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Trotz einer intensiven Forschungsgeschichte bleibt auf eigenartige Weise diffus, was es mit der Sprache im Faschismus auf sich hat. Der Beitrag versucht, ein doppeltes Defizit deutlich zu machen, das die Forschungsgeschichte kennzeichnet: Einerseits ist das Objekt strittig, wie die Kontroverse der Konzepte „Sprache des Faschismus“ vs. „Sprache im Faschismus“ zeigt; andererseits besteht ein - aus der Linguistikgeschichte dieses Jahrhunderts sich ergebendes - Defizit in der Methode. Um dieses zu verstehen, wird eine kritische Relektüre der ersten und folgenreichsten Arbeiten, Klemperers „LTI“ und des „Wörterbuchs des Unmenschen“, vorgeschlagen und an Beispielen vorgenommen. Es zeigt sich eine vertrackte Präsenz des Kritisierten in diesen frühen Kritiken, deren Hintergründen nachgegangen wird. Eine Grundlage wird im unzureichenden Umgang mit dem Sinnzusammenbruch des Zweiten Reiches gesehen. Als methodologische Konsequenz wird eine Pragmatisierung von Semantik vorgeschlagen, die sich die Rekonstruktion der Handlungsrelevanz von „Wörtern“ als Vermittlungen zwischen mentalen und gesellschaftlichen Prozessen zum Ziel setzt.
Kultur ist nicht nur zu einem Schlüsselbegriff der Geisteswissenschaften geworden, sondern wird auch entterminologisiert als Alltagsbegriff benutzt. In diesem Beitrag wird untersucht, wie der Ausdruck Kultur (einschließlich Derivationen und Komposita) in der mündlichen Interaktion verwendet wird. Auf Basis von 82 Instanzen im Korpus FOLK des IDS Mannheim wurde festgestellt, dass der Ausdruck von SprecherInnen in zumeist semiformellen bis formellen Interaktionstypen benutzt wird. Es findet sich ein breites Spektrum unterschiedlicher, teils ineinander übergehender Bedeutungen, welches dem der wissenschaftlichen Literatur der Kulturtheorie ähnlich ist. Dabei lassen sich jeweils relevante Kernbedeutungen identifizieren, mit denen mehr oder weniger vage assoziierte Bedeutungen verbunden sind. Kultur zeigt sich als kontroverser Begriff: Die Referenz von Kultur, die Wertung und seine Relevanz als Erklärungsressource sind häufig umstritten.
"Systemrelevant" - eine sprachwissenschaftliche Betrachtung des Begriffs aus aktuellem Anlass
(2020)
In diesem Beitrag werden Ergebnisse einer Studie präsentiert, die im Rahmen meines Habilitationsprojektes zu Somatismen des Deutschen mit der Konstituente Hand durchgeführt wurde. Das Projekt insgesamt ist korpusbasiert, qualitativ orientiert und verfolgt im Kern semantische Interessen. Empirische Grundlage für die Studien ist das Schriftspracharchiv W des IDS (Institut für Deutsche Sprache). Ziel der insgesamt über 20 Projektstudien ist jeweils die korpusbasierte Beschreibung der Bedeutungsentfaltung phraseologischer Einheiten in der Verwendungsbreite und nicht die Reduktion auf die Übersetzung einer als eine Bedeutung oder gar DIE Bedeutung wiedergebenden Paraphrase in formalsprachliche oder formalsymbolische Beschreibungsabstraktionen. In die Breite zu gehen bedeutet, die beschreibungsmäßig häufig verborgenen, aber im konkreten Sprachgebrauch jeweils sich zeigenden semantischen Feinheiten der untersuchten Einheiten ins Zentrum der Analyse zu stellen. Dafür ist es notwendig, die jeweilige Einheit zunächst überhaupt zu identifizieren (über welche Einheit wird geredet) und ihre formseitigen Manifestationen zu erfassen (welche strukturellen Verfestigungen liegen vor). Anschließend werden über die Beschreibung der Kotexte dieser Einheiten in Belegkorpora die an formseitige Ausprägungen gekoppelten Pfade der Bedeutungsentfaltung - ausgehend von einer ermittelten Ausgangsbedeutung - nachgezeichnet. Auf diese Weise können auch Bedeutungsaspekte eingeholt werden, die als bloße Konnotationen oder Modifikationen zu randständig, als Kernbedeutung zu unhandlich und als semantischer Mehrwert zu uneigenständig konzipiert sind. Es handelt sich um wesentliche Bedeutungszüge der untersuchten Einheiten und Aufgabe der Studien ist es, diese Aspekte durch Kopplung an verschiedene formseitige Ausprägungen gebrauchsangemessen erfassen und beschreiben zu können.
In recent years, formal semantic research on the meaning of tense and aspect has benefited from a number of studies investigating languages with graded tense systems. This paper contributes a first sketch of the temporal marking system of Awing (Grassfields Bantu), focusing on two varieties of remote past and remote future. We argue that the data support a "symmetric" analysis of past and future tense in Awing. In our specific proposal, Awing temporal remoteness markers are uniformly analyzed as quantificational tense operators, and both the past and the future paradigm include a form that prevents contextual restriction of this temporal quantifier.
Der folgende Kurzbericht hat in meinen Augen weniger die Funktion, die einzelnen Beiträge anzusprechen, als vielmehr die, gewisse vertretene Tendenzen dadurch herauszuarbeiten, daß die Referate der Sektion inhaltlich gruppiert und mit denen des letzten Kolloquiums verglichen werden. Die Berechtigung, ja Notwendigkeit eines solchen Vorgehens ergibt sich schon daraus, daß sechs der gehaltenen Referate sich — in weiterem Sinne — unter logischformale Semantik gruppieren lassen und die Darstellung formalsemantischer Systeme bereits im Rahmen der 20-minütigen Kolloquiumsvorträge problematisch ist — auf Berichtsform reduziert, scheint es mir dann völlig sinnlos zu sein, mehr zu bieten als eine Andeutung, die das Interesse für eine Lektüre des Beitrages wecken soll; eine Publikation der Akten des Kolloquiums ist geplant. Unter der Rubrik ‘logisch-formale Semantik’ lassen sich einordnen die Beiträge von Abraham, Frosch, König, Pinkal und Rieger sowie mein eigener. Bereits innerhalb dieser Rubrik zeigt sich, was auch für die gesamte Sektion Semantik und für das Kolloquium überhaupt gilt (sieben Sektionen!): eine gemeinsame Basis der Linguisten, eine Menge gemeinsamer Prämissen scheint im Moment nicht vorhanden zu sein; die Pluralität der Ansätze und Methoden triumphiert. Dadurch geht der Workshop-Charakter des Kolloquiums in zunehmendem Maße verloren, da sich jeder Teilnehmer gezwungen sieht, zunächst seine Prämissen auszubreiten, bevor er überhaupt zu inhaltlichen Aussagen Vordringen kann. Mir scheint hier ein Problem zu liegen, von dessen Lösung das Weiterbestehen des Linguistischen Kolloquiums in seiner bisherigen Form des offenen Marktes mit 20-Minuten-Vorträgen entscheidend abhängt.