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Die Europäische Union hat zur Mehrsprachigkeit einen Strategieplan erstellt, der eine Perspektive befördert, um die sprachliche Diversität positiv zu werten. Vor diesem Hintergrund lässt sich eine Tatsache nicht leugnen: Wenn die Mehrsprachigkeit allgemein gefördert werden soll, dann bringen Sprecher(innen) von Sprachminderheiten - historische, lang ansässige bis hin zu neuen Minderheiten - eine Sprachkompetenz in die Union ein, die ihnen eine herausragende Stellung und Chance zuweist.
Die Herausforderung an die Gesellschaft ist dabei dreifach: die Bedürfnisse nach Spracherhalt der Herkunftssprachen mit der Notwendigkeit der sprachlichen Integration von Immigranten zu verbinden und für alle den Zweit-, Drift- und Fremdsprachenerwerb zu fördern.
Von wissenschaftlicher Seite her ist dabei eine Definition von Mehrsprachigkeit zu klären, die dem heutigen Wissenstand Rechnung trägt. Zusätzlich wird der Begriff der Multikompetenz eingeführt. Damit wird versucht, das mehrsprachige Repertoire eines Individuums mit seinem sprachbiographischen Hintergrund zu fassen und mit seinen Anpassungsfähigkeiten, die aus der Interaktion mit der Umwelt erwachsen, zu verbinden.
Der Beitrag veranschaulicht an Beispielen aus dem Schweizer Kontext und anhand eines europäischen Vergleichs die sprachliche Verwobenheit der drei Stränge - historische Minderheiten, Immigration und Fremdsprachenunterricht - in einer pluriellen Gesellschaft. Ein Rückblick auf Studien zu Binnenmigration in der Schweiz, zu Interaktionsanalysen und zu statistischen Daten zur sprachlichen Integration von Fremdsprachigen in der Schweiz bietet Anlass zu einem Ausblick auf die europäischen Herausforderungen. Diese werden mit ersten Ergebnissen des laufenden EU-Forschungsnetzwerkes LINEE, in dem mehrsprachige Schulkontexte quer durch Europa vergleichend untersucht werden, untermauert.
Sprachenvielfalt und kulturelle Diversität. Vergleichende Überlegungen zwischen Indien und Europa
(2011)
Der Entwicklungsprozess Europas bedeutet unter anderem auch, dass relativ homogene, monosprachige Nationen sich zu einem komplexen mehrsprachigen Staatenverbund entwickeln. Migrationsschübe und die damit verbundenen Probleme von Inklusion, Exklusion und Integration sind Merkmale dieses Vorgangs. Mehrsprachigkeit und kulturelle Diversität sind dadurch hochaktuelle Themen in der europäischen Kulturdiskussion geworden. Dieser Vortrag behandelt einige Aspekte des zukünftigen mehrsprachigen, plurikulturellen Europas mit dem mehrsprachigen, plurikulturellen Indien in vergleichender Absicht.
Die Sprichwortdatenbank enthält 300 deutsche Sprichwörter, zu denen Äquivalente in jeweils vier Sprachen gesucht wurden: in slowenischer, ungarischer, tschechischer und slowakischer Sprache. Es handelt sich um 300 im Korpus belegte und aus der DaF-Perspektive für das Erlernen der deutschen Sprache besonders wichtige Sprichwörter, die zum so genannten phraseologischen Minimum oder auch Optimum gehören. Es war von Anfang an klar, dass es nicht in allen der kontrastierten Sprachen für alle 300 deutschen Sprichwörter Äquivalente geben wird, aber wir haben angenommen, dass das bei mindestens drei Viertel der deutschen Sprichwörter der Fall sein wird. Und das hat sich auch bestätigt. Im Slowenischen gibt es für 49 der in der deutschen Datenbank enthaltenen Sprichwörter kein Äquivalent. Für 40 der deutschen Sprichwörter existieren volläquivalente slowenische Sprichwörter und die restlichen 211 Sprichwörter kann man als teil- bzw. partiell äquivalent einordnen und zwar entweder im formalen Sinne teiläquivalent (Komponentenaustausch) oder aber funktionalsemantisch äquivalent.
