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In diesem Beitrag werden Komposita mit den relationalen Zweitgliedern Gatte und Gattin aus genderlinguistischer Perspektive untersucht, basierend auf manuell annotiertem zeitungssprachlichen Korpusmaterial. Frauen werden im analysierten Korpus ca. 12-mal häufiger in ihrer ehelichen Rolle versprachlicht als Männer. Statistische Analysen zeigen, dass sie dabei systematisch in ein possessives Verhältnis zum Ehemann gesetzt werden (Arztgattin = Gattin eines Arztes), während Ehemänner in den untersuchten Komposita tendenziell doppelt individualisiert werden (Arztgatte = Gatte, der Arzt ist). Neben den Zweitgliedern geben auch die Genera der beiden Konstituenten Aufschluss über die kodierte Bedeutungsrelation: Genusgleichheit (Kanzlergatte) führt zu einer qualifizierenden, Genusdivergenz (Kanzleringatte) zu einer possessiven Lesart. Die Analyse belegt außerdem die Existenz movierter Kompositumserstglieder – diese sind sogar die häufigste Form zur Benennung weiblicher Personen im Erstglied. Trotzdem herrscht bei der Bezugnahme auf Frauen eine größere Formenvarianz als bei Männern, welche fast ausschließlich mit maskulinen Erstgliedern versprachlicht werden. Damit zeigt die Studie, wie genderlinguistische Perspektiven auch im Bereich der Wortbildung einen neuen Analysezugang bilden.
Sprachliche Zweifelsfälle kommen auf allen linguistischen Ebenen vor. Ihre Einordnung erfolgt zumeist nach Systemebene, nach Entstehungsursache oder nach lexematischer Struktur. Sprachlicher Zweifel kann auch nach intra- und interlingualen Aspekten unterschieden werden. Stehen zwei oder mehrere lexikalische Varianten zur Verfügung, kann es zu Unsicherheiten bezüglich des angemessenen Gebrauchs kommen. Nicht nur Muttersprachler*innen sind mit Schwierigkeiten konfrontiert, Zweifelsfälle stellen auch ein Problem bei der Fremdsprachenproduktion dar.
Dieser Band beschränkt sich auf lexikalisch-semantische, flexivische und wortbildungsbedingte Zweifelsfälle und führt interessierte Leser*innen in Fachliteratur und Nachschlagewerke ein. Er streift Fragen der Sprachdidaktik, der Fehler- und Variationslinguistik, denn die Auseinandersetzung mit typischen Zweifelsfällen zeigt auch das Spannungsfeld zwischen allgemeinem Usus und kodifizierter Norm, zwischen Gegenwart und Wandel, zwischen Dynamik, sprachlichem Reichtum und erlernter Bildungstradition.
„Actual words are of theoretical interest” (Audring 2021: 3). Unter Zugrundelegung dieser gebrauchsbasierten Prämisse geht der vorliegende Beitrag der Frage nach, wie sich die Nominalkomposition im Deutschen auf der Basis sprachlicher Massendaten als Konstruktionsfamilie, d.h. als ein hierarchisches Netzwerk von Konstruktionen unterschiedlichen Abstraktionsgrads, beschreiben lässt. Der Beitrag knüpft in theoretischer Hinsicht an Booijs (2010) „Construction Morphology” an, geht jedoch insofern über diese hinaus, als versucht wird, deren Grundannahmen auch auf automatisch erhobene sprachliche Massendaten anzuwenden. Konkret wird mit einem Inventar von rund 185.000 Zusammensetzungen aus zwei simplizischen Nomen gearbeitet, die systematisch aus dem Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) (vgl. Leibniz-Institut für Deutsche Sprache 2007) extrahiert und im Anschluss (semi)automatisch weiterverarbeitet wurden.
Anhand einer korpusgestützten Untersuchung komplexer Adjektive mit dem Erstelement {gender-} mit DeReKoVecs wird gezeigt, welche Möglichkeiten zur differenzierten sprachlichen Integration von neuen Diskurselementen die Wortbildung des Adjektivs bietet. Gerade die zwischen den klassischen Typen Komposition und Derivation stehenden Techniken bieten hier eine erhebliche Bandbreite an Möglichkeiten.
