Z1: Sprache im öffentlichen Raum
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Bislang gibt es keine akkuraten, repräsentativen Statistiken dazu, welche Sprachen in Deutschland gesprochen werden. Zwar wird in verschiedenen Erhebungen nach Muttersprachen oder nach zuhause gesprochenen Sprachen gefragt; aufgrund einiger Mängel im Erhebungsdesign bilden die Ergebnisse der vorliegenden Erhebungen jedoch die sprachliche Realität der in Deutschland lebenden Bevölkerung nicht angemessen ab. Im Beitrag wird anhand von drei Erhebungen gezeigt, dass bereits die Instrumente zur Erhebung von Sprache von Spracheinstellungen geprägt sind und dass dadurch die Gültigkeit der Ergebnisse stark eingeschränkt wird. Diese Mängel gelten für Sprachstatistiken im Hinblick auf die gesamte Bevölkerung Deutschlands – Kinder und Jugendliche eingeschlossen.
Idealerweise sollen Migrantinnen und Migranten nach ihrer Ankunft in Deutschland zunächst erfolgreich einen sprachlichen Integrationskurs absolvieren und anschließend an einer beruflichen Maßnahme teilnehmen oder je nach Alter und Berufserfahrung eine duale Ausbildung beginnen beziehungsweise gleich eine Arbeitsstelle antreten. Doch wie sieht die Realität aus? Durchlaufen alle Einwandernden tatsächlich diese Etappen? Und was passiert in den Betrieben, wenn die Migrantinnen und Migranten trotz des Besuches eines Integrationskurses eine Ausbildung beginnen und ihre Sprachkenntnisse für den Beruf (zunächst) nicht ausreichend sind? Sind die Betriebe auf solche sprachlichen und kommunikativen Herausforderungen vorbereitet? Im Folgenden werde ich auf diese Fragen in Bezug auf die jüngste Einwanderungsbewegung nach Deutschland, nämlich der durch Krieg und Vertreibung ausgelösten Migration von 2015 und 2016, eingehen. Die hier präsentierten Befunde beruhen auf den Ergebnissen unseres Projekts „Deutsch im Beruf: Die sprachlich-kommunikative Integration von Flüchtlingen", das seit 2016 am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim durchgeführt wird.
As part of our project "German at Work: The Linguistic and Communicative Integration of Refugees" at the Leibniz-Institute for the German Language (Mannheim, Germany), we are conducting several ethnographic field studies to investigate the integration process of refugees into various professional fields. The guiding questions are which linguistic and communicative problems arise in workplace interactions between refugees and their colleagues and with which communicative practices the participants ensure mutual understanding. In the present article, we further focus on the question whether and how the professional trainers use the work interactions as opportunities for language mediation and which practices they use.
Sprache im Gepäck. Von den vielfältigen Dialekten der Deutschen in der ehemaligen Sowjetunion
(2021)
Im Gepäck der etwa 2,5 Millionen der in den letzten rund dreißig Jahren in die Bundesrepublik eingewanderten (Spät-)Aussiedler aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion befand sich ein großes immaterielles Erbe. Dieses war nicht auf alle gleichermaßen verteilt, bei dem einen mehr, bei der anderen weniger spürbar und ist immer weniger geworden. Es handelt sich dabei um die mitgebrachten »russlanddeutschen« Dialekte. Was sind das für Dialekte und wer spricht sie noch?
