Sprache im 20. Jahrhundert. Gegenwartssprache
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Analyse des Sprachverhaltens im Redekonstellationstyp "Interview" : eine empirische Untersuchung
(1975)
Die diesjährige Arbeitstagung, die zum vierten Mal vom Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim veranstaltet wurde, hatte sich das Ziel gesetzt, eine Standortbestimmung der Gesprächsforschung vorzunehmen und Gelegenheit zur Reflektion ihrer "Aufgaben, Desiderate und Perspektiven" (so der Untertitel des Tagungsthemas "Gesprächsforschung") zu bieten. Bei den vielfältigen Forschungsinteressen am sprachlich-kommunikativen Handeln, bei den neuen technischen Möglichkeiten der Videoaufzeichnung und der computergestützten Verfügbarmachung von Gesprächsdaten und auch vor dem Hintergrund des Generationenwechsels, der sich derzeit in der Gesprächsforschung vollzieht, war das ein passendes wie auch dringlich erscheinendes Tagungsthema. Dies wurde durch die bisher höchste Teilnehmerzahl (120), einen relativ hohen Anteil von Gästen aus dem Ausland und durch eine größere Zahl jüngerer Teilnehmer und Vortragender bestätigt. Wie sich an der Liste der Referenten der 13. Arbeitstagung darüber hinaus zeigt, hat sich die in ihren Anfängen als Gelegenheit zur Diskussion von Forschungsproblemen und zur gemeinsamen Analyse von Daten gestaltete Arbeitstagung inzwischen zu dem zentralen Forum der Gesprächsforschungs-Community in Deutschland entwickelt.
Die Relevanz der Gesprächsforschung steht außer Frage: Gespräche sind grundlegend für jede Form menschlicher Gemeinschaft und Gesellschaft. Ob in Unternehmen, im Schulunterricht oder in der Politik, ob im privaten Liebesgeflüster, in der Talk-Show oder im Internet-Chat: Unablässig erzeugen, verändern und repräsentieren wir unsere Welt in Gesprächen. Gesellschaft, Kultur und Geschichte wären undenkbar ohne verbale Interaktion. So ubiquitär Gespräche sind, so unendlich vieles ist involviert, wenn Gespräche geführt und verstanden werden sollen. Sicher, zuallererst Sprache, doch noch vieles mehr: Stimme, Blicke, Gesten, Gefühle und Hintergedanken, soziale Voraussetzungen und Folgen, physische Prozesse und historische Situationen. Dies sind natürlich, recht verstanden, nicht verschiedene "Dinge", die man sorgsam nebeneinander stellen könnte. Diese Mannigfaltigkeit von Perspektiven zeigt an, dass das, was in Gesprächen und durch sie geschieht, nicht auf einen einzigen Zugang, etwa den einer einzigen Disziplin oder Schule zu reduzieren ist.
In Theaterproben entwickeln Beteiligte gemeinsam eine Inszenierung, die zur Aufführung gebracht wird. Ein wesentliches Mittel dazu ist das Vorspielen von Teilen des Stücks und das anschließende Besprechen. Dies geschieht üblicherweise in Rollenteilung: Die Schauspielenden führen Teile des Stücks vor, während die Regie zuschaut und gegebenenfalls interveniert, woran sich Besprechungen anschließen können. Dieser Teil von Theaterproben, in dem abwechselnd vorgespielt und besprochen wird, haben wir Spielprobe genannt (siehe Einleitung zu diesem Themenheft). Eine wesentliche interaktionsorganisatorische Aufgabe von Spielproben besteht für die Beteiligten darin, Schauspielaktivitäten und Besprechungsaktivitäten miteinander zu verzahnen. Dies geschieht durch Transitionspraktiken, die das Spiel entweder unterbrechen oder wieder eröffnen. Der vorliegende Beitrag untersucht Transitionspraktiken in Spielproben als ein konstitutives Moment ihrer interaktiven Organisation. Fokussiert werden Praktiken, die das Spiel unterbrechen, so genannte Interventionen. Nach einer detaillierten Fallanalyse, die eine prototypische Transition vom Spiel ins Besprechen und zurück ins Spiel veranschaulicht (Kap. 4.1/4.2), widmet sich der Rest des Beitrags der Analyse einer Kollektion von Interventionen. Es zeigt sich, dass Interventionen normativen Orientierungen unterliegen und verwendete Praktiken hinsichtlich verschiedener Dimensionen (etwa Ursache/Grund der Intervention) systematisch variieren.