Das Ziel der vorliegenden Untersuchung war es, eine Typologie der Äquiva-lenzbeziehungen zu konzipieren, die auf unterschiedlichen Konzeptualisie-rungen im Deutschen und Slowenischen und den sich daraus ergebenden Dif-ferenzen zwischen den Sprichwörtern beider Sprachen basiert. Diese werden teilweise mithilfe der konzeptuellen Metapher-Theorie erklärt und zusätzlich in Bezug auf kommunikative, insbesondere auf argumentative Funktionen un-tersucht. Insbesondere wird dabei auf die Topos-Theorie rekurriert. Diese kombinierte Methode verspricht einen interessanten interkulturellen Einblick in die Äquivalenzbeziehungen zwischen dem Sprichwortbestand des Deut-schen und des Slowenischen und kann als Ansatz für die Entstehung ver-gleichbarer Typologien für andere Sprachenpaare dienen.
Der Beitrag befaßt sich mit der nationalsozialistischen Besatzungspolitik in den polnischen Westgebieten unter kultur- und fotografiegeschichtlichem Gesichtspunkt. Es wird der Versuch unternommen, anhand von in der Bundesrepublik Deutschland veröffentlichten Fotos aus Poznan und Umgebung einen etwas anderen Blickwinkel auf das historische Ereignis zu öffnen, das die tiefsten Wunden in den deutsch-polnischen Beziehungen hinterließ. Im Zentrum der Beschreibungen steht das rassistische Verhalten der deutschen Besatzer in den okkupierten westpolnischen Gebieten, die weitreichende Zerstörung polnischer Kultur und der sich auch in den Fotos manifestierende Widerstand der Polen gegen den Versuch der Dezivilisierung ihrer Nation. Es wird Einblick gewährt in die Systematik der Entpolonisierung, die den Alltag der polnischen Bevölkerung grundlegend bestimmte: Alles, was an die politische oder kulturelle Existenz und Geschichte der polnischen Nation erinnern konnte, wurde von den deutschen Besatzern in der ihnen eigenen Schnelligkeit und Gründlichkeit eliminiert. Den neuangesiedelten Deutschen und Deutschstämmigen wurde so vorgespielt, daß sie sich zu Recht in deutschem Stammesgebiet niedergelassen hätten. Für sie sollte der Eindruck erweckt werden, das Gebiet sei zu jeder Zeit vom Deutschtum kulturell bestimmt gewesen und sie selbst würden daher ein legitimes Erbe antreten. Anhand von privaten Fotografien von Deutschen und Polen wird der von der rassistischen deutschen Gewaltherrschaft geprägte Alltag unter verschiedenen Aspekten dargestellt, wobei der Leser für die Selektivität und Perspektivität der bildlichen Darstellungen sensibilisiert wird.
Dieser Text ist eine Kurzbeschreibung der grundlegenden Idee und der Inhalte des internationalen Projekts SprichWort (Referenznummer 143376-LLP-1-2008-1-SI-KA2-KA2MP), welches die Europäische Kommission im Rahmen der Aktion Lebenslanges Lernen zwischen 2008 und 2010 mitfinanziert hat. Das Projekt koordinierte die Abteilung der Germanistik an der Philosophischen Fakultät der Universität Maribor (Projektkoordinatorin: Vida Jesenšek), mitbeteiligt waren Partner-Universitäten aus Graz (TU Graz, IICM, Leiter: Denis Helić), Trnava (Universität des hlg. Cyrill und Methodius, Philosophische Fakultät, Lehrstuhl für Germanistik, Leiter: Peter Ďurčo), Szeged (Universität Szeged, Philosophische Fakultät, Institut für Ungarische Sprache und Literatur, Institut für Deutsche Sprache und Literatur, Leiter: Tamás Forgács), Zlín (Tomas-Bata-Universität in Zlín, Humanwissenschaftliche Fakultät, Institut für Sprachen, Leiter: Libor Marek) sowie das Institut für Deutsche Sprache in Mannheim (Leiterin: Kathrin Steyer). Die teilnehmenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus sechs Ländern haben in dieses interdisziplinär angelegte Projekt exzellente Kenntnisse und reiche Forschungserfahrungen in allen projektrelevanten Bereichen komplementär eingebracht (linguistische Phraseologie- und Parömiologieforschung, Metalexikografie, Korpuslinguistik, Fremdsprachendidaktik, Informationstechnologie).
