The 10 most recently published documents
„Es ist das meistgebrauchte Wort unserer Zeit und war das erste, das auf dem Mond fiel. Verstanden wird es in der ganzen Welt. Ein virales Wunder“ – mit diesen Worten beschreibt Uwe Ebbinghaus in der FAZ das Wort okay, als Verschriftlichung der Aussprache von O. K. [ˌəʊˈkeɪ], später auch O. k. bzw. o. k. sowie ohne Punkte als OK oder ok. Metcalf (2011) findet nicht weniger große Worte für die kleine Spracheinheit: „It’s America’s answer to Shakespeare. It’s an entire philosophy expressed in two letters“ (Metcalf 2011, S. ix). Die Beliebtheit des Wortes erklärt Metcalf (2011) auch aus linguistischer Sicht: One reason OK has spread throughout the world, [...], is that O and K are basic sounds found in most languages. [...] It is likely that many languages will have combinations that sound like OK, either complete words [...] or initials of words (Metcalf 2011, S. 90). okay ist in mündlichen Gesprächen heute beinahe allgegenwärtig, ob als kurze Frage am Ende einer Äußerung, als direkte Rückmeldung oder als international verstandenes Wort der Zustimmung. Sowohl die zunehmend häufigere Verwendung als auch die unterschiedlichen Gebrauchsmöglichkeiten sind Eigenschaften von okay, die das Wort schon vielfach zur Grundlage linguistischer Forschung gemacht haben. Das Hauptaugenmerk solcher Analysen lag vorrangig auf der Herausstellung unterschiedlicher Ge-brauchsweisen im mündlichen Diskurs. Doch okay ist keinesfalls ausschließlich ein Phänomen der gesprochenen Sprache: Der Ursprung von okay liegt in der Schrift. Die Funktion und Bedeutungvon okay im schriftsprachlichen Gebrauch stellen weitere, äußerst relevante Untersuchungsaspekte dar, da diese letztlich zu einer ganzheitlichen, wissenschaftlich fundierten Beschreibung des Wortes beitragen. So mussten bspw. durch die fehlende Intonation in Texten Entscheidungen bezüglich der Schreibweise von okay getroffen werden, was wiederum Anlass zur Entstehung vielfältiger Varianten gab. Neben der orthographischen Realisierung von okay ist gleichermaßen interessant, wie es sich seit seiner erstmaligen Verwendung in der deutschen Schriftlichkeit grammatikalisch entwickelt hat. Relevante Fragen sind hier etwa, ob okay ausschließlich als Responsiv genutzt wird, und auch, ob zwischen dem Gebrauch in text- oder interaktionsorientierter Schriftlichkeit Unterschiede festzustellen sind.
This paper discusses how the category of declarative speech acts can be used in the context of discourse analysis. For this purpose, similarities as well as differences between the works of Searle and Foucault are being discussed in order to illustrate the possibilities and challenges of theorizing declarative speech acts as discursive practices.To elaborate on these problems, a study on the felicity conditions of marriage in Islamic as well as Christian cultures is critically reviewed. The paper ends with an analysis of the discourse of same-sex marriage as well as blessing ceremonies in German churches and the discursive conflicts revolving around those practices.
National library as corpus: introducing DeLiKo@DNB – a large synchronous German fiction corpus
(2025)
This paper introduces DeLiKo@DNB, a large, linguistically annotated, and large, freely accessible contemporary corpus of German fiction. The corpus currently comprises 2 billion words from over 26,000 books published between 2005 and the present, spanning pulp and genre fiction as well as literary award-winning works. We provide a detailed account of the corpus composition, metadata, and key features. Additionally, we outline our approach to ensuring lawful and productive access by deploying an instance of the open-source corpus analysis platform KorAP within the German National Library.
