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In diesem Beitrag werden Komposita mit den relationalen Zweitgliedern Gatte und Gattin aus genderlinguistischer Perspektive untersucht, basierend auf manuell annotiertem zeitungssprachlichen Korpusmaterial. Frauen werden im analysierten Korpus ca. 12-mal häufiger in ihrer ehelichen Rolle versprachlicht als Männer. Statistische Analysen zeigen, dass sie dabei systematisch in ein possessives Verhältnis zum Ehemann gesetzt werden (Arztgattin = Gattin eines Arztes), während Ehemänner in den untersuchten Komposita tendenziell doppelt individualisiert werden (Arztgatte = Gatte, der Arzt ist). Neben den Zweitgliedern geben auch die Genera der beiden Konstituenten Aufschluss über die kodierte Bedeutungsrelation: Genusgleichheit (Kanzlergatte) führt zu einer qualifizierenden, Genusdivergenz (Kanzleringatte) zu einer possessiven Lesart. Die Analyse belegt außerdem die Existenz movierter Kompositumserstglieder – diese sind sogar die häufigste Form zur Benennung weiblicher Personen im Erstglied. Trotzdem herrscht bei der Bezugnahme auf Frauen eine größere Formenvarianz als bei Männern, welche fast ausschließlich mit maskulinen Erstgliedern versprachlicht werden. Damit zeigt die Studie, wie genderlinguistische Perspektiven auch im Bereich der Wortbildung einen neuen Analysezugang bilden.
Funktionsverbgefüge stehen seit jeher in der Sprachkritik, die sich nun auch auf digitale Räume ausbreitet. Vertreten wird dort die These, Funktionsverbgefüge und ihre entsprechenden Basisverben seien äquivalent und könnten in allen Kontexten durch die verbalen Entsprechungen ersetzt werden. Dies kann durch die vorliegende korpusbasierte und textlinguistische Studie am Beispiel des Gefüges Frage stellen widerlegt werden. Anhand eines extensiven Datenmaterials aus den Wikipedia-Artikel-Korpora des IDS zeige ich die semantischen, grammatischen und textlinguistischen Unterschiede zwischen dem Basisverb und dem Funktionsverbgefüge im Gebrauch auf, die sich in der Anreicherung, Verdichtung, Perspektivierung, Gewichtung und Wiederaufnahme von Informationen im Text manifestieren.
Dieser Werkstattbericht zeigt anhand verschiedener korpusbasierter Ressourcen, wie Fragen zu sprachlichen Phänomenen, die für Sprachlernende nicht oder nur unzureichend dokumentiert sind, empirisch beantwortet werden können. Besonderes Augenmerk wird dabei auf OWIDplusLIVE gelegt. Hierbei handelt es sich um ein Werkzeug zur tagesaktuellen Analyse von Token (einzelne Wortformen/Lemmata) und Bi-/Trigrammen (zwei bzw. drei direkt aufeinander folgende Token). Über eine Anbindung an KorAP können zudem Belege aus dem DeReKo (Deutsches Referenzkorpus) abgerufen und analysiert werden.
Unter Neologismen finden sich bedeutungsgleiche Ausdrücke (im weitesten Sinne Synonyme), die unter bestimmten Bedingungen sprachliche Unsicherheiten hervorrufen. Das liegt u. a. an ihrer semantisch-konzeptuellen Ähnlichkeit, an nicht abgeschlossenen Lexikalisierungsprozessen, aber es treten auch Zweifel auf, weil es Unterschiede zwischen der Allgemein- und der Fachsprache gibt. Für einige Neologismen ist es auch charakteristisch, dass mehrere morphologische Varianten gleichzeitig in den Wortschatz eintreten, sodass nicht immer klar ist, wann welche präferiert werden. Dass all diese Ausdrücke lexikalischem Wettbewerb und situationsgebundenen Gebrauchsbedingungen ausgesetzt sind und dass sie zu Zweifel führen können, wird in Onlineforen sichtbar. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, wie solche Paare/Gruppen korpusgestützt semantisch analysiert und wie sie in deskriptiven Wörterbüchern angemessen beschrieben werden können, um sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede für Nachschlagende sichtbar zu machen. Dazu werden konkrete Beispiele und ein gegenüberstellendes Wörterbuchdarstellungsformat für neologistische Synonyme vorgeschlagen.
