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In dem vorliegende Beitrag haben wir uns zum Anlass genommen, die Rolle der Architektur für Interaktion grundsätzlich zu überdenken und systematisch anzugehen. Daraus ist der folgende Sammelband entstanden. Der Beitrag ergänzt die im Beitrag von Hausendorf/Schmitt (i.d.Bd.) entwickelte Perspektive auf ‘Interaktionsarchitektur’ und ‘Sozialtopografie’ um eine textlinguistische Perspektive: Die für die Interaktionsarchitekturanalyse zentralen ‘interaktionsarchitektonischen Implikationen’ lassen sich in ihrer Charakteristik weiter bestimmen, wenn man sie vor dem Hintergrund der für die Textanalyse zentralen ‘Lesbarkeitshinweise’ als Benutzbarkeitshinweise profiliert.
Interaktionslinguistik
(2015)
Interaktion wird im vorliegenden Beitrag als eine Realisierung von Kommunikation verstanden, deren Konstitutionskriterium nicht Sprachlichkeit, sondern Anwesenheit ist. Anwesenheit ist dabei keine äußerliche Bedingung von Interaktion, sondern wird – im Medium der Wahrnehmungswahrnehmung – erst durch diese hergestellt. Entscheidend für die Rolle der Sprache bei der Konstitution von Interaktion sind die Minima des Sprechens und Zuhörens, die unter den Stichworten Materialität, Sequenzialität und Medialität vorgestellt werden. Anhand dieser Minima lassen sich die Qualitäten der Sprache als Ressource für die Bearbeitung interaktionskonstitutiver Probleme (wie Turn-Taking, Themenorganisation oder Situierung) fassen. Dass es neben der Sprache für die Hervorbringung von Interaktion weiterer, bisher weniger gut untersuchter Ressourcen bedarf, wird am Ende des Beitrags am Beispiel des Beitrags von Architektur zur Lösung des Situierungsproblems erörtert.
Es ist nicht zu übersehen, dass die neuere Gesprächsforschung der Zeitlichkeit der Interaktion, also der Organisation von Nacheinander und Reihenfolge, viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt hat als der Räumlichkeit der Interaktion, also der Organisation der Verortung und Platzierung Anwesender im Raum. Für Zeitlichkeit haben wir mit dem Konzept der Sequentialität eine methodologische Leitorientierung, die sich in unzähligen Analysen empirisch bewährt hat und theoretisch explizierbar ist. Für Räumlichkeit gilt das (trotz der Pionierarbeiten von Goffman, Hall, Birdwhistell, Kendon und anderen) offenkundig nicht, obwohl man mit Fug und Recht behaupten kann, dass Raum und Räumlichkeit – genauso wie Zeit und Zeitlichkeit – interaktiv in Anspruch genommen und interaktiv hergestellt werden. Kann man daraus schließen, dass der Raum für die Interaktion weniger wichtig ist als die Zeit? Oder hat es damit zu tun, dass Raum und Räumlichkeit für eine an sprachlichen Erscheinungsformen orientierte linguistische Gesprächsforschung empirisch und methodisch schwerer zu fassen sind? Und welcher Art sind die Phänomene, die man zu sehen bekommt, und die Konzepte, die man braucht, wenn man Räumlichkeit als Aspekt von Anwesenheit zu thematisieren versucht? Was schließlich leistet Sprache für die interaktive Inanspruchnahme von Raum und Räumlichkeit?
Diesen und ähnlichen Fragen geht der folgende Beitrag am Beispiel einer Interaktionsepisode in einer Kunstausstellung nach.
In unserem Beitrag skizzieren wir im Rahmen des Verhältnisses von Sprache, Interaktion und Raum die Umrisse eines raumbasierten Konzeptes sozialer Positionierung. Zunächst stellen wir aktuelle Entwicklungen der linguistischen Interaktionsraumforschung vor, wobei wir eine grundlegende Differenzierung hinsichtlich der Relevantsetzung des Raums konstatieren: Raum wird zum einen als im Interaktionsprozess von den Beteiligten aktiv hervorgebrachte Größe konzeptualisiert, zum anderen wird Raum als interaktive Ressource entworfen, auf die in der Interaktion zurückgegriffen werden kann.
Mit den Begriffen „Interaktionsarchitektur“, „Sozialtopographie“ und „Interaktionsraum“ skizzieren wir im Anschluss die basale konzeptionelle Trias, die unserem interaktionslinguistischen Verständnis zugrunde liegt. Dabei kommt es uns besonders auf die Verdeutlichung der unterschiedlichen analytischen Implikationen der Konzepte für die Analyse multimodal konstituierter Interaktion an.
Im empirischen Teil werden unsere Konzepte an einem kurzen Ausschnitt aus einem Alpha-Gottesdienst verdeutlicht, bei dem vor den Augen der Gemeinde ein Wechsel im Kirchenvorstand vollzogen und inszeniert wird. Diese Analyse erfolgt im Hinblick auf die Entwicklung der Grundzüge eines nichtmetaphorisch, sondern wörtlich, d. h. raumbasiert, verstandenen Konzeptes sozialer Positionierung.
Vorwort
(2016)