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Der Beitrag behandelt Schreibvarianten der Gegenwartssprache. Es werden auf der Grundlage von vier Fallgruppen (1. Binnenmajuskel, 2. Kompositaschreibung mit Leerzeichen, 3. Kompositaschreibung mit Bindestrich, 4. genderfokussierende Schreibweisen) zwei Typen von Normvarianz unterschieden – ein politischer und ein unpolitischer. Dabei wird der Frage nachgegangen, ob unpolitische Ad-hoc-Bildungen auf dem Weg der Konventionalisierung sich von als politisch wahrgenommenen Normvarianten unterscheiden. Zur Beschreibung des Phänomens wird der Begriff der elastischen Norm eingeführt, um divergierende Schreibkonventionen im Spannungsfeld von Faktizitätsherstellung und kodifizierter Setzung zu modellieren. Zur soziolinguistischen Unterscheidung von Schreib- und Leseperspektiven werden die Schreibvarianten als drei unterschiedliche Gesten kategorisiert – als unmarkierte Nullgeste, als markierte Nullgeste und als indexikalisierte Signalgeste.
Seit 1996 ist das Amtliche Regelwerk zur deutschen Rechtschreibung (einschließlich Amtlichem Wörterverzeichnis) gültig. Es regelt die Orthografie für Behörden und Schulen in Deutschland sowie in den sechs weiteren Mitgliedsländern des Rats für deutsche Rechtschreibung. Für die Wörterbuchverlage bzw. alle Wörterbuchprojekte gilt es, dieses hoch abstrakte Regelwerk einerseits auf alle Einträge in den A–Z-Teilen der Wörterbücher anzuwenden und andererseits ggf. das Regelwerk selbst zu „übersetzen“ und es damit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Neographeme wie Genderstern und Doppelpunkt werden zunehmend verwendet, um Personen unabhängig von ihrem Geschlecht einzubeziehen. Der Beitrag beleuchtet diese Sonderzeichen aus semantischer, typographischer und grammatischer Sicht, vergleicht sie mit anderen Typogrammen und diskutiert ihren Morphemstatus. Auch ihre metapragmatische Leistung der sprecherseitigen Verortung kommt in den Blick. In Bezug auf die Rezeption werden aus kognitionslinguistischer Perspektive die Lesbarkeit und die Funktionstüchtigkeit des Sterns betrachtet. Lesenden, die mit der Form vertraut sind, gelingt der Wortzugriff mühelos, und der Genderstern elizitiert inklusive mentale Repräsentationen. Diese Analysen und Befunde sprechen für die grundsätzliche Möglichkeit, Neographeme in die Sprache zu integrieren.
GraphVar ist ein Korpus aus über 1.600 Abiturarbeiten, die zwischen 1917 und 2018 an einem niedersächsischen Gymnasium geschrieben wurden. Das Hauptinteresse beim Aufbau bestand in der Beschreibung graphematischer Variation und ihrer Entwicklung über die Zeit. Leitend war die Frage, was Schreiberinnen und Schreiber eigentlich tatsächlich machen bzw. gemacht haben – und zwar unbeeinflusst von technischen Hilfsmitteln oder Schluss- und Endredaktion, aber unter vergleichbaren Bedingungen. Das Korpus bietet somit ein Fenster auf den unverfälschten Schreibgebrauch von Abiturientinnen und Abiturienten im Laufe der Zeit. Zum jetzigen Zeitpunkt sind 1.618 Arbeiten transkribiert, linguistisch annotiert und über eine ANNIS-Instanz erreichbar (graphvar.unibonn.de, Stand: 8.8.2023). Im Sommer 2022 konnten weitere 1.600 Arbeiten zwischen 1900 und 2021 an einem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen digitalisiert werden. Neben schriftlinguistischen Fragestellungen ist das Korpus prinzipiell auch für syntaktische, morphologische und lexikalische Fragestellungen geeignet; auch didaktische Untersuchungen sind möglich, genau wie kulturwissenschaftliche.
