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Der vorliegende Beitrag diskutiert Implikationen für die grammatiktheoretische Grundunterscheidung von Argumenten und Modifikatoren, die mit der Erweiterung einer wortbasiert-valenzgrammatischen um eine musterbasiert-konstruktionsgrammatische Analyseperspektive einhergehen. Wird Argumenthaftigkeit nicht mehr (oder nicht mehr nur) relativ zum Verb, sondern relativ zur schematischen Argumentstrukturkonstruktion bestimmt, in der ein Verb gebraucht wird, hat sich das Problem einer Unterscheidung von Argumenten und Modifikatoren damit nicht erübrigt. Dem Problem, dass eine umfassende und trennscharfe Unterscheidung von Argumenten und Modifikatoren aus Sicht des Verbs allein nicht zweifelsfrei zu leisten ist, ist damit aber zumindest die grundsätzliche theoretische Sprengkraft genommen, dass der gesamte folgende Strukturaufbau auf einer unsicheren Anfangsunterscheidung aufsetzt. Gleichzeitig stellen sich im Rahmen des konstruktionsgrammatischen Perspektivwechsels aber neue Fragen. Welche Strukturen können Anspruch auf den Status einer eigenständigen Argumentstrukturkonstruktion erheben? Was sind ihre Bedeutungen und konstitutiven Bestandteile? Unter welchen Bedingungen können sie sowohl durch bestimmte lexikalische Füller als auch durch andere ihrerseits schematische Konstruktionen instanziiert werden? Wie können Argumentstrukturkonstruktionen sowohl mit Modifikatoren als auch mit anderen Argumentstrukturkonstruktionen kombiniert werden?
Recent years have seen a growing interest in grammatical variation, a core explanandum of grammatical theory. The present volume explores questions that are fundamental to this line of research: First, the question of whether variation can always and completely be explained by intra- or extra-linguistic predictors, or whether there is a certain amount of unpredictable – or ‘free’ – grammatical variation. Second, the question of what implications the (in-)existence of free variation would hold for our theoretical models and the empirical study of grammar. The volume provides the first dedicated book-length treatment of this long-standing topic. Following an introductory chapter by the editors, it contains ten case studies on potentially free variation in morphology and syntax drawn from Germanic, Romance, Uralic and Mayan.
Konvergenz und Divergenz
(2021)
In diesem Aufsatz werden Wortverbindungen aus einer distributionellen Perspektive im Rahmen einer formalen lexikalistischen Grammatiktheorie betrachtet. Ausgehend von unikalen Elementen („Tácheles reden") wird ein Distributionsmodul als Teil des Lexikoneintrags motiviert. Anhand des Verbs „fackeln" wird eine analoge Distributionsanalyse für Polaritätselemente entwickelt. Da Korpora eine zentrale Datenquelle darstellen, werden die Möglichkeiten diskutiert, Distributionsanforderungen lexikalischer Elemente automatisch aus Korpora zu extrahieren. Um dem Distributionsmodul ein klareres Profil zu geben, wird seine Funktion gegenüber der von Selektion und von Konstruktionen abgegrenzt. Abschließende Überlegungen widmen sich einem Versuch, die Rolle von Gebrauchsdaten innerhalb einer formalen Grammatiktheorie zu bestimmen, was zur Skizzierung einer erfahrungsbasierten modelltheoretischen Grammatiktheorie führt.
Ulrich Engel hat mit seinen Publikationen zur deutschen Grammatik, zur Verbvalenz und zur kontrastiven Linguistik große Wirkung auf die internationale germanistische Linguistik ausgeübt. Weniger bekannt ist, dass er mit seinem Werk auch andere linguistische Teildisziplinen beeinflusst hat, die davon bis heute profitieren. Dependenzielle Ansätze spielen bei der maschinellen Syntaxanalyse mittlerweile eine zentrale Rolle, und bei der Entwicklung von Systemen zur maschinellen Übersetzung haben Engels Arbeiten ebenfalls ihre Spur hinterlassen. Der Aufbau von Sprachressourcen in Gestalt von „Baumbanken“ kann auf Engels Grammatikkonzeption zurückgreifen, und auch zur neuerlich florierenden Konstruktionsgrammatik bestehen klare Bezüge. Im Beitrag werden diese weniger bekannten Einwirkungen von Engels Werk in andere Bereiche dargestellt und in ihrer andauernden Aktualität gewürdigt.
Der Korpuslinguistik begegneten überwiegend introspektiv arbeitende Grammatiktheoretiker lange mit Misstrauen. Dabei kann sie, auch wenn sie selbst kein bestimmtes theoretisches Paradigma vorgibt, in sehr vielfältiger Weise zur Theoriebildung beitragen. Zum einen können mithilfe von Korpora theoretische Aussagen exemplifiziert und validiert werden. Zum anderen liefert die Korpuslinguistik große Mengen differenzierter Sprachdaten sowie Methoden, mit denen sie überschaut und analysiert werden können. Neue Daten müssen theoretisch in neuen Generalisierungen aufgearbeitet werden und auch die Datenvielfalt selbst rückt in den theoretischen Fokus. Die Grammatikforschung erfährt so eine empirische Wende, in der die Variation grammatischer Strukturen zu einem der zentralen Themen wird. Die theoretische Erfassung dieser Variation geht dabei weit über die Grenzen einer klassischen Theorie der Sprachkompetenz hinaus. Immer dringlicher wird damit eine neue wissenschaftliche Grammatik des Deutschen, die diese Entwicklung aufnimmt, sich den neuen Forschungsfragen stellt, sie mit modernen korpuslinguistischen Methoden untersucht und damit die Grundlagen für eine umfassende Theorie schafft, in der Kompetenz und Performanz (wie auch Synchronie und Diachronie) näher aneinanderrücken.
Mit Fragestellungen und kritischen Diskussionen zu Paradigmen, Methoden und Zielen stellt der Sammelband eine Positionsbestimmung zur Grammatiktheorie und Empirie in der germanistischen Linguistik dar. Die Beiträge umfassen ein breites Spektrum an Themen zwischen deskriptiver Vollständigkeit und grammatischer Modellierung, die seit einiger Zeit die Diskussion bestimmen, Entwicklungen aufzeigen und aus Forschungsdesideraten heraus für das Fach neue Perspektiven eröffnen.