Die untrennbaren Präfixe be-, ent-, er- und ver- gehören zu den wichtigsten verbalen Wortbildungselementen im heutigen Deutsch. Im Laufe der Zeit haben sie Derivate nach verschiedenen Wortbildungsmustern hervorgebracht, aber von diesen sind heute nicht wenige unproduktiv geworden. Viele heute noch gebräuchliche Verben mit diesen Präfixen wurden früher nach Derivationsprozessen gebildet, die nicht mehr zur Bildung neuer lexikalischer Einheiten fähig sind, und einige von diesen, wie etwa entsprechen, sind vollkommen idiomatisiert. Andere Wortbildungsmuster mit den untrennbaren Präfixen sind jedoch im heutigen Deutsch durchaus noch produktiv, und in diesem Beitrag sollen diese anhand einer angemessenen Materialbasis festgestellt und eingehend untersucht werden.
Nachdem die Erforschung der Wortbildungsregularitäten des Deutschen in den zentralen Bereichen zu erheblichen Fortschritten und weithin konsensfähigen Ergebnissen geführt hat, wendet sich die Forschung in den letzten Jahren verstärkt neuen Aspekten zu, wobei textlinguistische und in verschiedener Weise anwendungsorientierte Fragen eine erhebliche Rolle spielen, daneben aber auch andere, häufig theoriespezifischere Herangehensweisen gewählt werden. Wie viele andere Bereiche der Sprachwissenschaft hat sich auch die Wortbildungsforschung mit der neuen Möglichkeit auseinanderzusetzen, elektronische Korpora als empirische Basis zu nutzen.
Der Band dokumentiert die Ergebnisse der Tagung zur Wortbildung an der Universität Santiago de Compostela im Sommer 2006, und gerade bei einer transnationalen - und im Gefolge auch germanistisch-hispanistisch transdisziplinären - Tagung liegt es nahe, die typologisch vergleichenden Aspekte zu betonen, die ebenfalls in letzter Zeit erheblich an Bedeutung gewonnen haben. Mit der Schwerpunktsetzung auf den (deutsch-spanischen) Vergleich, auf textuelle und auf am Bereich DaF anwendungsorientierte Fragestellungen ergänzen die im vorliegenden Band dokumentierten Ergebnisse dieser Tagung die derzeit wieder recht lebhafte Diskussion um Fragen der Wortbildung.
The special issue opens up a construction-grammatical perspective on (German) word formation phenomena and goes back to a DFG-funded conference of the same name, which we held at the University of Düsseldorf in December 2020. The aim is to bundle up for the first time research from the field of German linguistics that is oriented towards construction grammar, and thus to lay the foundation for a 'Construction Word Formation' (cf. Booij 2010) also in the German-speaking world. Furthermore, ‘Construction Word Formation’ as a discipline shall hereby be sharpened. In this context, construction grammar should not be seen as a radical alternative to traditional word formation approaches that completely reinvents the wheel, but rather as a further development that builds on traditional concepts such as the pattern term with prominent consideration of usage-based aspects.
In current corpuslinguistic investigations, especially the collection of linguistic data and the frequency of linguistic phenomena (i.e. in the "linguistic matter") is in the center of interest of morphological discussions. This paper argues in favor of taking also morphological "antimatter" in account, i.e. surveying the structure of words containing morphological restrictions which cannot be proven systematically. With recourse to Popper's falsificationism and starting with prominent restrictions in the morphology of German, the article discusses theoretical consequences and chances for morphological theory with special emphasis on morphological change, i.e. when antimatter becomes matter and vice versa.
Der Beitrag betrachtet movierbare Personenbezeichnungen, die in einem Prädikativum mit Bezug auf ein weibliches Subjekt gebraucht werden (Typ sie ist Käufer/Käuferin). In solchen Fällen ist neben der Verwendung der movierten Personenbezeichnung auch die ihrer maskulinen Basis möglich, wobei zum tatsächlichen Gebrauch der beiden Varianten bisher widersprüchliche Angaben und kaum Daten vorlagen. Diese Untersuchung ergibt, dass die Movierung in der Prädikativkonstruktion seit dem Ahd. der Normalfall war und ist. Allerdings lassen sich einige Nischen ausmachen, in denen unmovierte Bezeichnungen etwas frequenter sind: Der mit Abstand höchste Wert findet sich bei weiblicher Selbstreferenz, während Maskulina bei weiblichen Subjekten der dritten Person Singular mit einer Ausnahme weitgehend unüblich sind. Diese Ausnahme ist der offizielle Sprachgebrauch der damaligen DDR. Öffentlichkeitsgerichtete Texte des 20./21. Jh., die nicht aus der DDR stammen, zeigen einen vermutlich gesellschaftlich bedingten Rückgang der sowieso schon seltenen unmovierten Formen ab Mitte der 1970er-Jahre.