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In den letzten Jahren entwickelten sich in vielen europäischen Großstädten unter Jugendlichen der 2. und 3. Migrantengeneration ethnolektale Formen des Deutschen. Sie sind charakteristisch für multilinguale Kontexte, in denen Sprecher unterschiedlicher Herkunftssprachen die regionale Umgangssprache des Landes, in dem sie leben, als lingua franca benutzen. Die neuen Formen haben große Überschneidungsbereiche mit den regionalen Varietäten, unterscheiden sich aber prosodisch- phonetisch, lexikalisch und morphosyntaktisch. Meist werden sie nur in bestimmten Kontexten verwendet, und die Sprecher wechseln virtuos zwischen regionalen Varietäten, Herkunftsvarietäten, sprachlichen Mischungen und ethnolektalen Formen.
Auf der Basis von drei ethnografischen Fallstudien in Mannheim wird gezeigt, wie die von den Migrantenjugendlichen entwickelten ethnolektalen Formen aussehen und zu welchen Zwecken die Jugendlichen sie verwenden. Die Jugendlichen haben ein weites Sprachrepertoire, verfugen über ethnolektale sowie standardnahe Formen und nutzen die Differenz zwischen beiden als kommunikative Ressource.
Die "türkischen Powergirls". Lebenswelt und kommunikativer Stil einer Migrantinnengruppe in Mannheim
(2008)
Die ethnografisch-soziostilistische Fallstudie bietet einen umfassenden Einblick in die Lebenswelt, die sozialen Orientierungen und das Ausdrucksverhalten junger Migrantinnen in Mannheim, die sich "türkische Powergirls" nennen.
Die ethnografische Beschreibung des Migrantenstadtteils bildet den Rahmen für die Rekonstruktion des Entwicklungsprozesses von der ethnischen Jugendclique zu einer Gruppe sozial erfolgreicher junger Frauen. Dieser Prozess ist typisch für junge Migrantinnen in Deutschland, die in Auseinandersetzung mit relevanten Bezugswelten, der Welt der türkischen Gemeinschaft und der Welt der deutschen (Bildungs-)Institutionen, einen eigenständigen Weg zu finden versuchen. Das Selbstbild, das die Mädchen in diesem Prozess entwickeln, bildet die Bezugsgröße für ihren Kommunikationsstil.
Der zentrale Teil des Buches beschreibt diesen Stil, den derb-drastischen Umgangston, den schnellen Wechsel zwischen Deutsch und Türkisch und den virtuosen Gebrauch verschiedener Varietäten zum symbolischen Verweis auf soziale Kategorien, und zeigt, wie sich der Stil im Prozess des Erwachsenwerdens und in Reaktion auf neue Lebensumstände und (Bildungs-)Anforderungen allmählich verändert.
Sprachliche Varianz und sprachliche Virtuosität türkisch-stämmiger Ghetto-Jugendlicher in Mannheim
(2007)
Der Beitrag gibt auf der Basis eines exemplarischen Falles Einblick in die Lebenswelt und in die kommunikativen Praktiken von türkischstämmigen, schulisch wenig erfolgreichen Migrantenjugendlichen, die aus der Sicht der deutschen Gesellschaft als „soziale Problemfalle“ charakterisiert werden. Er beschreibt auf der Basis natürlichen Gesprächsmaterials das sprachlich-kommunikative Repertoire eines ausgewählten Jugendlichen und filtert vor dem Hintergrund des regionalen Gebrauchsstandard die Merkmale heraus, die seine Sprechweise ‘fremd’ erscheinen lassen. Anhand ausgewählter Gesprächssequenzen werden charakteristische Variationsmuster dargestellt und die diskursiven, interaktiven und sozialen Funktionen sprachlicher Variation rekonstruiert. Die ethnografische und gesprächsanalytisch-linguistische Analyse führt zu dem Schluss, dass der geringe schulisch-berufliche Status des Jugendlichen in keiner sozial angemessenen Relation zu seinen hohen sprachlich-kommunikativen Fähigkeiten steht.