Im Beitrag werden fachliche Hintergründe, Projektziele und Hauptergebnisse des Projekts in einem kurzen Überblick dargestellt: eine mehrsprachige Datenbank mit ausgewählten Sprichwörtern in fünf Sprachen (Deutsch, Slowenisch, Slowakisch, Tschechisch und Ungarisch), die einheitlich und mehrdimensional linguistisch beschrieben sind, didaktische Inhalte mit speziellen parömiologischen Lern- und Lehrmaterialien und die Sprichwortcommunity, wodurch allen Interessierten die Möglichkeit gegeben wurde, sich an einigen Projektaktivitäten selbst zu beteiligen. Somit versteht sich der Text als Einleitung in die vertiefte Diskussion ausgewählter projektbezogener Problembereiche, die auch auf der projekteigenen internationalen Tagung (am 27. und 28. September 2010 am IDS in Mannheim) eine zentrale Rolle einnahmen und deren Ergebnisse in diesem Sammelband präsentiert werden.
Basis für die folgende Analyse sind zwei Gespräche mit der Heiratsmigrantin Sanem, die in einem Stadtteil in Mannheim lebt, der über einen hohen Migrantenanteil verfügt. Die Gespräche führten wir in Türkisch. Ich lernte Sanem in einem Deutschkurs kennen, den ich durchführte. Als Sanem in meinen Kurs kommt, ist sie bereits über ein Jahr in Deutschland. Das erste Gespräch (ca. 1,5 Std.) findet nach dem Unterricht im Klassenraum statt, das zweite (ebenfalls ca. 1,5 Std.)2 führten wir ungefähr fünf Monate später in einem türkischen Café. Sanem wurde als Informantin interessant, da sich ihr Verhalten, ihre Ausdrucks- und Sprechweise von den anderen Kursteilnehmerinnen unterscheidet. Sie spricht sehr gepflegt, ist wendig und mobil und kennt sich – im Gegensatz zu anderen Migrantinnen, die bereits seit Jahren in Mannheim leben – auch in anderen Stadtteilen Mannheims aus. Sie ist aktives Mitglied in einem türkischen Verein, der Arbeiterinteressen vertritt. Sie besucht Konzerte und Theater und organisiert kulturelle Veranstaltungen im Rahmen ihrer Vereinsmitgliedschaft. Sie betont mehrfach, dass sie nur an türkischsprachigen Aktivitäten teilnehmen kann, da ihr Deutsch noch nicht ausreichend ist.
Ziel meiner Analyse ist die Rekonstruktion von Ausschnitten aus Sanems Biografie, in denen sie ihre Herkunftsfamilie, ihr Leben vor der Migration, das Kennenlernen des Mannes, die Heirat und das Leben in der Migration darstellt. Dabei werde ich folgende Fragen behandeln:
— Wie charakterisiert Sanem ihre Herkunftsfamilie und sich selbst?
— Wie positioniert sie ihre Familie und sich selbst in Relation zur Gesellschaft in der Türkei?
— Über welche Eigenschaften/Handlungsweisen charakterisiert sie sich als „anders“? Welche Kontrastkategorien spielen eine Rolle?
— Welche Partnermodelle und Lebensentwürfe spielen für sie eine Rolle?
— Wie ist ihre Beziehung zu kulturellen Traditionen, wie sie in Verlobungs- und Hochzeitsritualen zum Ausdruck kommen? Wie geht sie damit um?
— Wie erlebt sie die Migrantengemeinschaft in Deutschland? Wie positioniert sie sich in Relation dazu?
— Wie sieht sie die deutsche Gesellschaft?
— Und wie sieht sie ihre Zukunft in Deutschland?
In die Analyse werde ich beide Gespräche einbeziehen; ebenso wie eigene Beobachtungen und Beobachtungen anderer aus meinem Lebensumfeld.
Anhand des onomasiologisch angeordneten deutsch-spanischen SCHWEIGEN / CALLAR -Korpus aus dem Forschungsprojekt FRASESPAL1 wird im ersten Teil des Aufsatzes auf die Konzeptualisierung des Schweigens mittels Phraseologismen und Sprichwörtern und deren Unterschiede auf denotativer und nichtdenotativer Ebene eingegangen. Die Notwendigkeit der pragmatischen Analyse in der kontrastiven Parömiologie soll im zweiten Teil der Arbeit gezeigt werden. Untersuchungsgegenstand sind die Sprichwörter Reden ist Silber, Schweigen ist Gold und En boca cerrada no entran moscas, die als interlinguale funktionale Äquivalente im Deutschen und Spanischen gelten.
