’ der Veränderung (etwa von der Synthese zur Analyse oder von der Fusion zur Isolierung) ist nicht auszumachen. Das Ergebnis dieser Entwicklungen ist das typologisch stark inkohärente morphologische System des Neuhochdeutschen, das fusionierende, agglutinierende, introflexive, isolierende und polysynthetischinkorporierende Strukturzüge aufweist und insgesamt keinem der gängigen morphologischen Sprachtypen zugewiesen werden kann.
--- 1995
Negationssyntax in der deutschen Sprachgeschichte: Grammatikalisierung oder Degrammatikalisierung?
(1996)
Die Diskussion um die Entwicklung der Negation im Deutschen hat durch den Bezug auf das sprachtypologische Modell des Jespersen-Zyklus eine perspektivische Einengung erfahren, durch die zentrale Aspekte dieser Entwicklung, die Diversifikation der Negationskennzeichnung vom Althochdeutschen zum Neuhochdeutschen und der Stellenwert der Phänomene der Mehrfachnegation, weitgehend ausgeblendet bzw. unzutreffend bewertet wurden. Erweitert man die Untersuchungsperspektive in diesen beiden Bereichen, so ergibt sich nicht nur ein wesentlich differenzierteres Bild der historischen Entwicklung des Deutschen, sondern man wirft zugleich einen Blick hinter die Kulissen des Jespersen-Zyklus, d.h., man erhält Einblick in strukturelle Optionen für die Realisierung der Kategorie Negation innerhalb der Grammatik, die im Rahmen typologischer Überlegungen zu berücksichtigen sind.
;, 1997
Die Entwicklung der deutschen Sprache im 19. Jahrhundert ist in den letzten Jahren näher untersucht worden. Es stellt sich die Frage, ob sich die Sprachentwicklung im 20. Jahrhundert deutlich davon abgrenzen läßt oder ob eher von Kontinuitäten in der Sprachentwicklung um 1900 auszugehen ist. Es gibt einige Evidenzen dafür, daß zwar Veränderungen im Sprachbewußtsein und in der Sprachbewertung zu konstatieren sind, daß viele Modernisierungsprozesse aber, z. B. der Ausgleich zwischen geschriebenen und gesprochenen Formen des Deutschen, bis in die jüngste Zeit kontinuierlich fortschreiten. Einige allgemeine Überlegungen zum Verhältnis von Sprachwandel und Kontinuität fuhren dann zur Skizzierung eines Forschungsansatzes, bei dem generationale Kontinuität (age grading) in Texten alter Menschen untersucht werden soll.
_1989
| 2018 |
Im vorliegenden Beitrag werden Sagbarkeitsphänomene aus dem Social Web vorgestellt, die als brisante Daten eingestuft werden. Dabei werden intraterritoriale Selbstoffenbarungsphänomene von extraterritorialen Phänomenen unterschieden, die dazu beitragen, andere Personen zu diskreditieren und zu verleumden. Angesicht der spezifischen Kommunikationsbedingungen im World Wide Web wird der Sagbarkeitsraum kontinuierlich erweitert. Dabei spielt die Diffusion der beiden Aktionsräume Handlungsraum und Zeigeraum eine prominente Rolle. Als Aufgabe für die Linguistik wird herausgearbeitet, die Konturen dieser Räume für die Wahrnehmung der Sprachbenutzer*innen zu schärfen.