Das Projekt „Bürgernahe Sprache in der Finanzverwaltung“ verfolgt das Ziel, Texte aus dem Bereich der Steuerverwaltung in bürgernaher Sprache umzusetzen. Im September 2020 hat das IDS in enger Rückbindung an den Lenkungskreis des Projektes begonnen, eine Pilotstudie zu entwickeln. Hierin wurden ausgewählte Texte (Textbausteine) in einem Online-Umfrageformat mit verschiedenen Bewertungsskalen aufbereitet. Die Beispieltexte in der Studie stammen aus den Erläuterungstexten zum Einkommensteuerbescheid sowie den Ausfüllanleitungen zur Grundsteuer. Die Testpersonen sollten in mehreren unterschiedlichen Aufgabenblöcken ausgewählte Texte in Vorher- und/oder Nachher-Versionen über die Bewertungsskala bewerten. Zusätzlich konnten sie auf jeder Aufgabenseite Anmerkungen in einem Freifeld notieren. Das Ziel der Umfrage ist es, Bürgerinnen und Bürger zu ihren Eindrücken zu befragen und aus den Ergebnissen Rückschlüsse auf die Verständlichkeit der Texte zu ziehen. Ein wichtiges übergeordnetes Ziel der Pilotstudie ist es, die eigentlichen Adressatinnen und Adressaten der Texte in die Projektarbeit mit einzubeziehen. Die Einschätzungen und Anmerkungen der Beteiligten geben für den weiteren Projektverlauf hilfreiche Hinweise und werden in die weiteren Überlegungen und praktischen Umsetzungen einfließen. Dieser Bericht fasst die Ergebnisse aus der Pilotstudie zusammen. Er gibt zu den verschiedenen Blöcken, die die Probandinnen und Probanden bearbeitet haben, Einblick, wie die Testpersonen die ihnen präsentierten Texte bewertet haben. Dabei werden die quantitativ ausdrückbaren Ergebnisse durch grafische Darstellungen visualisiert und in textueller Form zusammengefasst. Die Antworten auf die offenen Fragen geben einen qualitativen Eindruck der Anmerkungen, die die Probandinnen und Probanden in Freifeldern hinterlassen haben.
Öffentliche Sprachdiskurse, wie sie beispielsweise in den Medien stattfinden, werden typischerweise aus einer sprachkritischen Haltung heraus geführt. Inwieweit diese veröffentlichte Meinung tatsächlich die Mehrheitsmeinung der Sprecherinnen und Sprecher widerspiegelt, ist durchaus eine offene Frage. In diesem Beitrag berichten wir aus einer rezenten Erhebung über Spracheinstellungen in Deutschland. Wir zeigen, dass die Art der Frageformulierung einen starken Einfluss auf die Ergebnisse hat, und berichten, welche sprachlichen Veränderungen die Befragten in jüngerer Zeit angeben, wahrgenommen zu haben.
Dieser Beitrag beschreibt Varietäten des Deutschen, die in exterritorialen deutschen Gemeinschaften gesprochen werden. Viele dieser Gruppen gehen auf Wanderbewegungen im Mittelalter oder in der frühen Neuzeit zurück und haben spezifische Varietäten entwickelt, die durch Dialektmischung und Sprachkontakt mit den Umgebungssprachen gekennzeichnet sind. Eine weitere Gruppe sind sogenannte „Grenzminderheiten“, exterritoriale Gemeinschaften, die nach dem Ersten Weltkrieg entstanden sind und an deutschsprachige Länder angrenzen. Der Artikel gibt zunächst einen historischen Überblick über die verschiedenen deutschsprachigen Minderheiten. Anschließend werden die unterschiedlichen soziolinguistischen Rahmenbedingungen der jeweiligen Sprachgemeinschaften angesprochen und anhand von Beispielen von Gemeinschaften mit unterschiedlichem soziolinguistischem und sprachlichem Hintergrund illustriert.
Zeitnah zur großen Fluchtmigration von 2015 hat das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (1DS) gleich zu Beginn des Jahres 2016 das Projekt „Deutsch im Beruf: Die sprachlich-kommunikative Integration von Flüchdingen“ gestartet, um den Migrations-und Integrationsprozess der Geflüchteten von Anfang an dokumentieren und analysieren zu können. In Bezug auf die gegenwärtige Situation der Fluchtmigranten und -migrantinnen sind dabei insbesondere zwei Etappen von großer Bedeutung, die wir in unserem Projekt genauer fokussieren. Für die Integration und Partizipation der Migranten und Migrantinnen spielen zunächst ausreichende Deutschkenntnisse eine große Rolle, die in den mehrmonatigen Integrationskursen vermittelt werden. Hierzu hat das IDS in Kooperation mit dem Goethe-Institut eine zweistufige Sprachstandserhebung (in der Folge IDS-Goethe-Studie) in den allgemeinen Integrationskursen durchgeführt, die die Sprachbiographien, Sozialdaten und die Sprachlernfortschritte der Geflüchteten analysiert, und deren Ergebnisse im vorliegenden Aufsatz präsentiert werden.
Daneben werden im IDS-Projekt u.a. die vielfältigen beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen der Bundesagentur für Arbeit gesprächs- und interaktionsanalytisch untersucht, die für die Geflüchteten oftmals als Einstieg ins Arbeitsleben und somit als eine wichtige Integrationsetappe fungieren (vgl. Cindark; Hünlich 2017, Cindark; Deppermann 2018, Cindark 2018, 2019).