Durch die Analyse werden für die kontrastive Parömiologie zu beachtende Unterschiede im textuellen Verhalten, in der Art der illokutiven Funktionen, in der sozialen Funktion, in den kognitiven Konzepten und in der Typologie der Modifikationen beider Sprichwörter aufgedeckt. Darüber hinaus werden die argumentativen und kommunikativen Funktionen beider Sprichwörter vor dem Hintergrund einer Differenzierung zwischen konzeptioneller Schriftlichkeit und Mündlichkeit anhand einer Vielzahl von Beispielen näher bestimmt.
Analyser l'utilisation du langage dans son écologie multimodale (c'est-à-dire en tenant notamment compte du rôle de la prosodie, des regards, des expressions du visage, des mouvements du corps et de la manipulation d'objets) a le potentiel d'approfondir, voire de remettre en question, notre compréhension même de la langue et de la grammaire. Ce numéro réunit un ensemble de contributions en français, en anglais et en allemand qui s'intéressent à la manière dont la grammaire et les pratiques multimodales sont mobilisées de façon conjointe en interaction, en s'appuyant principalement sur l'analyse conversationnelle (Sacks et al. 1974) et la linguistique interactionnelle (Couper-Kuhlen & Seltling 2018).
Der Erwerb von Sprichwörtern verläuft je nach situativem Kontext als bewusstes Lernen oder intuitiver Erwerb. Während der intuitive Erwerb von Sprichwörtern als Idealfall angesehen werden muss, ist das bewusste Lernen von Sprichwörtern den Einschränkungen und Möglichkeiten des institutionellen Lernens unterworfen. Der vorliegende Beitrag geht gezielt auf einen wichtigen, aber oft vernachlässigten Aspekt des Lernens ein, nämlich die Möglichkeiten, die didaktische Lerntipps für den Erwerb von fremdsprachlichen Sprichwörtern bieten können. Dabei werden eine Reihe von bedeutenden Aspekten angesprochen, wie autonomes Lernen als genereller Bezugsrahmen, die Präsenz und das Erlernen von Sprichwörtern, die Verflechtung von Sprichwortlernen und autonomem Lernen und nicht zuletzt konkrete didaktische Tipps zum Sprichwortlernen sowie deren Umsetzung auf der Sprichwortplattform (www.sprichwort-plattform.org).
„Ich werde Sie sehen lassen“ oder: Über Möglichkeiten und Grenzen interaktiver Kulturvermittlung
(1997)
Der Beitrag beschreibt, wie es im Verlaufe einer Exkursion zwischen einem polnischen Exkursionsleiter und einem Großteil der deutschen Exkursionsteilnehmer zu einem „interkulturellen Mißverständnis“ kommt. Er zeigt, daß und wie der engagierte Versuch der Kulturvermittlung des polnischen Exkursionsleiters von den deutschen Studenten als etwas ganz anderes wahrgenommen wird: Sie sehen in dem ambitionierten Versuch der Kulturvermittlung eher eine unangemessene Form der Selbstdarstellung und Selbstgefälligkeit. Es zeigt sich, daß für das Zustandekommen des interkulturellen Mißverständnisses unter schiedliche Aspekte eigenkultureller Befangenheit verantwortlich sind: Neben der fraglosen Typisierung fremdkultureller Phänomene mit eigenkultureller Begrifflichkeit und der kulturell geprägten Möglichkeiten des Redens über Kultur spielen auch unterschiedliche Traditionen des Erzählens von national bedeutsamen Ereignissen eine Rolle. Die Analyse fuhrt zu einem Modell interaktiver Kulturvermittlung als gemeinschaftlicher Aufgabe für alle Beteiligten und zu einer Argumentation für eine Heuristik maximaler Kulturdifferenz: zum einen für den Umgang von Kulturvermittlem mit ihren Adressaten, zum anderen als Grundlage der interaktiven Mitarbeit der Adressaten.