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Deutsch in Sprachkontakten
(2021)
Das vorliegende Heft vereint Beiträge zu Kontakten des Deutschen mit verschiedenen Sprachen nördlich, östlich und südlich des deutschsprachigen Kerngebietes. Sprachkontakt wird dabei aus unterschiedlichsten Perspektiven erfasst; die Aufsätze behandeln einzelne strukturelle Sprachebenen ebenso wie pragmalinguistische, historische, soziolinguistische und translatologische Themen. Die Ausgabe vereint damit Untersuchungen zu Sprachkontakten in der Vergangenheit (Saagpakk/Saar, Plaušinaitytė), zum Gebrauch in spezifischen Textsorten (Mencigar, Földes), bis hin zu Sprachgebrauchsphänomenen im Kontext von Covid-19 (Geyer). Andere Beiträge fokussieren auf die Entwicklung sprachlicher Kompetenzen in Abhängigkeit von Kontakteinflüssen (Tibaut, Ščukanec/Durbek) oder dem Einfluss der Medien (Mack/Vollstädt/Vujović) oder diskutieren das Zusammenwirken von Sprachpolitik und Sprachgebrauch (Marten). Das Heft schließt mit mehreren Rezensionen und Projektberichten ab; insgesamt wird damit ein wesentlicher Ausschnitt aus der Bandbreite der germanistischen Sprachkontaktforschung in der Region von Estland bis Montenegro aufgezeigt.
Our paper discusses family language policies among multilingual families in Latvia with Russian as home language. The presentation is based on three case studies, i.e. interviews conducted with Russophones who have chosen to send their children to Latvian-medium pre-schools and schools. The main aim is to understand practices and regards among such families “from below,” i.e. which family-internal and family-external factors influenced the choice of Latvian-medium education and what impact this choice has on linguistic practices.
The paper shows that there have been critical events which both encouraged and discouraged the choice of Latvian-medium education. The wish to integrate into mainstream society has been met by obstacles both from ethnic Russians and Latvians. Yet, the three families consider their choices to be the right ones for the future development of their children in a multiethnic Latvia in which Latvian serves as the unifying language of society.
Die Entstehung und Geschichte der einzigen deutschlexifizierten Kreolsprache Unserdeutsch (Rabaul Creole German) war bis heute weitgehend unbeschrieben, obwohl die Zeit drängt: Die koloniale High-contact-Varietät, entstanden zu Beginn des 20. Jahrhunderts an einer katholischen Missionsstation im damaligen Schutzgebiet Deutsch-Neuguinea im melanesischen Pazifik, ist inzwischen kritisch gefährdet mit weniger als 100 noch lebenden SprecherInnen fortgeschrittenen Alters. Mit dieser Arbeit wird nun eine detaillierte Rekonstruktion zu den Anfängen und der weiteren Entwicklung von Unserdeutsch bis in die Gegenwart vorgelegt, basierend auf Archivdaten, Interviews und Strukturanalysen. Dabei wird unter anderem die Rolle von im Sprachsystem nachweisbarem Transfer aus den zentralen Kontaktsprachen von Unserdeutsch sowie von L2-Effekten und autochthonen Innovationen untersucht, außerdem die deutsche Superstratvarietät von Unserdeutsch genau bestimmt und der Spracherwerb der ersten Sprechergeneration nachgezeichnet. Die Arbeit verortet die aus kreolistischer Perspektive in mehrfacher Hinsicht besonderen Entstehungsumstände von Unserdeutsch – darunter etwa ihre Genese unter Kindern – in einschlägigen Fachdiskursen.
Oralität ist gegenüber Literalität historisch primär, und der Übergang hin zur Literalität ist sprach- wie kulturwissenschaftlich einschneidend. Unserdeutsch (Rabaul Creole German), eine erst knapp über 100 Jahre junge, originär ausschließlich mündlich verwendete Kreolsprache, befindet sich gegenwärtig an der Schwelle hin zur Verschriftung. Eine Sammlung von rund 180 spontan schriftlich produzierten Äußerungen dieser noch auf allen Ebenen unnormierten Sprache zeigt von den Unserdeutsch-SchreiberInnen intuitiv zugrunde gelegte Graphem-Phonem-Korrespondenzen. Die Schriftbelege lassen dabei Rückschlüsse zu auf graphematische Kontakteinflüsse sowie auf die mentale Repräsentation von Wörtern bei den SprecherInnen. Diese Erkenntnisse sind, neben ihrer sprachtheoretischen Relevanz, vor allem auch für die noch ausstehende Erarbeitung einer Orthographie von Unserdeutsch von Bedeutung.
