Sprachtypologie
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Der Titel des Beitrags vereinigt häufige typologische Einordnungen des Deutschen, die, wenn sie nicht interpretiert werden, einander widersprechen:
1. Deutsch ist eine S(ubjekt)0(bjekt)V(erb)-Sprache/eine OV-Sprache.
2. Deutsch ist eine der germanischen Verbzweitsprachen.
3. Deutsch ist eine Sprache mit freier Wortstellung.
4. Deutsch ist eine Scramblingsprache.
Im ersten Teil gehe ich zunächst auf die beiden Einordungen, die die Verbposition betreffen, ein und zeige, daß die dem eingeleiteten Nebensatz entsprechende SOV- oder OV-Reihenfolge bei Annahme eines nach links regierenden Verbs im Deutschen sinnvollerweise ab grundlegend angesehen werden kann, während die den germanischen Verbzweitsprachen eigene Anordnung des finiten Verbs nach einer maximalen Konstituente ab abgeleitet betrachtet werden muß. Im zweiten Teil wird gezeigt, wie die sich aus der Vergabe der semantischen Rollen (Thetarollen) des Verbs nach links ergebende hierarchische Struktur auf die lineare Folge im Mittelfeld deutscher Sätze abgebildet wird und wie man sich Umordnungen dieser Reihenfolge (oft ab Scrambling bezeichnet) bei Berücksichtigung von Skopusverhältnissen (z.B. der Negation/Affirmation) sowie von Kontextbedingungen und speziellen Topikalisierungen vorstellen kann und wieso sie eingeschränkt – also nicht völlig frei – sind.
Ausgehend von einschlägigen typologischen Parametern (Verbstellung, Kasusmarkierung, analytische und synthetische Konstruktion) werden Aspekte einer allgemeinen morphosyntaktischen Charakterisierung des Deutschen zur Diskussion gestellt. Die deutschen Klammerbildungen werden unter dem Aspekt links- und rechtsverzweigender Serialisierung betrachtet. Es wird dabei erwogen, die Verbalklammer im Hauptsatz als die Überlagerung einer zugrundeliegenden Verbendstellung durch eine pragmatische Satzartenmarkierung anzusehen. Das Verhältnis zwischen Morphologie und syntaktischen Regeln wird im Hinblick auf die ,,Konfigurationalitäts”-Diskussion erläutert. Sowohl bei Verbkonstruktionen als auch bei der Funktionskodierung im nominalen Bereich wird auf die Analytitizität/Synthetizität-Unterscheidung Bezug genommen. Im Rahmen dieser Parameter erscheint das Deutsche als ein sprachtypologischer „Mischtyp", der aber insgesamt durch weitgehende funktionale Konvergenz der typologisch unterschiedlichen Strukturen und Verfahren gekennzeichnet ist.
Eine aktuelle Debatte in der Phonologie betrifft den Status phonologischer Konstituenten oberhalb des Wortes, insbesondere von kleineren phonologischen Einheiten innerhalb von Intonationsphrasen. In vielen Sprachen haben solche Phrasengrenzen eine phonologische Funktion. Offenbar bedienen sich andere Sprachen dieser Möglichkeit aber nicht.
Ich möchte hier zwei Fragen diskutieren: Erstens, ob man für die Sprachen der zweiten Gruppe annehmen soll, daß sie ebenfalls über diese Kategorie verfügen, diese also abstrakt in ihrem System vorhanden ist, und zweitens, welche Einsichten wir aus der Gruppe von Sprachen, in denen die phonologischen Phrase eine Funktion hat, gewinnen können. Besteht irgendeine Korrelation zwischen dieser Eigenschaft von Sprachen und anderen phonologischen Eigenschaften dieser auf den ersten Blick inkonsistenten Gruppe?
Ich argumentiere, daß es nicht sinnvoll ist zu behaupten, daß die phonologische Phrase eine universelle Kategorie ist, weil man dann eine typologische Generalisierung über Sprachen verlieren würde. Ich zeige in diesem Beitrag, daß die Tendenz von Sprachen, Phrasengrenzen eine phonologische Funktion zuzuweisen, mit rhythmischen Eigenschaften auf der Wortebene korreliert. Anschließend mache ich einen Vorschlag zur Revision der phonologischen Kriterien der Typologie des Sprachrhythmus.