Anhand der Rückmeldungen auf eine Umfrage unter den Mitgliedern der Organisation EFNIL (European Federation of National Institutions for Language) wird in diesem Artikel erfasst, wie die orthographische Norm in den Staaten Europas etabliert und vermittelt wird. Es wird unter anderem beleuchtet, welche Prinzipien bei der Erstellung der Norm angewandt werden, in welchen Teilen der Gesellschaft die Regeln gelten, wie sie an die Öffentlichkeit vermittelt werden, inwieweit sie eingehalten werden, ob es alternative Normen gibt, und mit welchen Mitteln Veränderungen im Sprachgebrauch erfasst und berücksichtigt werden.
Orthographie
(2024)
Ausgehend von den Ergebnissen des letzten IQB-Bildungstrends (2021) zu den orthographischen Kompetenzen von Grundschüler:innen fragt der Beitrag nach Stellenwert und Funktion der Orthographie vor dem Hintergrund der Anforderungen, die an die sprachliche Bildung von Schüler:innen gestellt sind. Orthographie und orthographische Kompetenzen werden funktional im Bereich des Schreibens und einer zu entwickelnden Schreibkompetenz verortet. Wichtig ist dabei der Blick auf die Schreibflüssigkeit. Sie ist grundlegend für die anforderungsreichen Prozesse des Textschreibens. Ausgehend von Befunden neuerer Studien betrachten wir das Verhältnis von Orthographie und Schreiben und daraus resultierende Anforderungen an den schulischen (Recht-)Schreiberwerb.
Gemäß Lehrplänen scheint der Rechtschreiberwerb nach der Sekundarstufe I weitgehend abgeschlossen. Aber auch auf der Sekundarstufe II, ja sogar an Universitäten verstoßen die Schreibenden gegen die gültigen Regeln. Dabei können Lernende auf diesen Stufen durch die Auseinandersetzung mit dem System der Orthografie ein besseres Verständnis für die Normen entwickeln. Ein explorativer, konstruktivistischer Ansatz eröffnet neue Perspektiven, orthografische Probleme zu untersuchen und zu verstehen. Es wird gezeigt, wie Regeln durch gezielte Aufträge selbstständig entdeckt werden können und mit welchen Strategien sich das Sprachbewusstsein durch und für die Orthografie vertiefen lässt. Ein solcher explorativer Zugang erweitert das Wissen über Rechtschreibung und fördert die korrekte Verwendung der Schriftsprache.
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Rechtschreibung von Maturantinnen und Maturanten in einem österreichischen Deutschmaturatext-Korpus. Es werden Ergebnisse aus einer quantitativen und qualitativen Untersuchung dieses Lernerkorpus präsentiert. Diese haben gezeigt, dass die Rechtschreibleistungen in den untersuchten österreichischen Maturaarbeiten besser sind als in der (medialen) Öffentlichkeit angenommen, dabei jedoch bestimmte Fehlerschwerpunkte hervorstechen. Signifikante Unterschiede in Hinblick auf Leistungen bei Orthographie und Zeichensetzung bestehen zudem zwischen stift- und computergeschriebenen Arbeiten.
A constructicon, i.e., a structured inventory of constructions, essentially aims at documenting functions of lexical and grammatical constructions. Among other parameters, so-called constructional collo-profiles, as introduced by Herbst (2018, 2020), are conclusive for determining constructional meanings. They provide information on how relevant individual words are for construction slots, they hint at usage preferences of constructions and serve as a helpful indicator for semantic peculiarities of constructions. However, even though collo-profiles constitute an indispensable component of constructicon entries, they pose major challengers for constructicographers: For a constructicographic enterprise it is not feasible to conduct collostructional analyses for hundreds or even thousands of constructions. In this article, we introduce a procedure based on the large language model BERT that allows to predict collo-profiles without having to extensively annotate instances of constructions in a given corpus. Specifically, by discussing the constructions X macht Y ADJP (‘x makes Y ADJ’, e.g. he drives him crazy) and N1 PREP N1 (e.g., bumper to bumper, constructions over constructions), we show how the developed automated system generates collo-profiles based on a limited number of annotated instances. Finally, we place collo-profiles alongside other dimensions of constructional meanings included in the German Constructicon.
