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Der vorliegende Beitrag beschreibt auf der Basis authentischer Alltagsinteraktionen das Formen- und Funktionsspektrum der äußerungsmodalisierenden Kommen-tarphrase ohne Scheiß im gesprochenen Deutsch. Die Konstruktion wird von Inter-agierenden insbesondere als Ressource zur Steigerung des Geltungsanspruchs einer Bezugsäußerung genutzt, wodurch diese als wahr und/oder ernstgemeint modali-siert wird. Damit leistet ohne Scheiß einen wichtigen Beitrag zur Bearbeitung des Erwartungsmanagements durch den/die SprecherIn sowie zur Herstellung von In-tersubjektivität. Die Konstruktion ist syntaktisch variabel und kann somit Äußerun-gen sowohl prospektiv als auch retraktiv modalisieren. Zudem wird mit der Wahl des Lexem Scheiß ein nähesprachliches Register aktiviert, was in Verbindung mit weiteren (prosodischen und/oder lexikalischen) Elementen zu affektiver Aufladung führen kann. Eine abschließende Darstellung häufiger lexikalischer Kookkurrenz-partner und deren funktionaler Bedeutung sowie ein Abgleich zu intrakonstruktio-nalen Varianten wie ohne Witz/ohne Spaß zeigt die Produktivität der Konstruktion im alltäglichen Sprachgebrauch auf.
Pädiatrische Gespräche unterscheiden sich gegenüber anderen ärztlichen Gesprächen mit Patienten hinsichtlich der Gesprächsaufgaben und der Beteiligungskonstellationen. In einer triadischen Konstellation mit Arzt, Patient und Eltern(teil) müssen unterschiedliche Kenntnisse und Zuständigkeiten aller Beteiligten ausreichend abgeglichen und Verständigung und Gesprächsergebnisse gesichert werden. In diesem Beitrag wird zunächst die Forschungslage umrissen und das Handlungsschema pädiatrischer Erstkonsultationen kurz dargelegt. Daran anschließend werden anhand einer Fallanalyse die vielschichtigen und komplexen Aufgabenstellungen der Beteiligten bei der Herstellung und Durchführung der körperlichen Untersuchung beleuchtet.
Instruieren in kreativen Settings – wie Vorgaben der Regie durch Schauspielende ausgestaltet werden
(2021)
Instruktionen sind darauf angelegt, ein festgelegtes Ergebnis zu erzielen, v.a. in instrumentellen Arbeitskontexten oder Lehr-Lern-Settings. In kreativen Settings dagegen existieren häufig keine klar definierten Lerninhalte. Das Endprodukt und der Weg dorthin werden vielmehr bewusst offen gehalten, um Kreativität zu ermöglichen. Trotzdem machen Instruktionen auch in kreativen Settings einen Großteil der Äußerungen aus. Wir zeigen an zwei typischen Fällen aus Theaterproben, wie Instruktionen in kreativen Settings Neues hervorzubringen vermögen. Regisseur*innen arbeiten mit relativ offenen Rahmeninstruktionen, die von Schauspielenden in Folgehandlungen auszugestalten sind. Instruierte Handlungen haben so ein hohes Potenzial an Eigeninitiative und liefern die Grundlage für Regisseur*innen, um Aspekte des vorgängigen Spiels der Schauspieler*innen affirmativ aufzugreifen, die sie selbst zuvor so nicht instruiert haben. Diese Selektionen der Regie greifen einen Teil des dargebotenen Schauspiels auf und machen es für das zukünftige Handeln verbindlich. Unsere Studie untersucht, wie Instruktionen Folgehandeln evozieren, auf das sie selbst wiederum aufbauen. Grundlage ist ein Korpus von 800 Stunden Videoaufnahmen von Theaterproben.
Harold Garfinkel, Begründer der Ethnomethodologie, wäre dieses Jahr 100 Jahre alt geworden, seine Studies in Ethnomethodology werden 50 Jahre. Grund genug diesen doppelten Geburtstag mit einer Tagung zur "deutschsprachigen Vorge-schichte, Wirkung und Rezeption des Werkes und der Person zu würdigen" (so der Ankündigungstext zur Tagung), die nicht ganz zufällig in Konstanz stattfand, lange Zeit und nach wie vor eine Hochburg rekonstruktiver Sozialforschung (auch) ethnomethodologischer Prägung. Die Tagung Harold Garfinkel's 'Studies in Ethnomethodolgy' – Fifty Years After vom 26.-28.10.2017 an der Universität Konstanz, ausgerichtet vom Lehrstuhl für Allgemeine Soziologie und Kultursoziologie und organisiert von Jörg Bergmann, Christian Meyer und Erhard Schüttpelz, tat dies in einer gebührlichen und beson-deren Weise: Die acht Kapitel der Studies in Ethnomethodology (im Folgenden kurz Studies), ein Konvolut aus Essays und Artikeln, die 1967 erschienen sind, dienten als Grundlage zur Strukturierung der Tagung und als Ausgangspunkt der einzelnen Vorträge.