Alphabetschriften von altverschrifteten Sprachen weisen Charakteristika auf, die es erlauben, von einer Typologie der Alphabetschriften zu sprechen. Als typologischer Parameter gilt der einer phonologischen, prosodischen, morphologischen und historischen ’Tiefe’. Die vorliegende Arbeit unternimmt es, typologische Eigenschaften des deutschen Schriftsystems zu benennen und an zwei Beispielen genauer zu explizieren. An der Umlautschreibung <a-ä> sowie der Verdoppelung von Konsonantgraphemen in Anglizismen wird gezeigt, wie phonologische und morphologische Struktureigenschaften von Wörtern bei der Schreibung interagieren. Typisch für das Deutsche scheint insgesamt zu sein, daß sich die Tiefe der Einzelparameter gegenseitig auf transparente Weise begrenzen. Eine erste Nutzanwendung besteht im Bezug auf Formulierungen des Reformvorschlages. Liegt die Orthographiereform typologisch richtig? Greift sie strukturelle Eigenschaften des Deutschen auf oder wird sie eher zu einer ’Deregulierung’ beitragen? Der Beitrag möchte zeigen, wie Fragen dieser Art fundiert bearbeitet werden können.
In der Vergangenheit hat es zahlreiche sowohl eher theoretische als auch mehr praktisch orientierte Versuche gegeben, Anglizismen oder lexikalische Entlehnungen generell im Rahmen von Typologien zu klassifizieren. Schon Bäcker (1975, S. 2) hat auf die Wechselwirkung dieser beiden Pole hingewiesen, indem sich nämlich jede Klassifizierung direkt auf die praktische Untersuchung auswirkt und dass Klassifizierungen ständig aufgrund praktischer Ergebnisse modifiziert werden können und müssen. Aus diesem Grund sollen vier verschiedene neue Anglizismen- bzw. Neologismenwörterbücher und ihre Handhabung von Anglizismen näher betrachtet werden. Abschließend erfolgt ein Ausblick auf die Werbe- und die Jugendsprache und deren Umgang mit Anglizismen.
Die Sprachtypologie hat sich bisher im allgemeinen mit der Typologisierung von Sprachen beschäftigt, z.B. im Versuch, die Gesamtstruktur einer Sprache nach ihrer morphologischen Struktur oder nach ihrer Wortfolge zu charakterisieren. Seit neuerem neigen viele Typologen eher dazu, Konstruktionen anstatt Sprachen zu typologisieren. Diese Möglichkeit wird anhand von vier Konstruktionen erläutert, die Kontraste zwischen dem Deutschen und anderen Sprachen aufweisen: Kasusmarkierung nominaler Prädikate, Tough Movement, Relativsätze und Nominalsätze, Tempus und Aspekt. Die Typologisierung einer Sprache sollte also nicht, oder wenigstens nicht nur, als die Charakterisierung der Gesamtsprache betrachtet werden, sondern eher als die Charakterisierung der verschiedenen Konstruktionen, die diese Sprache umfaßt.
Wer Gerechtigkeit will, bekommt ein Urteil. Das ist ein alter Spruch, der im Verhältnis zwischen Sender und Empfänger der Rechtsbotschaft immer neu institutionell umzusetzen und persönlich zu verarbeiten ist. Am Anfang steht die nicht fachlich gemeinte Rechtsfrage: Was hätte ich tun sollen? Sie muss nicht, aber sie kann einen Prozess in Gang setzen. Über das Zeichen, das eine Klage enthält, wird dann mit den Mitteln der Sprache justizöffentlich disponiert. Das Dispositiv der Justiz hat seinen Preis, und dieser Preis schlägt sich in medialen Kosten nieder: in Geldnachteilen, in Zeit und Wahrheit. Das sind die Kosten des Rechtsstaats, die sprachpragmatische Analysen beziffern können. - Und was gewinnt man statt dessen? Hier reicht die Spannweite vom Lobpreis der Ordnung über die schwache Trostrede, der Naturzustand des Kampfes aller gegen alle werde überwunden, bis zum resignativen Abschied, wonach gar nichts zu gewinnen und überhaupt nur Verluste zu realisieren seien, also eben der Rechtsstaat, aber nicht Gerechtigkeit zu erwarten steht. Semiotisch gesehen, gewinnt man mit dem Justizdispositiv auch nichts vom Kern des Rechts - das wäre gar nicht möglich - , sondern man erfahrt die Disposition darüber, was als Recht und Unrecht gilt. Das gerade ist Inhalt einer Entscheidung. Man weiss nachher, was als „Recht" gilt. Das bleibt äußerlich - zum Glück. Glauben muss man es nicht.