Das Rechtschreiben ist digital automatisierbar. Ist der Orthographieerwerb dann noch notwendig für den Aufbau einer bildungssprachlichen literalen Kompetenz? Der Beitrag fragt nach den Zusammenhängen zwischen der Orthographie und den sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten, die für das Schreiben und Lesen von Texten gebraucht werden. Argumente und Forschungsergebnisse zu drei konkurrierenden Hypothesen zu diesem Zusammenhang werden vorgestellt und diskutiert: Entlastungsthese, Bewusstheitsthese, Literalisierungsthese. Auf der Grundlage der Literalisierungsthese wertet der Beitrag den Orthographieerwerb als nicht substituierbare Komponente einer Sprachkompetenz, die den Umgang mit Texten ermöglicht.
Das Schriftsystem ist ein System und es zeigen sich Folgen, wenn Schreibungen gegen den Schreibusus geändert werden. Exemplarisch wird dies erstens an der Veränderung des Verbsuffixes -iren zu -ieren im Nachgang der Rechtschreibreform von 1876 und zweitens der Veränderung von Gruppen wie im Allgemeinen in der Reform von 1996 gezeigt. Beide verursachen unbeabsichtigte Folgefehler. Wie systematisch manche Variation und damit auch mancher Fehler ist, wird sowohl am Komma vor Vergleichssätzen als auch an Fehlern in der Getrennt- und Zusammenschreibung gezeigt. Das Statut des Rechtschreibrates besagt, dass bei der Weiterentwickung des Amtlichen Regelwerks die ständige Beobachtung der Schreibentwicklung, die Klärung von Zweifelsfällen, die Erarbeitung und die wissenschaftliche Begründung von Vorschlägen zur Anpassung des Regelwerks an den allgemeinen Wandel der Sprache im Vordergrund stehen. Das ist zu begrüßen, weil viele Zweifel bei den Zweifelsfällen grammatische und nicht orthographische Ursachen haben.
Kognitive Pretests oder auch kognitive Interviews sind semi-standardisierte Interviews, die durchgeführt werden, um Einblick in die kognitiven Prozesse zu bekommen, die Befragte beim Beantworten von Fragen durchlaufen, und wie sie zu ihrer Antwort kommen. Innerhalb der sozialwissenschaftlichen Umfrageforschung werden kognitive Interviews insbesondere zu zwei Zwecken eingesetzt: (a) in der Fragebogenentwicklung und (b) in der Übersetzung von Fragebögen. Im Rahmen der Fragebogenentwicklung wird durch Interviews mit Befragten der Zielpopulation versucht, Hinweise auf unterschiedlichste Frageprobleme zu erhalten. So kann man beispielsweise herausfinden, wie Befragte bestimmte Wörter oder Begriffe verstehen, wie schwierig oder einfach sie eine Frage finden oder wie sie ihre Antwort auf eine Frage bilden. In der Übersetzung von Fragebögen kann man beispielsweise untersuchen, ob eine übersetzte Frage so verstanden wird wie die entsprechende Frage in der Ausgangssprache oder welche gewünschten bzw. unerwünschten Konnotationen bestimmte Übersetzungen haben. Innerhalb der Orthographieforschung ließe sich diese Methode auf die Entwicklung von Kriterien zur Festlegung von Rechtschreibregeln oder zur Prüfung ihrer Akzeptanz anwenden: In kognitiven Interviews eingesetzte Techniken wie „Probing“, also gezieltes Nachfragen, oder Lautes Denken könnten genutzt werden, um zu prüfen, wie Rechtschreibregeln angewendet werden oder wie sie zielgruppenspezifisch und nutzungsfreundlich ausgestaltet werden müssten, damit sie größtmögliche Akzeptanz in weiten Teilen der Bevölkerung finden. So könnte man intuitive Entscheidungen bei Worttrennung oder Getrennt- und Zusammenschreibung untersuchen.