Der Beitrag skizziert die Genese und Komplexität des Konzepts ‚Usuelle Wortverbindung‘ (UWV) vor dem Hintergrund der korpuslinguistischen Wende. Die Möglichkeit, sprachliche Massendaten untersuchen zu können, erbrachte neue Einsichten in Hinblick auf Status, Form, Funktion, Festigkeit und Variabilität dieser zentralen Wortschatzeinheiten – gleichzeitig aber auch in Hinblick auf ihre Unschärfen und vielfachen Überlappungen. Eine der folgenreichsten Erkenntnisse ist, dass UWVs auf vorgeprägten Schemata und Mustern basieren und in ein komplexes Netz von Ausdrücken ähnlicher Art eingebettet sind. Für die Aneignung sprachlichen Wissens ist das Verstehen solcher primär funktionalen Musterbildungen elementar.
Linguistische Studien arbeiten häufig mit einer Differenzierung zwischen gesprochener und geschriebener Sprache bzw. zwischen Kommunikation der Nähe und Distanz. Die Annahme eines Kontinuums zwischen diesen Polen bietet sich für eine Verortung unterschiedlichster Äußerungsformen an, inklusive unkonventioneller Textsorten wie etwa Popsongs. Wir konzipieren, implementieren und evaluieren ein automatisiertes Verfahren, das mithilfe unkorrelierter Entscheidungsbäume entsprechende Vorhersagen auf Textebene durchführt. Für die Identifizierung der Pole definieren wir einen Merkmalskatalog aus Sprachphänomenen, die als Markierer für Nähe/Mündlichkeit bzw. Distanz/Schriftlichkeit diskutiert werden, und wenden diesen auf prototypische Nähe-/Mündlichkeitstexte sowie prototypische Distanz-/Schrifttexte an. Basierend auf der sehr guten Klassifikationsgüte verorten wir anschließend eine Reihe weiterer Textsorten mithilfe der trainierten Klassifikatoren. Dabei erscheinen Popsongs als „mittige Textsorte“, die linguistisch motivierte Merkmale unterschiedlicher Kontinuumsstufen vereint. Weiterhin weisen wir nach, dass unsere Modelle mündlich kommunizierte, aber vorab oder nachträglich verschriftlichte Äußerungen wie Reden oder Interviews vollkommen anders verorten als prototypische Gesprächsdaten und decken Klassifikationsunterschiede für Social-Media-Varianten auf. Ziel ist dabei nicht eine systematisch-verbindliche Einordung im Kontinuum, sondern eine empirische Annäherung an die Frage, welche maschinell vergleichsweise einfach bestimmbaren Merkmale („shallow features“) nachweisbar Einfluss auf die Verortung haben.
OWID und OWIDplus – lexikographisch-lexikologische Online-Informationssysteme des IDS Mannheim
(2023)
Lexikographische und lexikalische Ressourcen zum Deutschen werden an vielen unterschiedlichen Institutionen erarbeitet, z. B. an Akademien der Wissenschaften oder in privatwirtschaftlichen Verlagen. Auch am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS) in Mannheim werden solche Materialien erstellt und der (Fach-)Öffentlichkeit unter dem Dach von OWID, dem „Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch“ (owid.de), präsentiert.
Die Darstellung von und Arbeit mit Transkripten spielt in vielen forschungs- und anwendungsbezogenen Arbeiten mit Daten gesprochener Sprache eine wichtige Rolle. Der im ZuMult-Projekt entwickelte Prototyp ZuViel (Zugang zu Visualisierung von Transkripten) knüpft an etablierte Verfahren zur Transkriptdarstellung an und erweitert diese durch neue Möglichkeiten des interaktiven Arbeitens mit Transkripten im digitalen Medium. Der Beitrag führt in diese neuen Möglichkeiten ein und erklärt, wie sie in didaktischen DaF/DaZ-Kontexten aber auch hinsichtlich forschungsbezogener Perspektiven angewendet werden können
Im vorliegenden Artikel wird ein Überblick über das von der DFG geförderte Projekt Zugänge zu multimodalen Korpora gesprochener Sprache – Vernetzung und zielgruppenspezifische Ausdifferenzierung (ZuMult) gegeben. Dabei wird zunächst auf die Sprachdaten und auf die technische Basis der Applikationen eingegangen, die dem Projekt zugrunde liegen. Im Anschluss werden die weiteren Beiträge in diesem Themenheft von KorDaF kurz vorgestellt. Übergeordnetes Thema von ZuMult ist die Verbesserung der Zugänglichkeit von digitalen mündlichen Sprachdaten für verschiedene Anwendungen und Zielgruppen, wobei der Fokus dieses Themenhefts auf Applikationen und Anwender:innen aus der Fremdsprachendidaktik und der DaF-/DaZ-Forschung und -Lehre liegt. Die einzelnen Beiträge beleuchten zentrale methodische und/oder technische Aspekte dieses Themas und beschreiben die Architektur und verschiedene prototypische Anwendungen, die das Projekt entwickelt hat.