Sprache im 20. Jahrhundert. Gegenwartssprache
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In dem einleitenden Beitrag wird ein Überblick über die Erforschung politischer Sprache von der Nachkriegszeit an gegeben. Im Zusammenhang mit frühen Publikationen wird auf die Diskussion anfänglicher methodischer Desiderata eingegangen, die prägend für die Geschichte der Politolinguistik war. Nach einer Klärung des Gegenstandsbereichs der Politolinguistik wird die Entwicklung dieser Forschungsrichtung dargestellt, die sich als eine Bewegung von der Analyse kleinerer Einheiten (Ideologiewortschatz) hin zu größeren Einheiten (politische Kampagnen/Diskurse) darstellen lässt. Die Reflexion auf das Selbstverständnis der Politolinguistik, möglichst deskriptiv vorzugehen und von der Bewertung der analysierten Gegenstände abzusehen, scheint dabei immer wieder auf.
Der Beitrag verortet die internetbasierten Kommunikationsformen in einem größeren sprach- und varietätengeschichtlichen Rahmen und macht deutlich, dass sich die neuen interaktionsorientierten Schreibformen — chatten, posten, twittern, skypen etc. — in einem Bereich etablieren, in dem bislang überwiegend mündlich kommuniziert wurde. Auf dieser Basis wird gezeigt, dass es bislang keine empirische Evidenz dafür gibt, dass der interaktionsorientierte Schreibstil auf das textorientierte Schreiben „abfärbt“, dass vielmehr kompetente Schreiber und selbst Jugendliche durchaus dazu in der Lage sind, situationsangemessen zwischen verschiedenen Schreibhaltungen und -stilen zu wechseln. Abschließend werden Desiderate für die korpusgestützte Begleitforschung zu diesen Entwicklungen formuliert und die Herausforderungen erläutert, die sich durch das Nebeneinander von interaktions- und textorientiertem Schreiben für die schulische Sprach- und Schreibförderung ergeben.
Üblicherweise wird behauptet und erwartet, dass für den Deutschunterricht die deutsche Standardsprache zumindest als Zielsprache, wenn nicht gar als Unterrichtssprache gilt. Die Forschungen der germanistischen Soziolinguistik und Sprachlehrforschung zeigen allerdings, dass keinesfalls Einigkeit darüber besteht, was denn ,die deutsche Standardsprache‘ überhaupt sei, ob, und wenn ja, wie viel Variation sie beinhaltet, und wie mit Normabweichungen seitens der Schüler/innen umzugehen sei.
Unser Beitrag beschäftigt sich mit der Rolle der Deutschlehrenden — sowohl an deutschsprachigen Schulen als auch im Rahmen des DaF-Unterrichts an britischen Hochschulen — um zu erörtern, welche Erwartungen sie an die sprachliche Normenkonformität ihrer Schüler/innen haben und welche praktischen Probleme ihnen hierbei begegnen. Unterstützt durch historische Belege aus dem Schulalltag im 19. Jahrhundert, diskutieren wir Kontinuitäten und Innovationen in der Selbsteinschätzung von Deutsch- und DaF-Lehrer/innen zu ihrer Rolle als Sprachnormvermittler/ innen und stellen die Frage, wie groß ihre Rolle tatsächlich ist.
Mediatization and Mediality in Social Media: the Discourse System Twitter
The article contributes to the debate about mediatization and the use of language in social media. The theoretical approach evolves from the intersection of linguistics, media and communication studies. While the concept of mediatization describes relations between medial and sociocultural change and the ubiquity of media in everyday life, the concept of mediality sheds light on the inseparability of media and language. From this interdisciplinary perspective, specific practices of media and language use within the microblogging service Twitter were analyzed. Examples from different case studies reveal certain user practices that can be described as formed by ‘moulding forces’ of the medium Twitter without considering technology as determining or symptomatic. Our analysis shows that the use of specific semiotic and functional operators (#, @, RT, http://) establish user practices of creating personal and semantic references and thus constitute Twitter as a multi-referential discourse system.
