Refine
Document Type
- Article (14)
Has Fulltext
- yes (14)
Keywords
- Multimodalität (12)
- Interaktionsanalyse (11)
- multimodal interaction analysis (6)
- architecture-for-interaction (5)
- multimodality (5)
- Sozialtopografie (4)
- social topography (4)
- Interaktionsarchitektur (3)
- Raum (3)
- coordination (3)
Publicationstate
- Veröffentlichungsversion (13)
- Postprint (1)
- Zweitveröffentlichung (1)
Reviewstate
- Peer-Review (14) (remove)
Der Beitrag hat zwei Schwerpunkte: Zum einen wird die interaktive Struktur einer 12 Sekunden dauernden Pause und deren soziale Bedeutung in einem spezifischen Kontext aus gesprächsanalytischgesprächsrhetorischer Perspektive analysiert. Damit wird ein interaktives Phänomen zum Gegenstand der Untersuchung, das – aus triftigen Gründen und in motivierter Weise – in der bisherigen gesprächsanalytischen Forschung einen eher peripheren Stellenwert besaß: der temporäre Verzicht der Interaktionsbeteiligten auf verbalen Ausdruck. Zum anderen wird diese Abwesenheit von Verbalität zum Anlass genommen, einen Aspekt zu thematisieren, der sich meines Erachtens auf die künftige Entwicklung der Gesprächsanalyse gravierend auswirken wird: die Tatsache, dass die empirische Grundlage gesprächsanalytischer Untersuchungen immer häufiger aus audiovisuellen Daten besteht. Diese „visuelle Revolution“, die durch die technologische Entwicklung in Form problemlos einsetzbarer Videokameras angestoßen wird, hat weit reichende Konsequenzen für die Theorie, Methodologie und Methode eines Analyseansatzes, der sich bislang und programmatisch bei der Analyse interaktiver Ordnungsstrukturen primär auf Verbalität konzentriert hat.
Der Aufsatz ist ein empirischer und theoretischer Beitrag zur Weiterentwicklung einer multimodalen, interaktionsanalytischen Methodologie. Auf der Grundlage eines minimalen Kontrasts wird im Detail analysiert, wie zwei Konfirmandinnen und zwei Konfirmanden ihren jeweils gleichzeitigen "Kerzengang" in der Vor-phase eines Gottesdienstes realisieren. Während die Konfirmandinnen ihren Gang in den Altarraum, das Anzünden ihrer Kerzen und den Rückweg zur Bank als "gemeinsam gehen" koordinieren, realisieren die beiden Konfirmanden ihren Gang als "hinter jemandem herlaufen". Die Analyse wird theoretisch gerahmt durch das Konzept "Gehen als situierte Praktik", das im Anschluss weiter geschärft wird.
Die Fallanalyse rekonstruiert aus multimodaler Perspektive eine Unterstützungsinteraktion im Unterricht. Die Unterstützung wird dabei als gemeinsame Herstellung des daran beteiligten Schülers und Lehrers konzeptualisiert. Es werden detailliert die vom Schüler produzierten Hinweise auf seine „Hilfsbedürftigkeit“ und die vom Lehrer eingesetzten Ressourcen bei seiner Hilfeleistung konstitutionsanalytisch rekonstruiert. In der falltranszendierenden Theoretisierung wird mit Bezug auf das gesprächsrhetorische Konzept „Unterstützen“ die Spezifik interaktiver Hilfeleistungen im Unterricht als konstitutive Anforderung an das professionelle Handeln von Lehrer/innen reflektiert.
Der Beitrag ist eine fallbasierte und konzeptionell ausgerichtete Auseinandersetzung mit dem konversationsanalytischen Konzept „recipient design“. Dieses wird zunächst in seinem monomodal-verbalen Entstehungszusammenhang erläutert und anschließend aus Perspektive der multimodalen Interaktionsanalyse reflektiert. In einem methodologischen Exkurs werden die Verfahren der „visuellen Erstanalyse“ und der „rekurrenten Mehrebenen-Analyse“ vorgestellt und im analytischen Teil umgesetzt. So wird zunächst das visuell wahrnehmbare Verhalten, dann die Äußerungs- und Interaktionsstruktur und abschließend die Prosodie eines lehrerseitigen recipient design analysiert. In einem fallanalytischen Resümee präsentieren wir im Detail das Zusammenspiel der bei der Produktion dieses multimodalen recipient design beteiligten Ausdrucksressourcen. Abschließend diskutieren wir eine Reihe offener Punkte, die bei einer multimodalen Konzeption von recipient design zu beachten sind. Dabei wird deutlich, dass recipient design theoretisch neu gerahmt und systematisch in Bezug auf online-analytische und verstehensdokumentarische Überlegungen reflektiert werden muss.