Terroristische Anschläge sind nicht immer noch, sondern immer mehr und immer wieder omnipräsent und eine zentrale Bedrohung gesellschaftlicher Ordnung. Zuletzt verdeutlichte der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023, dass Frieden ein fragiles Gut ist und die Grenzen zum Krieg zunehmend verblassen. Terror wirkt sich insofern disruptiv auf bestehende Gesellschaftsordnungen aus, ist aber auch als Diskursgegenstand selbst von Disruption gezeichnet, insofern als sich das Reden über Terror als diskontinuierlich und streitbar erweist. Die in diesem Beitrag vorgenommene Analyse agonaler Aushandlungen im Terrordiskurs verdeutlicht das anhand eines Diskursausschnitts in der Wikipedia exemplarisch. Sie beleuchtet konkrete plattform- und diskursspezifische Merkmale, die die disruptive Kondition des Terrordiskurses hervorrufen oder sich aus dieser ergeben, und exponiert damit eine besondere Wechselwirkung von Diskursthema und Diskursplattform. Damit kann das Definitionsproblem des Terrors zwar nicht gelöst, aber über die Reflexion seiner sprachlichen und diskursiven Konstitution weiter dekodiert werden.
In der öffentlichen Debatte über Rassismus und Diskriminierung im Polizeiwesen spielen implizite normative Erwartungen an den Sprachgebrauch von Polizeibeamt:innen eine Rolle. Das wiederum führt ihrerseits nicht selten zu einer Verunsicherung im eigenen Sprachgebrauch. Das Projekt der ‚Arbeitsstelle für linguistische Gesellschaftsforschung‘ an der Universität Magdeburg zu ‚Rassistischer und diskriminierender Sprache‘ ist ein anwendungsbezogenes Forschungsprojekt, in dem ein Workshop-Programm mit dem Ziel der Aufklärung über rassistische und diskriminierende Sprache, speziell für Angehörige der Landespolizei, entwickelt wurde. Die Basis der Workshopkonzeption, problemzentrierte Interviews mit Mitgliedern der Polizei Sachsen-Anhalt, entspricht dem diesem Beitrag zugrundeliegenden Forschungskorpus. Anhand ausgewählter Textbelege lässt sich exemplarisch zeigen, auf welche Weise polizeiinterne diskursive Ordnungen gestört werden, wie auf diese Irritation(en) sprachlich und metakommunikativ reagiert wird, welche Positionierungen im Rahmen eines ‚Störungsvorfalls‘ auftreten und welche gesellschaftlichen Akteur:innen daran beteiligt sind.
Kaija Saariaho war die erste finnische Komponistin, die einen bemerkenswerten internationalen Ruf erlangte. Im Vergleich zu den etablierten Mustern, die das Bild finnischer Komponisten prägten – hauptsächlich, aber nicht ausschließlich, basierend auf der diskursiven Konstruktion von Jean Sibelius als prototypischem Beispiel –, kann das Auftreten von Saariaho auf mehreren Ebenen als ein störendes Ereignis betrachtet werden. Mein Artikel beginnt mit der Einführung definitorischer Konzepte von Mustern (als potentiell multimodale Zeichenkomplexe, die als Modelle dienen und reproduziert werden) und der Störung von Mustern (als Bruch eines Kanons). Mit besonderem Blick auf die Imago einer Künstlerpersönlichkeit werden in einem multimodalen Ansatz sowohl die Kernelemente beschrieben, die das Bild eines „kanonischen“ finnischen Komponisten prägen, als auch die störenden Aspekte in Saariahos Musik, Karriere und öffentlichem Image im Verhältnis zu diesen Mustern. Schließlich deutet die Analyse auf die Beobachtung hin, dass Musterunterbrechungen in künstlerischen Diskursen zu einer fast unmittelbaren Bildung neuer Muster oder Mustermischungen führen können, wodurch ihre Unterbrechungswirkung abgeschwächt wird. Auf der Grundlage dieses Hinweises könnten weitere Forschungen durchgeführt werden, die der Frage nachgehen, ob solche transformativen Unterbrechungen vielleicht eher der Normalfall als die Ausnahme in Diskursen im Zusammenhang mit der Kunst im Allgemeinen sind.