In Theaterproben entwickeln Beteiligte gemeinsam eine Inszenierung, die zur Aufführung gebracht wird. Ein wesentliches Mittel dazu ist das Vorspielen von Teilen des Stücks und das anschließende Besprechen. Dies geschieht üblicherweise in Rollenteilung: Die Schauspielenden führen Teile des Stücks vor, während die Regie zuschaut und gegebenenfalls interveniert, woran sich Besprechungen anschließen können. Dieser Teil von Theaterproben, in dem abwechselnd vorgespielt und besprochen wird, haben wir Spielprobe genannt (siehe Einleitung zu diesem Themenheft). Eine wesentliche interaktionsorganisatorische Aufgabe von Spielproben besteht für die Beteiligten darin, Schauspielaktivitäten und Besprechungsaktivitäten miteinander zu verzahnen. Dies geschieht durch Transitionspraktiken, die das Spiel entweder unterbrechen oder wieder eröffnen. Der vorliegende Beitrag untersucht Transitionspraktiken in Spielproben als ein konstitutives Moment ihrer interaktiven Organisation. Fokussiert werden Praktiken, die das Spiel unterbrechen, so genannte Interventionen. Nach einer detaillierten Fallanalyse, die eine prototypische Transition vom Spiel ins Besprechen und zurück ins Spiel veranschaulicht (Kap. 4.1/4.2), widmet sich der Rest des Beitrags der Analyse einer Kollektion von Interventionen. Es zeigt sich, dass Interventionen normativen Orientierungen unterliegen und verwendete Praktiken hinsichtlich verschiedener Dimensionen (etwa Ursache/Grund der Intervention) systematisch variieren.
Wissenschaftskommunikation gehört auch in den Sprachwissenschaften inzwischen zu den regelmäßigen Aufgaben neben Forschung und Lehre. Die Aktivitäten reichen von "kleineren Formaten" wie TikTok-Videos zu linguistischen Themen bis zum Aufbau des "Forum Deutsche Sprache" durch das IDS Mannheim als eine Art "Museum für Sprachwissenschaft". Im Rahmen des Uni.Stadt.Fests 2019, einer ganztägigen Veranstaltung anlässlich des 50jährigen Jubiläums der Universität Bielefeld, haben wir – Gesprächsforschende der Universität – die Gesprächsanalyse an einem Stand als Forschungsmethode erlebbar gemacht: in einem sogenannten "Plauderlabor". Die Idee zu diesem Projekt basiert auf dem "Conversational Rollercoaster" von Albert et al. (2018), einem partizipatorischen Format zur Demonstration der konversationsanalytischen Methode, entwickelt für eine Wissenschaftsmesse in London 2016. Zur Vorbereitung des Plauderlabors organisierte sich in Bielefeld eine interdisziplinäre Gruppe mit den Lehrstuhlinhaberinnen Ruth Ayaß (Methoden der empirischen Sozialforschung mit dem Schwerpunkt qualitative Methoden, Fakultät für Soziologie), Barbara Job (Sprache und Kommunikation, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft) und Friederike Kern (Germanistik/Frühe sprachliche Bildung und frühes Lernen, Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft) sowie ca. 30 wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen, Doktorand*innen und studentischen Hilfskräften, teils aus dem Zentrum für Lehren und Lernen (ZLL) und der Bielefeld School of Education (BiSEd). Unsere Erfahrungen mit dem Plauderlabor wollen wir im Folgenden teilen.
Der vorliegende Beitrag befasst sich mit Erzählen in seiner massenmedialen Vermittlung in einer Unterhaltungsendung im Fernsehen. Ziel ist es, anhand einer multimodalen und medienlinguistischen Analyse eines exemplarischen Ausschnitts aus der TV-Unterhaltungssendung "Zimmer frei" die Spezifik solcher massenmedialen Erzählungen herauszuarbeiten. Zum einen wird aufgezeigt, dass sich massenmediales Erzählen in seinem sequenziellen Auf- und Ausbau aufgrund seiner Einbindung in ein mediales Unterhaltungsformat in systematischer Weise von Alltagserzählungen unterscheidet. Zum anderen wird veranschaulicht, inwieweit theatrale Inszenierungs- und Aufführungsmittel der Fernsehproduktion die Aktivität des Erzählens mitkonstituieren. Erzählungen im Fernsehen, so die analyseleitende Prämisse, können nicht schlicht als durch das Fernsehen übertragene narrative Aktivitäten konzeptualisiert werden. Vielmehr sind sie durch eine mediale Theatralität mitgeprägt. (Para)verbale, körperliche und mediale Inszenierungs- und Aufführungsverfahren greifen konzertiert ineinander, um Erzählungen als "dramas to an audience" (Goffman 1974:508) hervorzubringen.
Genau tritt im aktuellen Sprachgebrauch nicht nur in seiner klassischen Bedeutung als Adjektiv oder Adverb auf, sondern wird auch als Fokus- bzw. Gradpartikel sowie Gesprächspartikel verwendet. Bisherige Beschreibungen haben sich nur in geringem Maße und unter Verwendung heterogener Begriffe mit seinem interaktionalen Gebrauch auseinandergesetzt. In diesem Beitrag werden mit Hilfe eines sequenziellen und multimodalen Ansatzes verschiedene interaktionale Verwendungen von genau in Videoaufnahmen deutscher Alltagsgespräche untersucht. Ausgehend von seiner Funktion als Gradpartikel wird genau sowohl als redebeitragsinterne Bestätigungspartikel in Wortfindungsprozessen als auch als responsive Bestätigungspartikel eingesetzt. Da genau häufig das Ende eines Verstehensprozesses bzw. einer Wissensverhandlung markiert, könnte allgemeiner die Bezeichnung des Intersubjektivitätsmarkers in Erwägung gezogen werden. Aus dem responsiven, bestätigenden Gebrauch heraus entsteht eine stärker sequenzschließende und sequenzstrukturierende Funktion von genau, woraus sich auch der zunehmende Gebrauch dieses Lexems als rein diskursstrukturierende Partikel innerhalb eines Redezugs erklären könnte.