In diesem Aufsatz werden Positionierungsverfahren analysiert, welche die Macher einer Talkshow einsetzen, um ihre Gäste den Fernsehzuschauern als relevante Gesprächspartner für das Thema „Steuerhinterziehung durch Prominente” zu präsentieren. Es wird untersucht, wie es den Machern der Talkshow gelingt, die Gäste bereits bei der Erstvorstellung durch das Zusammenspiel einer Stimme aus dem Off und der Kameraführung als „prototypische Vertreter” zu präsentieren und zueinander zu positionieren. Von den insgesamt fünf Teilnehmern der Talkshow werden zwei dieser Erstvorstellungen detailliert analysiert. Es handelt sich um die Präsentation zweier Gäste, die in einer deutlich antagonistischen Beziehung zueinander stehen. Diese Gäste werden unmittelbar hintereinander vorgestellt. Auf der Grundlage aller fünf Gastpräsentationen, die wir detailliert rekonstruiert haben, jedoch aus Platzgründen hier leider nicht ebenfalls präsentieren können, wird ein strukturiertes Positionierungsgeflecht deutlich. Dieses Geflecht weist im Zentrum die von uns rekonstruierte thematische und personelle „Gegnerschaft“ auf. In der Peripherie sind dann insgesamt vier Vertreter relevanter gesellschaftlicher Positionen zum Thema der Talkshow beigeordnet. Dabei handelt es sich um Vertreter der Rechtsprechung, der Politik, der Alltagsmoral und der Psychologie und Theologie. Die Analysen werden in theoretischer Hinsicht auf der Grundlage multimodaler Vorstellungen zur Positionierung und zum Recipient Design durchgeführt. In methodisch-methodologischer Perspektive orientiert sich die Analyse an der multimodalen Interaktionsanalyse.
This article explores how close one can come to a cultural-scientific perspective on the basis of a constitution-analytical methodology. We do this on the basis of a comparison of the celebration of Totensonntag in Zotzenbach (Southern Hesse) and Sarepta (Wolgograd). In both places, there are protestant churches that perform this ritual to commemorate the dead on this “Sunday of the Dead” as a part of their church service. Our scientific interest lies in the reconstruction of the rituality produced during the in situ execution. In both services, the names of the deceased are read out and a candle is lit for each deceased person. In Zotzenbach the priest reads out the names and an assistant ignites the candles for the deceased, whereas in Sarepta the bereaved are responsible for this. Since the ritual is organised in very different ways in terms of architecture-for-interaction (statically in Zotzenbach, spatially dynamic in Sarepta), we can reconstruct two completely different models of rituality: a demonstrative one (Zotzenbach) and a participative one (Sarepta). The demonstrative model works on the basis of a finely tuned coordination between the two church representatives and is aimed at a dignified execution. The model in Sarepta is not suitable for the production of formality due to its participatory structure. Here, however, the focus is also on the aspect of socialization, which goes beyond the church service and offers the Russian-German worshipers the opportunity to situationally constitute as a culturally homogeneous group.
In diesem Aufsatz wird einzelfallanalytisch der Frage nachgegangen, wie die Struktur einer Kirchenbesichtigung aussieht. Im theoretischen Rahmen, der die Kirchenbesichtigung als kulturelle Praktik konzeptualisiert, wird „Objektkonstitution“ als eine aktive Leistung des Kirchenbesichtigers in den Blick genommen. Bei den Aufnahmen zum Kirchenbesichtigungskorpus wurden die Besichtiger nicht nur bei ihrem Gang durch den Kirchenraum und der visuellen Wahrnehmung bestimmter Raumaspekte gefilmt. Sie wurden vielmehr darum gebeten, ihre visuelle Wahrnehmung durch begleitendes Sprechen auch zu kommentieren. Aufgezeichnet wurde das Besichtigungskorpus mit zwei Kameras: einer Actionkamera, die den Wahrnehmungsraum der Besichtiger dokumentiert, und einer Kontextkamera, die ihnen bei ihrem Weg durch den Raum folgt.