Das Aufeinanderprallen heterogener Diskurse wird in den verschiedenen Strängen der Diskursforschung unterschiedlich konzeptualisiert. Vereinfachend kann man von synthetisierenden Positionen verschmelzender Diskurse einerseits und differenzbasierten Positionen heterogener Dis-Kurse andererseits sprechen. Letztere Position, die weit über letztlich lösbare intra- und extradiskursive Konflikte hinausgeht, lässt sich auf Jean-Francois Lyotards Überlegungen zur Inkommensurabilität von Diskursen beziehen: Ausgehend von der Einsicht, dass jeder Diskurs über bestimmte innerdiskursive Regeln verfügt und dass diese Regeln beim Aufeinandertreffen heterogener Diskurse in Konflikt geraten, stellen sich Fragen nach den Möglichkeiten und Grenzen des Umgangs verschiedener Diskurse miteinander und ihrer potentiellen Inkommensurabilität. Die Herausforderungen des Aufeinandertreffens heterogener Diskurse lassen sich im „Dritten Reich“ und in Bezug auf das Genre der Tarnschrift umfassend und produktiv untersuchen. In diesen Tarnschriften prallen heterogene Diskurse in einem begrenzten Textraum aufeinander, da der Tarntext den Regeln des herrschenden NS-Diskurses und der darin eingebettete Tarntext den Regeln der Widerstandsdiskurse entsprach. Dieses textuelle Nebeneinander von kommunikativen Äußerungen unterschiedlicher Diskurse erlaubt es, Verfahren der diskursiven Unterbrechung, Irritation und Inkommensurabilität zu analysieren. Ausgehend von einer an Lyotards Überlegungen orientierten Perspektive sollen daher Tarnschriften als Gattung der diskursiven Störung analysiert und reflektiert werden.
Vor dem Hintergrund von Disruption werden in diesem Artikel geltende Konzepte von diskursivem Ereignis hinterfragt und miteinander in Beziehung gesetzt. Die davon abgeleiteten disruptiven Ereignisse werden als eine Subkategorie von diskursivem Ereignis verstanden. Am Beispiel des feministischen Abtreibungsdiskurses wird diesem Ansatz gefolgt und mittels einer Analyse von Praxen des Widersprechens ermittelt, inwieweit durch feministische Akteur*innen die Urteile des Bundesverfassungsgerichts von 1975 und 1993 als disruptive Ereignisse konstruiert werden.
Sagen ist das häufigste lexikalische Verb im gesprochenen Deutsch. Es tritt in zahlreichen verfestigten Wendungen mit besonderen Gesprächsfunktionen auf – beispielsweise um Aussagen abzuschwächen, Aufmerksamkeit zu steuern, Wissen anzuzeigen oder das Thema zu wechseln. Die Studie dokumentiert und systematisiert den Gesamtbestand dieser Ausdrücke aus interaktionslinguistischer und konstruktionsgrammatischer Perspektive. Im Fokus stehen der Zusammenhang ihrer verschiedenen Gesprächsfunktionen, ihre lautliche Reduktion sowie der Grad ihrer formalen Verfestigung bis hin zur Univerbierung.
„Das muss Konsequenzen haben“. Die Schiffshavarie der Pallas als umweltpolitische Diskursdisruption
(2025)
Im Rahmen der Plenardebatten setzt sich der Deutsche Bundestag regelmäßig mit umweltrelevanten Störfällen und Unglücken auseinander. So wurde am 12. November 1998 zum ersten Mal die Havarie des vor Amrum auf Grund gelaufenen Frachtschiffs „Pallas“ thematisiert. Der eigentliche Vorfall lag zu diesem Zeitpunkt mehr als zwei Wochen zurück und hatte sich infolge medialer Berichterstattung mit besonderem Fokus auf Fragen des Krisenmanagements diskursiv etabliert. Die bundespolitisch-institutionelle Aufarbeitung knüpft damit an einen bereits bestehenden umweltpolitischen Teildiskurs an. Als Störfall stellt die „Pallas“ ein Referenzobjekt mit einem öffentlichen Positionierungs- und Inszenierungspotenzial dar, das sich in Form strittiger Verantwortungszuschreibungen entlädt. Daraus ergibt sich eine Trias aus behandelter Störung (Disruption), den daraus abzuleitenden Konsequenzen (Verantwortlichkeit) und den zur Umsetzung aufgerufenen Akteuren (Verantwortlichen). Die vorliegende Studie kombiniert qualitativ-hermeneutische und quantitativ-distributionelle Zugänge am Beispiel der „Pallas“-Havarie, um Aushandlungsprozesse zu politischer Verantwortung im Kontext bundesdeutscher Umweltpolitik genauer zu beschreiben.