Sprache im 20. Jahrhundert. Gegenwartssprache
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Der vorliegende Beitrag erkundet den Zusammenhang zwischen der Komplexität politischer Argumentationsprozesse und der Diversifikation der Semantik von Schlüsselwörtern, deren Bedeutung im Argumentationsprozess umkämpft und in zahlreichen Facetten entfaltet widAdegenstand der Untersuchung ist die Verwendung von „Ökologie" in den Schlichtungsgesprächen zum Bahnprojekt Stuttgart 21. Im Unterscheid zu bisher vorliegenden Analysen zu semantischen Kämpfen geht es weniger darum, wie ein Ausdruck von einer Partei im Gegensatz zu anderen semantisiert wird. Es wird vielmehr gezeigt, wie semantische Diversifizierung und Ambiguität von „Ökologie" im expertischen Argumentationsprozess entstehen und welche kommunikativen Effekte dies für die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung mit sich bringt. Es werden drei Praktiken identifiziert, mit denen die Interaktionsteilnehmer selbst auf semantische Diversifizierung und Ambiguität reagieren und versuchen, den Ausdruck eindeutig interpretierbar und die Quaestio entscheidbar zu machen: Strategieunterstellungen, Popularisierungen und Populismus. Die Interaktionsanalysen zeigen dabei, dass diese Praktiken selbst die Problematik, die sie lösen sollen, reproduzieren.
Aus psychologischer Sicht wird Verstehen als ein kognitiver Prozess begriffen. Im Gegensatz dazu stellt der Aufsatz einen konversationsanalytischen Zugang zu Verstehen dar. Es wird rekonstruiert, wie Verstehen in Gesprächen durch verschiedene Verfahren der Verstehensdokumentation verdeutlicht und durch wechselseitig aufeinander bezogene Reaktionen ausgehandelt wird. Anhand von sechs Gesprächssequenzen wird eine linguistische Typologie von Verstehensdokumentationen in der Interaktion vorgestellt. Auf Basis der Fallanalysen werden grundlegende Eigenschaften von Verstehensdokumentationen sowie Aufgaben, die die Interaktionsteilnehmer bei der Produktion von und bei der Reaktion auf Verstehensdokumentationen bearbeiten, rekonstruiert. Dazu gehören: Identifikation des Bezugs von Verstehensdokumentationen, Interpretation des Verstehensgegenstands, Sicherung der Verständlichkeit und Legitimität (accountability) der Verstehensdokumentation, Herstellung des Bezugs der Verstehensdokumentation zu den praktischen Zwecken der laufenden Interaktion, Aushandlung intersubjektiven Verständnisses, rhetorische Nutzung von Verstehensdokumentationen und ihr indikativer Bezug auf Beteiligungsrollen und sozialstrukturelle Rahmen der Interaktion.