Communicative deviations of respondents in political video interviews in Ukrainian and German
(2021)
The research has the objective to establish the peculiarities of communicative deviations as a cognitive and at the same time discursive phenomenon in Ukrainian- and German-language video interviews from the viewpoint of respondents. The procedure of the research involves the integrated application of methods and techniques of pragmatics, deviatology and communicative linguistics. A new methodological basis has been developed for the reconstruction of communicative deviations using discourse analysis, namely for the reconstruction of a single event in two discursive environments, determining the communicative context and communication of interview in compared languages. The results of the research allow us to identify the features of communicative deviations in political interviews at the external, internal structural levels and at the situational level. The conclusions of the research indicate that the types of communicative deviations in political video interviews are universal in Ukrainian and German, but reflect national and cultural specifics given the peculiarities of both languages and each linguoculture, as well as existing realias, norms, conventions, maxims and rules of communication.
Das Ziel des Beitrags ist es, die Merkmale von Kommunikationsstörungen in Star-Interviews aus Sicht der Befragten, also der Interviewten festzustellen und zu analysieren. Die empirische Forschungsbasis besteht aus ukrainisch- und deutschsprachigen Videointerviews aus den Jahren 2010 bis 2019, die entweder im Fernsehen gesendet oder für YouTube produziert wurden. Das Forschungsverfahren beinhaltet die integrierte Anwendung von Methoden und Techniken der kommunikativen Linguistik, insbesondere der Diskurs-Analyse. Für die Untersuchung dieser Kommunikationsstörungen wurde eine neue methodische Grundlage entwickelt, und zwar für die Rekonstruktion eines einzelnen Ereignisses in zwei diskursiven Umgebungen, das Feststellen des kommunikativen Kontextes und der Kommunikationssituation in Interviews in vergleichbaren Sprachen. Die Ergebnisse der Studie ermöglichten es, die charakteristischen Merkmale von Kommunikationsstörungen in Star-Interviews auf drei Ebenen der kommunikativen Gattung zu identifizieren: auf der außenstrukturellen, binnenstrukturellen und situativen Ebene. Sowohl gemeinsame Merkmale von Kommunikationsstörungen als auch Unterschiede in den ukrainischen und deutschsprachigen Interviews wurden bestimmt. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Arten von Kommunikationsstörungen in Interviews mit Prominenten im Ukrainischen und Deutschen universell sind, sie spiegeln jedoch die nationalen und kulturellen Besonderheiten angesichts der Merkmale beider Sprachen und jeder Sprachkultur und ihrer Realitäten, Normen, Konventionen und Maximen der Kommunikation wider. In beiden Sprachen sind kommunikative Störungen ein typischer und oft unvermeidbarer Bestandteil von Interviews.
The prohibitive is typically defined as the negative imperative, i.e. it “implies making someone not do something, having the effect of forbidding, preventing, or restricting” (Aikhenvald, 2017: 3). This chapter focuses on the formation of the prohibitive in the languages of Daghestan and neighboring regions, analyzing two different aspects of the morphological coding: first, the verb form (especially whether it is an imperative form or not), and second, the type of negation marker/affix used. Based on this, the general encoding types are deduced. Additionally, the phonological form of the markers is shortly analyzed.
Verbs may be attributed to higher agency than other grammatical categories. In Study 1, we confirmed this hypothesis with archival datasets comprising verbs (N = 950) and adjectives (N = 2115). We then investigated whether verbs (vs. adjectives) increase message effectiveness. In three experiments presenting potential NGOs (Studies 2 and 3) or corporate campaigns (Study 4) in verb or adjective form, we demonstrate the hypothesized relationship. Across studies, (overall N = 721) grammatical agency consistently increased message effectiveness. Semantic agency varied across contexts by either increasing (Study 2), not affecting (Study 3), or decreasing (Study 4) the effectiveness of the message. Overall, experiments provide insights in to the meta-semantic effects of verbs – demonstrating how grammar may influence communication outcomes.
Ist die Germanistik – oder besser: befinden sich die Deutschstudien insgesamt in den nordischen und baltischen Ländern ‚auf dem absteigenden Ast‘? Was die an vielen Orten der Region seit längerem rückläufige Zahl der Studierenden und die Anzahl der Deutschinstitute und -abteilungen an den Hochschulenbetrifft, kann dem in weiten Teilen kaum widersprochen werden. Aber gilt dies auch für die Qualität der Ausbildung und das sprachliche Niveau der Studienanfänger/innen? Und sägen die Deutschstudien in der Region durch zu wenig ansprechende Studienangebote nicht vielleicht selbst an dem Ast, auf dem sie sitzen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Projekt UniStart Deutsch@NBL, das in diesem Beitrag vorgestellt wird.
Der Beitrag stellt zunächst einige allgemeine Überlegungen zu Kategorisierungen von Sprachen an. Dann werden die Sprachenvielfalt im Baltikum und Statistiken von Deutschsprechern vorgestellt, bevor verschiedene Studien zum Deutschen im Baltikum erläutert werden. Auf dieser Grundlage erfolgt eine Einordnung des Baltikums in Modelle der internationalen Stellung des Deutschen, mit deren Hilfe das Konzept Ergänzungssprache begründet wird. Schließlich werden einige Überlegungen dazu angestellt, welcher Nutzwert durch diese Konzeptualisierung entsteht.