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Dependenzstruktur
(2014)
In diesem Beitrag wird an einigen Beispielen aus der nominalen Morphologie bzw. der Morphosyntax der deutschen Substantivgruppe gezeigt, wie sich in den Veränderungen in diesem Bereich, die sich über das 20. Jahrhundert hin beobachten lassen, Fragen eines langfristigen Systemwandels mit Regularitäten des Sprachgebrauchs überlagern. Im Mittelpunkt soll die Frage der Markierung der Kasus – insbesondere in den allgemein als „kritisch“ angesehenen Fällen von Genitiv und Dativ – stehen. Wenn man die Daten dazu betrachtet, sieht man, dass in den meisten Fällen schon zum Anfang des 20. Jahrhunderts eine weitgehende Anpassung an die Regularitäten der Monoflexion erfolgt war, auch, dass dieser Prozess über das Jahrhundert hin fortschreitet. Bemerkenswert ist, dass insgesamt die als „alt“ angesehenen Fälle in den untersuchten Korpora geschriebener Sprache (sehr) selten auftauchen, dass aber in zunehmendem Ausmaß die daraus folgende Markiertheit in der einen oder anderen Weise funktional genutzt wird. Einen Fall eigener Art stellt in diesem Zusammenhang der Genitiv dar, der sich bei den starken Maskulina und Neutra bekanntlich dem Trend zur „Einmalmarkierung“ der Kasus an den flektierten, das Substantiv begleitenden Elementen widersetzt. Das führt zu der bekannten Orientierung dieser Formen auf die Nicht-Objekt-Verwendungen und auch zu einem auffälligen Maß an Variation in der Nutzung der entsprechenden Flexionsformen.
Die Normierung der deutschen Standardaussprache geht in ihren Ursprüngen auf die 1898 durch die Siebs-Kommission beschlossenen Regelungen für die deutsche Bühnenaussprache zurück. Seit 1964 bildet der Nachrichtensprecher bei der Ausübung seines Berufs die Grundlage für die gegenwärtigen deutschen Aussprachekodizes. Diese eingeschränkte empirische Basis zusammen mit einem primär präskriptiven Anspruch der Kodifikatoren führt dazu, dass auch das aktuellste Aussprachewörterbuch des Deutschen (DAW) in vielen Fällen den tatsächlichen Standardsprachgebrauch in Deutschland nur unzureichend repräsentiert. Dies wird im vorliegenden Beitrag durch den Vergleich mit Sprachdaten aus dem Korpus „Deutsch heute“, das Lese- und Spontansprache v.a. von Oberstufenschülern am Gymnasium aus dem ganzen deutschen Sprachraum enthält, anhand von acht unterschiedlichen sprachlichen Phänomenen gezeigt. Der Beitrag schließt mit einem Plädoyer für realitätsnähere Kodifikationen, die sich am Sprachgebrauch der „educated speaker“ orientieren (wie es v.a. im englischsprachigen Raum der Fall ist), weil sie der aktuellen Sprachsituation im Deutschen weit besser Rechnung tragen als die derzeit existierenden Kodizes.
Betrachtet man "Verfallserscheinungen" des Verbalsystems wie Übergänge stark > schwach, so zeigt sich, dass hier weder Rezenz noch Verfall zu konstatieren ist. Mit diachroner und analytischer Tiefe offenbart sich ein gestaffelter, systematischer Komplexitätsabbau, der seine Hochphase im Frühneuhochdeutschen hat und sich schlecht mit der Passivität und Chaos implizierenden Verfallsmetapher verträgt: Reorganisation statt Dekadenz. Entwicklungen wie der präteritale Numerusausgleich ('ich sang' – 'wir sungen' > 'ich sang' – 'wir sangen') oder die Herausbildung der vereinfachten Ablautalternanz X–o–o sind nie nur Komplexitätsreduktion, sondern immer auch Systematisierung; sie bremsen Verfall. Dabei ist der Gewinn an Systematik i.d.R. nicht Normautoritäten geschuldet, sondern ihm liegen sprachsystematische, kognitive und frequenzielle Faktoren zugrunde.
Üblicherweise wird behauptet und erwartet, dass für den Deutschunterricht die deutsche Standardsprache zumindest als Zielsprache, wenn nicht gar als Unterrichtssprache gilt. Die Forschungen der germanistischen Soziolinguistik und Sprachlehrforschung zeigen allerdings, dass keinesfalls Einigkeit darüber besteht, was denn ,die deutsche Standardsprache‘ überhaupt sei, ob, und wenn ja, wie viel Variation sie beinhaltet, und wie mit Normabweichungen seitens der Schüler/innen umzugehen sei.
Unser Beitrag beschäftigt sich mit der Rolle der Deutschlehrenden — sowohl an deutschsprachigen Schulen als auch im Rahmen des DaF-Unterrichts an britischen Hochschulen — um zu erörtern, welche Erwartungen sie an die sprachliche Normenkonformität ihrer Schüler/innen haben und welche praktischen Probleme ihnen hierbei begegnen. Unterstützt durch historische Belege aus dem Schulalltag im 19. Jahrhundert, diskutieren wir Kontinuitäten und Innovationen in der Selbsteinschätzung von Deutsch- und DaF-Lehrer/innen zu ihrer Rolle als Sprachnormvermittler/ innen und stellen die Frage, wie groß ihre Rolle tatsächlich ist.
Ebenen der Verknüpfung
(2014)
Einleitende Bemerkungen
(2014)