Das Projekt „Schreiben zwischen Sprachen und Kulturen“ (LiLac) zielt auf die interdisziplinäre Analyse der Möglichkeiten und Schwierigkeiten sprachlicher Teilhabe an der Kommunikation mit Behörden. Wir zeigen u.a., wie sozial vergleichbare Gruppen — deutsch Erstsprachige und Mehrsprachige mit türkischen Einwanderungshintergrund — die Logik der Behördenkommunikation, insbesondere die Dimension expliziter Schriftlichkeit, wahrnehmen und wie sie ihre Erfahrungen mit Behördenkommunikation in narrativen Interviews artikulieren. Die Untersuchung gab den Interviewten die Möglichkeit, ihre persönliche Erfahrung bis hin zur Bedrohung der eigenen Position und Identität durch Erzählen und Verständigung im Gespräch relevant für Andere werden zu lassen. Diese Artikulation eigener Erfahrung mit einer von ihrer Alltagslogik und ihrer Normalitätskonstruktion abweichenden Kommunikationsform in einem Gesprächstyp, der durch soziale Distanz gekennzeichnet ist, unterziehen wir im vorliegenden Beitrag einer sprachwissenschaftlichen Analyse. Dabei führen wir vor, wie Einwanderer aus zwei Generationen, die Deutsch in unterschiedlichem Ausmaß beherrschen, ihre jeweiligen sprachlichen und diskursiven Ressourcen nutzen, um Erfahrung über Distanz hinweg zu teilen.
Die Aufbauprinzipien europäischer Possessionssysteme basieren viel öfter als gemeinhin angenommen auf gespaltener Possession. Dieses im Deutschen nicht prominente Phänomen wird anhand von Daten aus ausgewählten Beispielsprachen als in Europa durchaus etablierte Erscheinung vorgestellt. Die mit ihm verbundenen semantischen und morphosyntaktischen Aspekte werden anhand von qualitativen Korpusdaten diskutiert. Die Restriktionen, denen sie unterliegen, sind ebenfalls Gegenstand der Diskussion. In den Schlussfolgerungen wird dafür plädiert, künftig der Possession bei vergleichenden Studien zu europäischen Sprachen mehr Beachtung zu schenken.
Am Beispiel des an der Universität Oslo entwickelten Oslo Multilingual Corpus (OMC) wird illustriert, wie ein Parallelkorpus aus Originaltexten und deren Übersetzungen zur sprachvergleichenden Erforschung von Phänomenen der Satzverbindung und der Informationsverteilung auf Satz- und Textebene eingesetzt werden kann. Nach einer Skizze der OMC-Architektur wird eine Untersuchung von Satzverknüpfungen mit dem komitativen Konnektor „wobei“ und deren Entsprechungen in norwegischen Übersetzungen und Originaltexten vorgestellt, die dazu beiträgt, Bedeutungsfacetten dieses Konnektors aufzuzeigen, die in rein intralingualen Studien nicht so einfach zu erkennen sind, und dadurch einen besseren und systematischeren Einblick in die angewandten Übersetzungsstrategien gibt. Als zweites Einsatzbeispiel wird eine explorative Untersuchung zur Elaborierung von Ereignisbeschreibungen vorgestellt, die deutsche, norwegische, englische und französische Entsprechungen von „mit“-Konstruktionen (sog. „Sätzchen“) als Ausgangspunkt nimmt. Beide Studien illustrieren, dass ein Parallelkorpus auch ohne komplexe Annotierungen nicht nur für wort-basierte quantitative Untersuchungen verwertet werden, sondern auch im Zuge weniger zielgerichteter, eher qualitativ angelegter Studien als „Augenöffner“ für komplexe linguistische Phänomene dienen kann.
Anhand einer Auswahl historischer Reden je dreier prominenter Deutscher und Polen wird eine signalphonetisch gestützte sprachvergleichende Analyse der glottalen Markierung vokalinitialer Wörter durchgeführt.
Generell erweist sich die glottale Markierung als variabel entlang eines Kontinuums zwischen einem echten glottalen Verschlusslaut (harter Stimmeinsatz) des Initialvokals über zeitlich nicht exakt koordinierte Glottalisierungen (Knarrstimme) und leichte Reflexe im Grundfrequenzverlauf bis hin zum völligen Fehlen einer Markierung.
Insgesamt zeigen sich im Polnischen gegenüber dem Deutschen seltener glottale Markierungen sowie eine sprachübergreifende schwache Abhängigkeit der Markierungshäufigkeit vom Sprechtempo (weniger bei Sprechtempoerhöhung).