In dem Beitrag wird gegen die Arbitraritätsthese bei der Genuszuweisung im Deutschen argumentiert. Es wird davon ausgegangen, daß das Genus durch phonologische, morphologische und semantische Prinzipien motiviert wird. Solche Prinzipien werden exemplarisch vorgestellt. Es wird auch der Nachweis erbracht, daß die Kategorie Genus semantisch-pragmatisch zum Transport von Bedeutungen ausgenutzt wird. Schließlich wird in dem Beitrag der Versuch unternommen, das Motivationsniveau für die Genuszuweisung im gesamten nominalen Lexikon zu bestimmen. Zu diesem Zweck wird auf den Begriff „Entropie” zurückgegriffen. Es stellt sich heraus, daß der ermittelte Entropiewert für das Gesamtsystem niedrig ist; d.h., daß der Grad der Ungewißheit für die Genuszuweisung im Deutschen insgesamt nur schwach ausgeprägt ist. Abschließend wird der Grad der Motiviertheit des Genussystems im Deutschen mit anderen nominalen Klassifikationssystemen und deren Motivierungsgrad verglichen.
Personalpronomina und ihre reduzierten und klitischen Formen stehen an markanten Satzpositionen, die sich von der Position der koreferenten vollen Nomina grundsätzlich unterscheiden. Sie erscheinen allerdings in manchen Sprachen verbbezogen als Enklitika, in anderen als Proklitika. Es wird zuerst erwogen,diese enklitische bzw. proklitische Position von der grundlegenden Linearitätstypologie im greenbergschen Sinne (SVO und SOV/VSO) abhängig zu machen. Wiewohl prinzipiell richtig zwingen klitische Pronomina im Skandinavischen sowie die Klitikstellung in Nichtdeklarativen zur Annahme,nach der ersten (rechtesten) thematischen Diskursposition im strukturellen Satzschema als Ort für die schwachen Pronominalformen zu suchen. Diese Annahme erscheint für eine Reihe von nichtverwandten Sprachen als haltbar. Im Blickpunkt stehen Sprachen aus den drei greenbergschen Haupttypen: SVO als V-mittelständigen Sprachen sowie SOV/VSO als V-randständige Sprachen. Je nachdem wie nichtdeklarative Satze sich aus den zugrundegelegten Strukturen ableiten, erreicht das pronominale Klitikum eine enklitische oder eine postklitische Position,die sich dadurch auszeichnet,daß sie die rechteste diskursfunktionale Themaposition ist. Diese Einsicht macht die strukturelle Verschiebung der schwachen Pronomina systematisch ableit- und voraussagbar.
Im Zentrum meiner Ausführungen steht ein Phänomen, das unter dem Stichwort „Jespersens Zyklus” ein Begriff geworden ist, nämlich die in vielen Sprachen zu konstatierende zyklisch auftretende Verstärkung von äußerlich zu schwach gewordenen Negationswörtern. (Ich spreche in Anlehnung an Jacobs (1991) von „Negationsträgern”.) Im Abschnitt 1 werde ich das Phänomen „Jespersens Zyklus” anhand einiger Beispiele vorstellen und dann einige Aspekte behandeln, die im Kontext dieses Phänomens eine Rolle spielen: Negationsverstärkung (Abschnitt 2), Stellung der Negationsträger (Abschnitt 3) und Areallinguistische Ausprägungen (Abschnitt 4).