Die normgerechte Kommasetzung ist im Deutschen deklarativ und sehr elegant von Beatrice Primus (1993, 2007) erfasst worden. Sie bindet Kommas primär an syntaktische Konzepte wie ‚Satzgrenze‘ und ‚Subordination‘. Nun gibt es allerdings ein Komma, das sich nicht ins System fügen will, das aber immer häufiger wird: das Vorfeldkomma wie in Gegen so eine starke Übermacht, konnten die deutschen Truppen nichts mehr ausrichten. Dieser Beleg stammt aus einer rezenten Abiturarbeit. Hier wird – entgegen den geltenden Rechtschreibregeln – das Vorfeld der Sätze mit einem Komma abgetrennt; es handelt sich um systematische Abweichungen von der Norm. Wir können die Faktoren, die ihre Verteilung steuern, empirisch gut erfassen. Weit weniger klar ist, ob diese Beobachtungen theoretische Konsequenzen haben sollten, und wenn ja, welche. Das soll in diesem Beitrag diskutiert werden, neben einigen anderen Problemfällen, die die Empirie der Theorie beschert.
Die Anforderungen an gegenwartssprachliche Wörterbücher beinhalten, bei der Aufbereitung der lexikalischen Informationen in Stichwortartikeln die lemmabezogenen Korrektschreibungen adäquat zu berücksichtigen. Die dazugehörigen Arbeitsgänge in der Redaktion des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache (DWDS) reichen von der Ansetzung der Nennformen in allen ggf. zulässigen orthographischen Varianten über die Anlage von Verweisen auf die einschlägige Bezugsnorm bis zur Dokumentation ausgewählter Korpusbelege mit gebrauchsfrequenten Abweichungs- und Falschschreibungen. Als besondere Herausforderungen für die lexikographische Praxis erweisen sich regelmäßig Lücken und Interpretationsspielräume in der amtlichen Regelung sowie die bei Belegrecherchen in den DWDS-Textquellen zutage tretenden Diskrepanzen zwischen orthographischer Norm und Schreibusus.
Das Ziel des Beitrages ist es, die Orthografiereform 1996–2006 in den Entwicklungsprozess der deutschen Rechtschreibung seit der Herausbildung der Einheitsorthografie einzuordnen, ihre Stellung in diesem Prozess zu kennzeichnen und ihre Ergebnisse zu benennen. Ausgehend von einer Charakterisierung der besonderen Merkmale der Orthografie als Norm der Schreibung sowie des Begriffes Orthografiereform, werden zunächst die Endphase der Herausbildung der deutschen Einheitsorthografie und ihr Abschluss durch die Orthografiereform von 1901 beschrieben. Dem folgt die Darstellung der Besonderheiten der deutschen Orthografieentwicklung im 20. Jahrhundert bis zum Jahr 1996. Ein wichtiger Bestandteil des Beitrages ist dann die Herausarbeitung der Grundlagen und Bestimmungsfaktoren einer Orthografiereform unter heutigen Bedingungen und die Anwendung dieser Grundsätze auf den Prozess der Entstehung und Umsetzung der Orthografiereform 1996–2006. Abschließend werden die Ergebnisse dieses Prozesses in vier Punkten zusammengefasst die auch gleichzeitig die Bedeutung dieser Sprachlenkungsmaßnahme in der deutschen Orthografiegeschichte kennzeichnen.
Exploration und statistisch valide Analysen annotierter Textkorpora helfen bei der induktiven Aufdeckung systematischer Schreibgebrauchsmuster. Umgekehrt lassen sich – deduktiv – Vorgaben der kodifizierten Norm (amtliches Regelwerk) quantitativ überprüfen. Wir präsentieren eine Methodik für die empirisch informierte Beschreibung orthografisch motivierter Phänomene, gehen auf prototypische Fälle ein und werfen ein Schlaglicht auf Fallstricke der Korpusnutzung für die Orthografieforschung. Abschließend skizzieren wir Funktionen und Wirkungsweisen aggregierender Visualisierungen für die Forschungskommunikation am Beispiel des amtlichen Wörterverzeichnisses.
Die Schrifttypologie beschränkte sich bisher auf eine strukturelle Klassifikation von Schriftsystemen, basierend auf der sprachlichen Korrespondenzebene von Graphemen. Aufgrund dieses engen Fokus haben die resultierenden Typologien relevante Merkmale sowie Gemeinsamkeiten verschiedener Schriftsysteme und ihres Gebrauchs nicht im Blick. Zur Erarbeitung einer umfassenden Schrifttheorie mit erklärendem Anspruch ist aber eine multiperspektivische und damit interdisziplinäre Beschreibung – und in Folge ein Vergleich – unterschiedlicher Schriftsysteme notwendig. Die Erstellung nutzbringender – sowohl struktureller als auch gebrauchsbasierter – Typologien ist hierfür eine geeignete Methode. Ihre einzelnen Schritte werden hier anhand des Beispiels der graphematischen Transparenz charakterisiert.