Die Auftretenshäufigkeit glottaler Markierung wird sprachabhängig zudem durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst: Für das Deutsche zeigen sich signifikante Einflüsse sowohl des Worttyps (Inhaltswörter mit häufigerer Markierung gegenüber Funktionswörtern) als auch der Betonung (betonte Silben mit häufigerer Markierung gegenüber unbetonten), während im Polnischen hier kein Einfluss sichtbar ist. Dafür zeigt das Polnische gegenüber dem Deutschen einen signifikanten Einfluss der Position innerhalb der Phrase (häufigere glottale Markierung in phraseninitialen im Gegensatz zu phrasenmedialen Wörtern). Diese sprachspezifischen Unterschiede können mit den prosodischen Charakteristika beider Sprachen Zusammenhängen. Im Unterschied zum Deutschen mit einem freien Wortakzent fällt dieser im Polnischen auf die Penultima, ist somit vorhersagbar und bedarf demzufolge keiner zusätzlichen glottalen Markierung im Sprachsignal.
Beide Sprachen hingegen zeigen übereinstimmend einen klar ausgeprägten Effekt der Vokalhöhe auf das Auftreten der glottalen Markierung (tiefe Vokale > mittlere Vokale > hohe Vokale).
Sprachgeschichte - Zeitgeschichte - Umbruchgeschichte. Sprache im 20. Jahrhundert und ihre Forschung
(2008)
Als Umbruchgeschichte verstandene Sprachgeschichtsschreibung ist weder theoretisch noch empirisch ein entwickelter Untersuchungsbereich, zumal fehlen Kategorien, die Sprachumbruch und Sprachwandel voneinander abgrenzen und zueinander in Beziehung setzen. Der Beitrag wirbt für ‚Umbruch’ als eine Perspektive der Sprach(gebrauchs)geschichte des 20. Jahrhunderts. Sprachliche Umbruchgeschichte, deren Erkenntnisziel auf die initialen Momente sprachlicher Veränderung gerichtet ist, steht in der Tradition der kulturwissenschaftlichen Linguistik. Sie stellt die Frage nach den sprachlichen Auswirkungen plötzlicher und umfassender gesellschaftlicher Veränderungen, vice versa: Sie bindet diese Veränderungen an sprachliche Verschiebungen. Damit ist sie eingelassen in handlungs- und kommunikationstheoretische Paradigmen der pragmatischen Sprachgeschichte. Im Zentrum des hier vorzustellenden Forschungskonzepts einer sprachlichen Umbruchgeschichte steht methodisch der diskursanalytische Ansatz, der nicht nur erklären kann, wie die gesellschaftliche Verfasstheit und sprachliche Verschiebungen Zusammenhängen, sondern auch, wann sich solche Verschiebungen diskursiv manifestieren diese Frage ist essentiell im umbruchgeschichtlichen Kontext. Dieser Ansatz wird im Sinn von analytischen Leitideen ausbuchstabiert. Den Schluss bildet die tentative Verdichtung der Überlegungen zu einem Modell eines sprachlichen Umbruchs.
Vorwort
(2008)
Vorwort
(2004)
Vorwort der Herausgeberin
(2002)
"Übergesetzliches Recht". Reflexionen nationalsozialistischen Unrechts in der frühen Nachkriegszeit
(2002)
Urteilsbegründungen sind zeit- und damit sprachgeschichtliche Dokumente. Sie sind Psychogramme der Gesellschaft eines Staates. In der ersten Nachkriegsdekade reflektieren sie die zwei Seinsformen des deutschen Gemeinwesens bis und ab 1949. Der Beitrag rekonstruiert vor diesem Hintergrund richterliche Selbstprofile, welche die Rechtsprechung der ersten Nachkriegsdekade bestimmen, um anschließend an drei Beispielen der Frage nachzugehen, wie es möglich ist, dass ein Richter im Rahmen einer konzisen Argumentation dasselbe Argument abweist, das ein anderer Richter, ebenso konzis argumentierend, akzeptiert. Die Theoretische Grundlegung dieser Untersuchung besteht – ihrem Erkenntnisinteresse und vor allem der Beschaffenheit der untersuchten Textsorte ,Gerichtsurteil‘ folgend – aus einem Ensemble argumentations- und konzeptanalytischer Aspekte: Urteilsbegründungen sind ihrem Zweck nach argumentierende Texte, die im Argumentieren Schuldkonzepte realisieren. Überlegungen hierzu sind der Untersuchung vorangestellt.
