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Sprache und Recht
(2002)
Der Tagungsband möchte das interdisziplinäre Gespräch zwischen Sprach- und Rechtswissenschaft ein weiteres Mal und vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen anregen.
Die hierfür ausgewählten Themen werden sowohl aus linguistischer wie aus juristischer Perspektive, d.h. von Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftlern sowie von Juristen beleuchtet: Verhältnis von Sprache, Recht, Öffentlichkeit und Politik, Kommunikation vor Gericht, eine z.T. sprach- bzw. rechtsphilosophische Sicht auf rechtsrelevante Äußerungen, Fragen der Auslegung inbesondere angesichts der verzweigten Intertextualität des Rechts, historische und aktuelle (auf die europäische Einigung zurückzuführende) Wandlungen von Rechts- und Sprachsystemen, der Nutzen der Linguistik für die Kriminologie sowie Ursachen und Lösungen für die Schwerverständlichkeit von Gesetzen.
Juristische Texte sind schwer zu verstehen, insbesondere – aber nicht nur – für juristische Laien. Dieser Band beleuchtet diese These ausgehend von linguistischen Verständlichkeitsmodellen und kognitionswissenschaftlichen Modellen der menschlichen Textverarbeitung. Anhand von Aufzeichnungen von Blickbewegungen beim Lesen, einem sogenannten Lesekorpus, werden umfangreiche statistische Modelle berechnet. Diese geben Auskunft über Fragen psycholinguistischer Grundlagenforschung auf der Wort-, Satz- und Textebene. Ferner wird untersucht, wie sich Reformulierungen auf den Verstehensprozess auswirken. Dabei stehen bekannte Komplexitätsmarker deutscher juristischer Texte im Fokus: Nominalisierungen, komplexe Nominalphrasen und syntaktisch komplexe Texte.
Der rechtslinguistische Zugang zu juristischen Texten gibt Aufschluss über Deutungsoptionen umstrittener Fachkonzepte. Dieser text- und diskursorientierte Ansatz ist für die Analyse der Kommunikation zwischen internationalen und nationalen Gerichten besonders erhellend, da hier die sprachliche Konstitution von Faktizität häufig mit gesteigerter Intensität geführt wird. Die Arbeit untersucht die Aushandlungsprozesse um nationalstaatliche Souveränität und Kompetenzverschiebungen anhand einer Sprachhandlungstypologie. Dabei werden sprachlich geronnene Konfliktlinien bei der Harmonisierung von nationalem Recht und Völkerrecht herausgestellt, deren Beschreibung als semantische Kämpfe im Kern der Betrachtung stehen. Als Beispiel dient der Sorgerechtsstreit ‚Görgülü‘. Durch die Untersuchung des Fachdiskurses und seiner Transformation in Medientexte können Vermittlungsprobleme aufgedeckt werden, wodurch ein Beitrag zur Transparenz bei der rechtsstaatlichen Faktizitätsherstellung geleistet wird.