Sprache im 20. Jahrhundert. Gegenwartssprache
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Teilnehmende Beobachtung ist eine Forschungsstrategie, die sich darauf richtet, Interaktionsereignisse in ihren natürlichen Kontexten authentisch zu erfassen. Sie beruht auf den zentralen Annahmen qualitativer Methodologie (Denzin/Lincoln 1994; Flick 1995) und unterscheidet sich deshalb in mehreren Hinsichten von Beobachtungsverfahren in den empirischen Sozialwissenschaften: Statt externer Kategorisierung geschieht Verstehen aus der Teilhabe an der untersuchten Kultur; statt Hypothesen vorab zu entwickeln und anschließend empirisch zu testen, werden Forschungsfragen in derAuseinandersetzung mit dem Forschungsfeld entwickelt (Offenheitsprinzip); statt Variablenisolation und Bedingungsvariation als Prinzipien der Erkenntnisbildung geht es um die Rekonstruktion der Eigenstrukturiertheit kommunikativer Ereignisse; statt naturwissenschaftlicher Beobachtung und strikter Trennung von Subjekt und Objekt liegt teilnehmender Beobachtung ein Verständnis von Forschung als Kommunikation zugrunde.
Deontische Infinitivkonstruktionen : Syntax, Semantik, Pragmatik und interaktionale Verwendung
(2006)
Das Interview ist nach wie vor das beliebteste sozialwissenschaftliche Verfahren des Datengewinns. Ökonomie der Erhebung, Vergleichbarkeit und die Möglichkeit, Einsicht in Praxisbereiche und historisch-biografische Dimensionen zu erhalten, die der direkten Beobachtung kaum zugänglich sind, machen seine Attraktivität aus. Zugleich mehren sich Kritiken, die seine Leistungsfähigkeit problematisieren, indem sie auf die begrenzte Reichweite der Explikationsfähigkeiten der Befragten, die Reaktivität der Erhebung oder die Differenz zwischen Handeln und dem Bericht über Handeln verweisen. Im Beitrag wird zwischen Ansätzen, die das Interview als Text, und solchen, die es als Interaktion verstehen, unterschieden. Nach dem Text-Verständnis werden Interviews unter inhaltlichen Gesichtspunkten analysiert und als Zugang zu einer vorgängigen sozialen oder psychischen Wirklichkeit angesehen. Das Interaktions-Verständnis versteht Interviews dagegen als situierte Praxis, in welcher im Hier und Jetzt von InterviewerInnen und Befragten gemeinsam soziale Sinnstrukturen hergestellt werden. Anhand ubiquitärer Phänomene der Interviewinteraktion – Fragen, Antworten und die Selbstpositionierung von InterviewerInnen und Befragten – werden Praktiken des interaktiv-performativen Handelns im Interview dargestellt. Ihre Relevanz für die Interviewkonstitution und ihre Erkenntnispotenziale für die Interviewauswertung werden aufgezeigt. Es wird dafür plädiert, die interaktive Konstitutionsweise von Interviews empirisch zu erforschen und methodisch konsequent zu berücksichtigen.
The paper studies how the German connectives "also" and "dann" are used as displays of understanding in talk-in-interaction. It is shown that the use of also at turn-beginnings in pre-front-field position is a routine practice to explicate implicit meanings of the prior turn of the partner, which is presented for confirmation. Also thus indexes that explicated meanings are taken to be intersubjective, i.e. part of the interlocutors’ common ground. Turn-initial dann(in front-field position), in contrast, is routinely used to (a) index the formulation of a unilateral inference from the partner’s prior turn which is not claimed to have already been communicated by the partner, and is (b) used to preface different kinds of next actions which are framed as being a consequence from the preceding action of the partner. Drawing on data from four genres of talkin- interaction (conversation, psychotherapy, doctor-patient interaction, broadcasted talk shows), the paper discusses how functions of also and dann are related to their positions concerning turn-construction and topological fields, prosodic design, collocations, sequential structures and participation frameworks of the interaction.
Der vorliegende Aufsatz untersucht, wie Negationen in Gesprächen verwendet werden können, um Interpretationen des Sprecherhandelns durch den Partner zu beeinflussen und zu steuern. Zunächst werden die dafür benötigten theoretischen und methodischen Werkzeuge vorgestellt: die interaktionsanalytischen Konzepte des Adressatenzuschnitts und des common ground (CG), Grundzüge der Syntax und Semantik der Negation sowie ihre Funktionsweise als Verfahren zur Abwahl von Annahmen erster, zweiter und dritter Ordnung. Im empirischen Teil wird im Einzelnen gezeigt, wie Negationen genutzt werden, um im Gesprächsverlauf prospektiv und retrospektiv die Deutung von Sprecherhandlungen durch den Adressaten zu beschränken. Die interaktionalen Motivationen und die rhetorischen Potenziale des Einsatzes von Negationen zur Interpretationsrestriktion werden aufgezeigt. Die Analyse demonstriert die Notwendigkeit einer differenzierenden Sicht auf das Konzept des Adressatenzuschnitts.
Der vorliegende Beitrag soll nun diese Diskussion um Sinn, Unsinn und Definition der Kategorie "Satz" als Grundeinheit der gesprochenen Sprache nicht fortsetzen. Ich will vielmehr kurz darlegen, in welcher Weise ein traditioneller Satzbegriff m.E. für die Analyse gesprochener Sprache relevant ist, und wie er sich zu gesprächsanalytischen Kategorien wie "Turn" und "Turnkonstruktionseinheit" verhält. Dies geschieht aber nur als Voraussetzung, um sodann die traditionelle Fragerichtung umzukehren: Anstatt zu fragen, warum in Gesprächen oft nicht-sentenzielle Strukturen vorkommen, gehe ich vom Befund aus, dass ein großer Teil von Turns aus nicht-sentenziellen Strukturen besteht und frage umgekehrt, wieso in Gesprächen überhaupt Sätze (im Sinne der eingangs gegebenen klassischen Definition) verwendet werden. Den Schlüssel zur Antwort suche ich dabei in der temporalen Struktur der Äußerungsproduktion und der Position, die Sätze in Bezug auf diese einnehmen.