Der vorliegende Text unternimmt den Versuch, einen Beitrag zur grammatischen Analyse von Ellipsen zu leisten, indem kontextkontrollierte Ellipsen und Strukturellipsen konstruktionsgrammatisch verortet und interpretiert werden. In diesem Zusammenhang soll vor allem die Frage nach ihrem eventuellen Konstruktionsstatus im Mittelpunkt stehen. Wie sich zeigen wird, werden die beiden markanten Vertreter der Ellipsenwelt (Analepse und Strukturellipse) diesbezüglich unterschiedlich bewertet. Da der Phänomenbereich in beiden Hauptklassen eine Menge unterschiedlicher Formate und Typen umfasst (zu einem Überblick vgl. Hennig 2013: 447-448), kann die vorgelegte Analyse nur exemplarisch erfolgen und erhebt somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dennoch soll sie der Bedingung der Generalisierbarkeit theoretischer Annahmen insofern gerecht werden, als die beiden Hauptklassen (Analepse und Strukturellipse) genauer untersucht werden, die m. E. zwei entgegengesetzte Eckpunkte des Spektrums möglicher Ellipsen darstellen und somit in analytischer Perspektive, so auch in der konstruktionsgrammatischen Theoriebildung aus meiner Sicht besondere Aufmerksamkeit verdienen.
Das Verhältnis von Norm und Schreibgebrauch bestimmt die Orthografieforschung und den orthografischen Diskurs nicht erst seit der Rechtschreibreform 1996. Wurde der Normbegriff lange Zeit als relativ statische Größe verortet, so erhielt er durch im 21. Jahrhundert verstärkt zu beobachtende Schreibwandelprozesse signifikante Impulse für Modifikationen, die eine offenere Entwicklung einleiteten. Besonders deutlich ist dies an Fremdwörtern und insbesondere an Fremdwort-Neologismen abzulesen. So belegt die empirische Beobachtung von Anglizismen, wie soziokulturelle Entwicklungen Sprach und Schreibveränderungen bewirken. Mit Bezug auf das Amtliche Regelwerk wird gezeigt, wie ein neu herausgebildeter Usus zur Modifizierung einzelner Regeln und Schreibungen führen kann und damit auch zu einem flexibleren, dynamischeren Normbegriff.
Die empirische Untersuchung sprachlicher Variation setzt eine adäquate Datenbasis voraus, um möglichst zutreffende Schlussfolgerungen ziehen zu können. Citizen Science ist als empirischer Erhebungsansatz zunehmend in den Fokus der Sprachwissenschaft gerückt, da damit eine größere und potenziell sprachlich/sozial besser stratifizierte Datenbasis erhoben werden kann. Der vorliegende Aufsatz stellt ein Exponat vor, das 2022 auf dem Museumsschiff „MS Wissenschaft“ durch Deutschland und Österreich tourte und einer jungen Zielgruppe sprachliche Variation und sprachwissenschaftliche Forschungsmethoden näherbringen sollte. Außerdem enthielt es Citizen-Science-basierte Erhebungskomponenten, mit denen unter anderem Daten zu Schreibvarianten von Anglizismen gesammelt wurden. Hier werden erste Datenauswertungen vorgestellt und mit existierenden Forschungsdaten basierend auf Korpusanalysen verglichen.
Der Beitrag dokumentiert eine Auswahl der wichtigsten Leitlinien, die die Grundlage für die Neukonzeption und -bearbeitung des Kapitels zur Zeichensetzung im Amtlichen Regelwerk bilden. Das wesentliche Ziel der mit der Bearbeitung des Kapitels Zeichensetzung befassten internationalen Arbeitsgruppe im Rat für deutsche Rechtschreibung (RfdR) in seiner aktuellen Amtsperiode (2018–2023) bestand darin, eine für die Nutzerinnen und Nutzer deutlichere und einfachere Darstellung dieses Teils des amtlichen Regelwerks (ARW) vorzulegen ebenso wie eine systematisch an einer semasiologischen Perspektive orientierte Erfassung der Funktion und der Verwendung der Interpunktionszeichen auf der Grundlage wissenschaftlicher Weiterentwicklungen.