With recourse to a broader understanding of the concept of translation, the transfer of source texts in one variety into another variety of the same language can also be called translation. This paper focuses on the target language – or rather – the target variety “easy-to-read language”, which is meant to make texts comprehensible for people with communication limitations. Considering its origins in the disability rights movement, the aim is to inform affected persons about their rights and democratic processes, i.e. to translate especially legal texts into the so-called easy-to-read language. Although there is a whole range of rules and guidelines for formulating in easy-to-read language, ”none offers a sufficient approach for translation into easy-to-read language“ (Bredel & Maaß, 2016a, p. 109). Standardization of the variety is also still a long way off. On the one hand, the contribution takes stock of legal regulations in easy-to-read language. On the other hand, four versions of the Federal Participation Law in easy-to-read language are analysed with regard to their external features and the constructions used to explain technical terminology. The analysis shows that legal texts in easy-to-read language are (still) quite limited in number and are also difficult to find. Concerning the second part, the constructions used exhibit a great structural variance, both intra- and intertextually. It is therefore questionable whether the addressees can access the texts independently. Also, it is still necessary to make the rules, the formulations of the rules and the implementations clearer so that the translations fulfil their function.
The European language world is characterized by an ideology of monolingualism and national languages. This language-related world view interacts with social debates and definitions about linguistic autonomy, diversity, and variation. For the description of border minorities and their sociolinguistic situation, however, this view reaches its limits. In this article, the conceptual difficulties with a language area that crosses national borders are examined. It deals with the minority in East Lorraine (France) in particular. On the language-historical level, this minority is closely related to the language of its (big) neighbor Germany. At the same time, it looks back on a conflictive history with this country, has never filled a (subordinated) political–administrative unit, and has experienced very little public support. We want to address the questions of how speakers themselves reflect on their linguistic situation and what concepts and argumentative figures they bring up in relation to what (Germanic) variety. To this end, we look at statements from guideline-based interviews. In the paper, we present first observations gained through qualitative content analysis.
This paper explores how attitudes affect the seemingly objective process of counting speakers of varieties using the example of Low German, Germany’s sole regional language. The initial focus is on the basic taxonomy of classifying a variety as a language or a dialect. Three representative surveys then provide data for the analysis: the Germany Survey 2008, the Northern Germany Survey 2016, and the Germany Survey 2017. The results of these surveys indicate that there is no consensus concerning the evaluation of Low German’s status and that attitudes towards Low German are related to, for example, proficiency in the language. These attitudes are shown to matter when counting speakers of Low German and investigating the status it has been accorded.
„Deutsch in Europa“ findet sich nicht nur in den mehrheitlich deutschsprachigen Ländern in der Mitte Europas, sondern auch in mehreren direkt an diese angrenzenden Gebieten der Nachbarstaaten. Die Situation des Deutschen ist in diesen Grenzräumen jeweils sehr unterschiedlich, etwa hinsichtlich der Kontaktsprachen, aber auch hinsichtlich der rechtlichen Rahmenbedingungen, der kollektiven und individuellen Mehrsprachigkeit sowie der Einstellungen der Sprecherinnen und Sprecher u.v.m. Der Beitrag skizziert zunächst überblicksartig die aktuellen Situationen einiger deutscher Grenzminderheiten. Fokussiert wird sodann die Situation in Ost- Lothringen. Anhand von neu erhobenen Daten eines laufenden Projekts am IDS wird gezeigt, dass die Konstruktion der sprachlichen Identität in diesem spezifischen Kontext für die Sprecherinnen und Sprechern eine besondere Herausforderung darstellt.
Ist der Explorator ein Störfaktor? Zu den methodischen Grenzen festgeschriebener Aufnahmedesigns
(2021)
Im vorliegenden Beitrag soll das Störpotenzial des Explorators in festgeschriebenen Aufnahmedesigns näher beleuchtet werden. Dabei soll der Frage nachgegangen werden, wann und unter welchen Bedingungen ein Explorator stört bzw. stören kann, und ob es sich tatsächlich um eine Störung handelt oder ob er nicht vielleicht auch positive Funktionen und Folgen für eine Datenerhebung mit sich bringt.