Alltagsgespräche
(2001)
Vorwort
(2001)
Der Beitrag will mit einem lexikologisch-lexikografischen Projekt des IDS bekannt machen, in dem seit 1997 Neulexeme und Neubedeutungen der Neunzigerjahre erforscht werden, soweit sie sich im allgemeinsprachlichen Teil des Wortschatzes der deutschen Standardsprache etabliert haben. Das Ziel des Projektes ist die lexikografische Beschreibung und Dokumentation von rund 1000 ausgewählten Neologismen. Dieses Unternehmen ist zugleich Pilotprojekt für die Präsentation lexikografischer Informationen als elektronische Datenbank im Rahmen des im Aufbau befindlichen lexikalisch-lexikologischen, korpusbasierten Informationssystems LEKSIS des IDS. Erste Arbeitserfahrungen mit diesem System werden anhand des Beispiels Shareholdervalue mitgeteilt.
Bislang bezeichnet der Ausdruck „Hypertext“ eher verschiedene Visionen von künftigen Schreib- und Lesetechnologien als ein klares Konzept. In diesem Aufsatz wird der Versuch unternommen, die mit Hypertext verbundenen innovativen Ideen aus textwissenschaftlicher Perspektive zu beschreiben und zu bewerten und damit zur Präzisierung des Hypertext-Konzepts beizutragen. In Abschnitt 2 werden zunächst die verschiedenen Bestimmungen des Verhältnisses von Text und Hypertext, die in der Literatur zu finden sind, erläutert und systematisiert. Auf dieser Basis werden in Abschnitt 3 begriffliche Differenzierung eingeführt, die es ermöglichen, Hypertexte als textuelle Gebilde mit ganz spezifischen Eigenschaften an einen pragmatisch und funktional fundierten Textbegriff anzubinden und damit textlinguistische Erkenntnisse und Kategorien für die interdisziplinär zu entwickelnde Hypertext-Rhetorik nutzbar zu machen. Abschnitt 4 setzt sich mit der sog. „Nicht- Linearität“ von Hypertexten auseinander. Ausgehend von Überlegungen zum Stellenwert der Sequenzierung von Teiltexten für die Erreichung kommunikativer Handlungsziele, führe ich eine terminologische Unterscheidung zwischen medialer und konzeptueller Linearität ein, die dem Merkmal „nicht-linear“ größere begriffliche Schärfe verleiht und es ermöglicht, Vorteile und Einsatzmöglichkeiten des Mediums „Hypertext“ im Vergleich zum Medium „Buch“ präzise zu fassen.
Mailinglisten und Newsgroups sind durch Verzicht auf Multimedialität „asketische“ Internet-Dienste; dennoch werden sie von Online-Gemeinschaften zunehmend als wichtige interaktive Ressource für Informationsaustausch und Diskussion, auch zu berufsbezogenen Themen, genutzt. Die spezifischen kommunikativen Regeln und Normen sind in dieser Umbruchphase noch nicht selbstverständlich und teils noch strittig; so lassen sich vielfältige metakommunikative Formen der Kommunikationsregulierung beobachten. Das hat für die Nutzer allerdings Chancen und Risiken: Eine Thematisierung divergenter Normkonzepte und Leitvorstellungen kann Mittel zur Beilegung von Normkonflikten sein, aber auch zu gestörten Formen der Beziehungskommunikation („flame wars“) und zur Korrumpierung der ursprünglich von den Beteiligten akzeptierten Themen und Ziele führen. Dieses Risiko wird in face-to-face-Interaktion durch die Kopräsenz der Gesprächspartner, durch ein gegenüber dem „Quoten“ reichhaltigeres Repertoire an Berücksichtigungsformen für Partner-Äußerungen und ein stärker ausgeprägtes Bewusstsein von den situativen Voraussetzungen kontrolliert.
Vorgestellt und diskutiert werden Ergebnisse einer bundesweiten Repräsentativerhebung, mit der im Herbst/Winter 1997 Meinungen und Einstellungen der Deutschen zu ihrer eigenen Sprache erfragt wurden, und zwar zu den fünf Themenbereichen: Entwicklung der deutschen Gegenwartssprache, regionale Varianz des Deutschen, sprachliches Ost-West-Verhältnis, Deutsch und andere Sprachen im Inland, Deutsch im Verhältnis zu anderen Sprachen der Europäischen Union. Neben wenig überraschenden quantitativen Verteilungen von Meinungen etwa in der Bewertung der allgemeinen Sprachentwicklung ergeben sich überraschende Ergebnisse u.a. bei den Einschätzungen der regionalen Varianz des Deutschen und des innerdeutschen sprachlichen Ost-West-Verhältnisses.