Vorwort
(2024)
Thema der 59. Jahrestagung des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache war vom 14. bis zum 16. März 2023 erstmals nach mehreren Jahrzehnten wieder die Orthografie des Deutschen, und zwar „in Wissenschaft und Gesellschaft“. Einen unmittelbaren Anlass dafür bildete der bevorstehende Abschluss der siebenjährigen Arbeitsphase des Rats für deutsche Rechtschreibung Ende 2023, dessen Tätigkeit das IDS seit seiner Gründung wissenschaftlich begleitet. Aber auch die Orthografieforschung selbst hat sich seit der Rechtschreibreform im Jahr 1996 in einer Weise entwickelt, dass die Wahl dieses schriftlinguistischen Querschnittsthemas angezeigt erschien.
grammis ist ein wissenschaftlich basiertes Online-Informationssystem zur deutschen Grammatik und Orthografie, das Erklärungen und Hintergrundwissen für Sprachinteressierte und Deutschlernende weltweit bietet. Neben genuin grammatischen Themen enthält es auch für das Rechtschreiblernen gewinnbringende Inhalte. Im vorliegenden Beitrag werden seine orthografischen Komponenten veranschaulicht und aktuelle Neuerungen im Zusammenhang mit seiner Integration in eine im Entstehen befindliche digitale Vernetzungsinfrastruktur für die Bildung erläutert.
Für die spezifischen Bedürfnisse der Schreibbeobachtung wurde das Orthografische Kernkorpus (OKK) als virtuelles Korpus in DeReKo entwickelt. Mit derzeit rund 14 Mrd. Token deckt es den Schriftsprachgebrauch in den deutschsprachigen Ländern im Zeitraum von 1995 bis in die Gegenwart ab. Der Zugriff über die Korpusanalyseplattform KorAP erlaubt nicht nur die Nutzung verschiedener Annotationen, sondern über die API-Schnittstellen auch die Einbindung in diverse Auswertungsumgebungen wie RStudio über den RKorAPClient und macht es so für zahlreiche Analyse- und Visualisierungsmöglichkeiten zugänglich.
In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung spielen derzeit Entwicklungen in den theoretischen und empirischen Erkenntnissen zur Orthographie(entwicklung), zum Schrift- und Orthographieerwerb und zur Orthographiedidaktik sowie aktuelle Entwicklungen im Schreibgebrauch eine zentrale Rolle. Globalisierung und Internationalisierung befördern in der gesprochenen und der geschriebenen Sprache die Aufnahme zahlreicher neuer Fremdwörter, vor allem Entlehnungen aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum, in den deutschen Fach- und Allgemeinwortschatz und damit Entwicklungen im Schreibgebrauch. Auch neue digitale Medien begünstigen veränderte, nutzungsorientierte Vermittlungsstrategien orthographischer Inhalte. Und nicht zuletzt stellt die intensiv geführte Debatte über gendersensible Schreibung unter Verwendung von Sonderzeichen (wie Asterisk oder Doppelpunkt im Wortinneren) die Schreibgemeinschaft vor Herausforderungen.
Das Amtliche Wörterverzeichnis ist ein wesentlicher Teil des für Schulen und Behörden verbindlichen Amtlichen Regelwerks, dem wissenschaftlichen Referenzwerk für die deutsche Orthografie. Dem Wörterverzeichnis kommt eine entscheidende Funktion zu: Es exemplifiziert anhand einzelner Lemmata die Anwendung der Regeln und kodifiziert darüber hinaus Einzelfälle, die aus dem Regelteil nicht eindeutig ableitbar sind. Im vorliegenden Beitrag wird die auf der Basis empirischer Schreibbeobachtung erarbeitete Neukonzeption vorgestellt, die mit der Konzentration auf prototypische Fallbeispiele repräsentative orthografische Zweifelsfälle im gegenwärtigen Wortschatz des Deutschen aufgreift, sie mit Bezug auf die geltende Norm und den Schreibgebrauch klärt, in der neuen digitalen Fassung auch visualisierend veranschaulicht und auf diese Weise aktuellem Nutzungsverhalten Rechnung trägt.
