Sprache im 20. Jahrhundert. Gegenwartssprache
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"Übergesetzliches Recht". Reflexionen nationalsozialistischen Unrechts in der frühen Nachkriegszeit
(2002)
Urteilsbegründungen sind zeit- und damit sprachgeschichtliche Dokumente. Sie sind Psychogramme der Gesellschaft eines Staates. In der ersten Nachkriegsdekade reflektieren sie die zwei Seinsformen des deutschen Gemeinwesens bis und ab 1949. Der Beitrag rekonstruiert vor diesem Hintergrund richterliche Selbstprofile, welche die Rechtsprechung der ersten Nachkriegsdekade bestimmen, um anschließend an drei Beispielen der Frage nachzugehen, wie es möglich ist, dass ein Richter im Rahmen einer konzisen Argumentation dasselbe Argument abweist, das ein anderer Richter, ebenso konzis argumentierend, akzeptiert. Die Theoretische Grundlegung dieser Untersuchung besteht – ihrem Erkenntnisinteresse und vor allem der Beschaffenheit der untersuchten Textsorte ,Gerichtsurteil‘ folgend – aus einem Ensemble argumentations- und konzeptanalytischer Aspekte: Urteilsbegründungen sind ihrem Zweck nach argumentierende Texte, die im Argumentieren Schuldkonzepte realisieren. Überlegungen hierzu sind der Untersuchung vorangestellt.
Sprachkritik wurde in der Vergangenheit oftmals als reine Wortkritik betrieben. Exemplarisch werden in diesem Beitrag vier Themen aktueller wortbezogener Sprachkritik vorgestellt und kritisch diskutiert: die Kritik an Angloamerikanismen durch den „Verein zur Wahrung der deutschen Sprache", die Aktion „Unwörter des Jahres" (Horst Dieter Schlosser), das Konzept der „Plastikwörter" (Uwe Pörksen) und die „kontroversen Begriffe"(Georg Stötzel u. a.). Die Überlegungen münden in das Ergebnis, dass Wortkritik nur als Wortgebrauchskritik und Sprachkritik nur als Sprachgebrauchskritik (oder Diskurskritik) sinnvoll und begründet sind. Dabei ist zu bedenken, dass Sprachkritik keine Normen setzt, sondern Sprachgebrauchsnormen kritisch reflektiert und Alternativen aufzeigt.
Alltagsgespräche
(2001)
Wie nun bereits seit einigen Jahren üblich, wurde die IDS-Jahrestagung auch dieses Jahr wieder von einer Methodenmesse begleitet, auf der sich passend zum Tagungsthema anwendungsorientierte Projekte mit Bezug zur Lexikonforschung präsentierten. Die Bandbreite der dargebotenen Themen war sehr groß: innovative methodische Ansätze im Bereich der Translationswissenschaft, Tools zur Analyse und Beschreibung lexikalischer Muster oder zur Detektion von Neologismen, neue lexikografische Ressourcen bis hin zu Infrastrukturaktivitäten und einem Kooperationsprojekt zwischen Schüler/innen und Wissenschaftler/innen zur Wortschatzanalyse. Im Folgenden sollen die einzelnen Projekte, die sich auf der Messe präsentiert haben, auf der Basis der eingereichten Abstracts der Messeteilnehmer/innen kurz vorgestellt werden.
Üblicherweise wird behauptet und erwartet, dass für den Deutschunterricht die deutsche Standardsprache zumindest als Zielsprache, wenn nicht gar als Unterrichtssprache gilt. Die Forschungen der germanistischen Soziolinguistik und Sprachlehrforschung zeigen allerdings, dass keinesfalls Einigkeit darüber besteht, was denn ,die deutsche Standardsprache‘ überhaupt sei, ob, und wenn ja, wie viel Variation sie beinhaltet, und wie mit Normabweichungen seitens der Schüler/innen umzugehen sei.
Unser Beitrag beschäftigt sich mit der Rolle der Deutschlehrenden — sowohl an deutschsprachigen Schulen als auch im Rahmen des DaF-Unterrichts an britischen Hochschulen — um zu erörtern, welche Erwartungen sie an die sprachliche Normenkonformität ihrer Schüler/innen haben und welche praktischen Probleme ihnen hierbei begegnen. Unterstützt durch historische Belege aus dem Schulalltag im 19. Jahrhundert, diskutieren wir Kontinuitäten und Innovationen in der Selbsteinschätzung von Deutsch- und DaF-Lehrer/innen zu ihrer Rolle als Sprachnormvermittler/ innen und stellen die Frage, wie groß ihre Rolle tatsächlich ist.
Am Beispiel des an der Universität Oslo entwickelten Oslo Multilingual Corpus (OMC) wird illustriert, wie ein Parallelkorpus aus Originaltexten und deren Übersetzungen zur sprachvergleichenden Erforschung von Phänomenen der Satzverbindung und der Informationsverteilung auf Satz- und Textebene eingesetzt werden kann. Nach einer Skizze der OMC-Architektur wird eine Untersuchung von Satzverknüpfungen mit dem komitativen Konnektor „wobei“ und deren Entsprechungen in norwegischen Übersetzungen und Originaltexten vorgestellt, die dazu beiträgt, Bedeutungsfacetten dieses Konnektors aufzuzeigen, die in rein intralingualen Studien nicht so einfach zu erkennen sind, und dadurch einen besseren und systematischeren Einblick in die angewandten Übersetzungsstrategien gibt. Als zweites Einsatzbeispiel wird eine explorative Untersuchung zur Elaborierung von Ereignisbeschreibungen vorgestellt, die deutsche, norwegische, englische und französische Entsprechungen von „mit“-Konstruktionen (sog. „Sätzchen“) als Ausgangspunkt nimmt. Beide Studien illustrieren, dass ein Parallelkorpus auch ohne komplexe Annotierungen nicht nur für wort-basierte quantitative Untersuchungen verwertet werden, sondern auch im Zuge weniger zielgerichteter, eher qualitativ angelegter Studien als „Augenöffner“ für komplexe linguistische Phänomene dienen kann.