Entnazifizierung wird fur die Kommunikationsbereiche Zeitkritik / Parteien / Kirche, Administration / Justiz sowie im Zusammenhang mit Spruchkammerverfahren beschrieben und als Teil einer Text-, Begriffs- und Mentalitatsgeschichte verstanden. Die Geschichte der Entnazifizierung ist im wesentlichen Schuldgeschichte, so da!3 sich deren sprachlicher Ausdruck als Teil der deutschen Sprachgeschichte als Begriffsgeschichte darstellt. Intellektualisierung, Instrumentalisierung, sprachlicher Eskapismus und Auflosung sind Merkmale des Schulddiskurses, zu denken auf einer Zeitachse von 1945 bis etwa 1955. Die Untersuchung zeigt, dass der Schuldbegriff in drei Einzelbedeutungen - festgelegt von Philosophic / Kirche / Parteien, von der Administration und Justiz und von den Tatern - zerlegt bleibt. Der entleerte Schuldbegriff der Tater dominiert die offentliche Wahmehmung, und insofern das Befreiungsgesetz hierfiir die Voraussetzungen schafft, ist dieses als Teil der deutschen Sprachgeschichte zu beschreiben.
Vorwort
(1998)
Der Beitrag ist der jüngsten abgeschlossenen Phase deutscher Zeit- und Sprachgeschichte gewidmet - der Wendezeit 1989/90. Unter Bezugnahme auf ein im IDS kürzlich beendetes Projekt wird anhand von Beispielen demonstriert, dass durch die Untersuchung von sogenannten Schlüsselwörtern im öffentlichen Sprachgebrauch der Wendezeit das Verständnis für das Denken und Handeln der gesellschaftlich wirksamen Kräfte jener Zeit vertieft werden kann, dass Zeitgeschichte gleichsam im Spiegel von Schlüsselwörtern erfahren werden kann. Als Beispiel dienen die Bezeichnung die Wende und eine Gruppe von Bezeichnungen, mit denen eine kritische Einstellung zur Art und Weise der Behandlung der DDR-Bürger durch das alte DDR-System und durch die Bundesrepublik ausgedrückt wird (Bevormundung, Gängelei, Entmündigung u. a.).
Die Kommunikation älterer Menschen (untereinander wie mit jüngeren) ist in der sprachwissenschaftlichen Forschung der Bundesrepublik ein sträflich vernachlässigtes Feld (Abschnitt 1). Zunächst werden drei verschiedene alltagsweltliche Konzepte von Alter vorgestellt (Abschnitt 2). Auf der Grundlage der Analyse authentischer Aufzeichnungen versucht der Beitrag dann, einige der Besonderheiten des Kommunikationsverhaltens älterer Menschen exemplarisch zu veranschaulichen, und er stellt die Frage, ob sich diese Besonderheiten als ein eigenständiger Kommunikationsstil auffassen lassen (Abschnitt 3). In methodologischer Hinsicht charakterisiert der Beitrag drei verschiedene Zugänge zur Erfassung altersspezifischer Phänomene: die Erfassung spezifischer Phänomene in Listenform, die Rekonstruktion der Verfahren zur interaktiven Konstitution und Akzentuierung von Alter und letztlich die Herleitung altersspezifischer Phänomene im Kommunikationsverhalten aus den Veränderungen der sozialen Lebenssituation im Alter (Abschnitt 4). Die beiden letztgenannten Zugänge werden durch empirische Analysen exemplifiziert (Abschnitt 5.2 und 5.3). Zuvor (Abschnitt 5.1) werden noch vier verschiedene typische Konstellationen unterschieden, in denen alte Menschen kommunizieren.
Berichtet wird aus einem Forschungsprojekt des Instituts für deutsche Sprache, Mannheim, das sich zum Ziel gesetzt hat, Sprachwandel in statu nascendi zu beobachten, den Sprecher und die individuellen Veränderungen seines Sprechens und seiner Einstellung zur Sprache nach Ablauf von etwa vier Jahrzehnten in den Blick zu nehmen. Erneut interviewt werden Sprecher deutscher Dialekte oder Umgangssprachen, die in verschiedenen Forschungsprojekten in den 50er und 60er Jahren aufgenommen wurden und von denen eine Tonbandaufnahme im Deutschen Spracharchiv archiviert ist. Im Rahmen einer dem Forschungsprojekt vorgeschalteten inzwischen abgeschlossenen Pilotstudie wurde ein umfängliches methodisches Instrumentarium erprobt, um aussagekräftiges Vergleichsmaterial und Sprachbiographien einiger ausgewählter Sprecher elizitieren zu können. Auf der Basis dieser Studie werden das Projektdesign und die Analysekategorien für die Hauptuntersuchung festgelegt.
Podiumsdiskussion
(1993)