Dieses experimentelle Erhebungsdesign, bei dem exothetisches Sprechen bewusst als wissenschaftliche Erhebungsmethode eingesetzt wird, macht es möglich, das Besichtigungskonzept der Personen als dynamisches Zusammenspiel ihrer visuellen Wahrnehmung des Kirchenraums und ihrer wahrnehmungsbegleitenden Exothese zu rekonstruieren. Dass Objektkonstitution eine aktive Herstellung ist, durch die der Kirchenraum in den Relevanzen seines Betrachters teilweise neu entsteht, zeigt die Fallanalyse in exemplarischer Klarheit: Anton, der analysierte Besichtiger, der sich ausführlich mit zwei großen Gemälden beschäftigt, konstituiert diese de facto als „Bilderrahmen“, ohne überhaupt auf die dargestellten Szenen einzugehen.
Der Beitrag beschäftigt sich mit der Interaktion zwischen blinden und sehenden Personen bei der kooperativen Anfertigung einer Audiodeskription. Eine Audio-deskription ist die verbale Beschreibung visueller Inhalte für Sehbeeinträchtigte und stellt eine Sonderform der Translation dar. Auf der Basis von Videodaten wird die Kooperation eines Dreierteams mit den Verfahren der multimodalen Interaktionsanalyse untersucht. Ein Charakteristikum dieser Kooperation besteht darin, dass eines der Teammitglieder blind ist und die beiden anderen sehen können. Das Erkenntnisinteresse richtet sich besonders auf die professionelle Beteiligung des blinden Teammitglieds an der Interaktion. Die Analyse zeigt, wie Blindheit als Ressource für die kooperative Herstellung der Audiodeskription genutzt wird und wie die Beteiligten in einer visuell asymmetrischen Situation interagieren. Der Beitrag ist eine der seltenen Untersuchungen, die sich mit professioneller Interaktion zwischen Blinden und Sehenden beschäftigen. Er diskutiert Aspekte von genereller Relevanz für die weitere Entwicklung der empirischen Interaktionsforschung, vor allem in Bezug auf eine Erweiterung von Beteiligungsperspektiven in Richtung Inklusion.
In this article, the execution of a ritual as a component of religious communication is analysed. The ritual, in which the church community remembers the deceased, is celebrated in the evangelic church of Sarepta (Volgograd) on the last Sunday of the church year, the so-called ‘eternity Sunday’. The study of the ritual is based on two scientific approaches: ethnomethodology and multimodal interaction analysis. These approaches make it possible to analyse the social and cultural practices of church visitors in conjunction with the organisation of church service. Specifically, it becomes possible to:
a) develop new scientific paradigms when analysing the actual use of the church interior,
b) identify basic religious activities of communication in church,
c) introduce new concepts into scientific use,
d) present the ritual of remembrance in Sarepta as a complex, multimodally constituted religious event,
e) focus the coordination of linguistic, physical and spatial activities of church visitors and clerics at different stages of church service and to understand their respective social content and communicative status.
For analysing the video recordings of the church service, the concepts of ‘architecture-for-interaction’ and ‘social topography’ are used, making it possible to discover new aspects of spatial influence on communication. The concept of ‘architecture-for-interaction’ provides the framework for answering the question of how the church interior in Sarepta contributes to the organisation of the ritual. Forms of situational use of space and the cultural knowledge underlying this use are captured with the concept of ‘social topography’. From a structural viewpoint, the analyzed ritual in Sarepta is based on organization and division of responsibilities, consists of phases of structural non-simultaneity, has a three-positional spatial basis, and is structurally open. Because of these characteristics, the execution of the ritual can be described as ‘participatory rituality’. Participatory rituality allows for a religious socialization which lets the community members participate as active and legitimate participants in religious communication and autonomously contribute to the execution of the ritual.