Sprache im 20. Jahrhundert. Gegenwartssprache
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"Mit sofortiger Wirkung" : Deutsche Rücktrittserklärungen 2010 aus linguistischer Perspektive
(2011)
2010 war für die Bundesrepublik ein Jahr der Rücktritte aus zentralen Machtbereichen der Politik, Kirche und Verwaltung. Die Funktionsträger vermittelten den Eindruck „als sei ihnen die Gestaltung dieses Landes nicht mehr wichtig genug, um ihr Leben damit zu füllen“ (Bartsch 2010, 66). In diesem Aufsatz stehen nicht die Vorgeschichte, Gründe oder die Bewertung von Rücktritten im Vordergrund, sondern die linguistische Perspektive – d.h. die sprachliche Ausgestaltung sowie die Funktionen der Textsorte Rücktrittserklärung.
Die deutsche Sprache ist im Jahr 2010 nicht nur das Thema einer Kampagne des Auswärtigen Amtes, in der das Deutsche zur Sprache der Ideen erklärt wird,ihr Wohlergehen scheint den Deutschen insgesamt am Herzen zu liegen. Das hat sich unter anderem bei einer Umfrage herausgestellt, die vom IDS für den Deutschen Sprachrat durchgeführt wurde. Nicht nur schätzen die Sprecher des Deutschen in der Mehrheit ihre Sprache, sie halten auch Sorgfalt beim Sprechen und Schreiben für erstrebenswert und finden, dass man mehr für die deutsche Sprache tun solle, vor allem die Schule stehe dabei in der Pflicht. Dass das Auswärtige Amt ein Jahr der deutschen Sprache mit dem Motto „Sprache der Ideen“ ausruft, passt gut in diesen Kontext. Immerhin hatten die Befragten unserer Umfrage neben den Schulen, wenn auch mit weitem Abstand, die Politik als eine Instanz genannt, die das ihre zu Erhalt und Förderung des Deutschen tun solle.
Als ich hier zum ersten Mal stand, hingen in Mannheimer Bäckereien Pappschilder, auf denen zu lesen war: „Hurra, die Berliner sind da. Das Stück zu 30 Pfennig!“ Ich habe das damals für eine besonders freundliche Begrüßung der mehr als 20 Berliner Mitarbeiter des gerade aufgelösten Berliner Zentralinstituts für Sprachwissenschaft gehalten, auch wenn der Preis etwas untertrieben war. Dass wir damals überhaupt nach Mannheim kommen konnten, hatten wir ganz wesentlich Gert Stickel und seinen Mitstreitern an der IDS-Spitze, dem Präsidenten Siegfried Grosse und dem Mitdirektor Rainer Wimmer, zu verdanken. Ich freue mich, dass ich unseren Dank heute hier auch vor Ihren Ohren wiederholen darf. Ihr gemeinsamer Entschluss, das IDS für Mitarbeiter des Berliner ZISW zu öffnen, hat uns die fachliche Weiterarbeit ermöglicht und war für die alten IDSler zumindest auch deshalb interessant, weil die personelle Erweiterung eines der wichtigsten Argumente für den Umzug des IDS aus den Obergeschossen der Tankstelle in der Friedrich-Karl-Straße in dieses schöne Gebäude hier in R 5 war. Erinnern möchte ich bei dieser Gelegenheit aber auch an Dieter Viehweger, der in der entscheidenden Phase die Berliner Seite in den Gesprächen mit dem IDS vertreten hat. Als ich nach Viehwegers viel zu frühem Tod zum Direktor des ZISW gewählt wurde, war nur noch die „Abwicklung“ des Akademie-Instituts, darunter auch die Abwicklung längst getroffener Verabredungen zwischen IDS und ZISW zu sichern. Ich möchte die heutige Gelegenheit nutzen, Ihnen zu demonstrieren, welches unkontrollierte Gut wir Berliner damals in unseren Köpfen mit uns führten: sprachliche „Errungenschaften“, schöne und hässliche. Die DDR liebte Errungenschaften, solche und solche. „Auferstanden aus Ruinen“ ist die deutsche Sprache im 20. Jahrhundert allerdings mehrmals. Ein Gesamtbild sprachlicher Errungenschaften des vergangenen Jahrhunderts entwerfen zu wollen, wäre vermessen, deshalb die im Thema angekündigte Konzentration auf ganz wenige ausgewählte Erbstücke.