Thema der 59. Jahrestagung des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache war vom 14. bis zum 16. März 2023 erstmals nach mehreren Jahrzehnten wieder die Orthografie des Deutschen, und zwar „in Wissenschaft und Gesellschaft“. Einen unmittelbaren Anlass dafür bildete der bevorstehende Abschluss der siebenjährigen Arbeitsphase des Rats für deutsche Rechtschreibung Ende 2023, dessen Tätigkeit das IDS seit seiner Gründung wissenschaftlich begleitet. Aber auch die Orthografieforschung selbst hat sich seit der Rechtschreibreform im Jahr 1996 in einer Weise entwickelt, dass die Wahl dieses schriftlinguistischen Querschnittsthemas angezeigt erschien.
Der vorliegende Beitrag diskutiert Implikationen für die grammatiktheoretische Grundunterscheidung von Argumenten und Modifikatoren, die mit der Erweiterung einer wortbasiert-valenzgrammatischen um eine musterbasiert-konstruktionsgrammatische Analyseperspektive einhergehen. Wird Argumenthaftigkeit nicht mehr (oder nicht mehr nur) relativ zum Verb, sondern relativ zur schematischen Argumentstrukturkonstruktion bestimmt, in der ein Verb gebraucht wird, hat sich das Problem einer Unterscheidung von Argumenten und Modifikatoren damit nicht erübrigt. Dem Problem, dass eine umfassende und trennscharfe Unterscheidung von Argumenten und Modifikatoren aus Sicht des Verbs allein nicht zweifelsfrei zu leisten ist, ist damit aber zumindest die grundsätzliche theoretische Sprengkraft genommen, dass der gesamte folgende Strukturaufbau auf einer unsicheren Anfangsunterscheidung aufsetzt. Gleichzeitig stellen sich im Rahmen des konstruktionsgrammatischen Perspektivwechsels aber neue Fragen. Welche Strukturen können Anspruch auf den Status einer eigenständigen Argumentstrukturkonstruktion erheben? Was sind ihre Bedeutungen und konstitutiven Bestandteile? Unter welchen Bedingungen können sie sowohl durch bestimmte lexikalische Füller als auch durch andere ihrerseits schematische Konstruktionen instanziiert werden? Wie können Argumentstrukturkonstruktionen sowohl mit Modifikatoren als auch mit anderen Argumentstrukturkonstruktionen kombiniert werden?
The internationally renowned conference of the European Association for Lexicography (EURALEX) has taken place every two years for the past 39 years. Last year’s conference, held July 12th–16th, 2022, marked EURALEX’s 20th edition, and more than 200 international participants gathered at Mannheim Palace to discuss current developments, learn about new projects, and present their own work — either in lexicography or in one of the many applied or neighboring disciplines such as corpus and computational linguistics.
Anders als bei Sonntagspredigten haben die katholischen und evangelischen AutorInnen von Kirche in 1live nur 90 Sekunden zur Verfügung, um ihre christliche Botschaft zu vermitteln. Vorliegender Beitrag untersucht, wie die katholischen und evangelischen AutorInnen dies tun. Welche Inhalte erachten sie für relevant? Welche sprachliche Gestaltung wählen sie? Greifen katholische und evangelische AutorInnen zu den gleichen Inhalten und sprachlichen Mitteln oder zeigen sich konfessionelle Präferenzen und Differenzen? Diesen Fragen soll an einem Korpus aus Kirche in 1live-Radiopredigten aus den Jahren 2012 bis 2021 (= 2.755 Texte mit insgesamt 726.570 Token) mit einem quantitativen und qualitativen Methoden-Mix nachgegangen werden. Die Studie wird im Rahmen des DFG-Projekts „Sprache und Konfession 500 Jahre nach der Reformation“ am Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster durchgeführt.
What is the subject of German linguistics? This seemingly simple question has no obvious answer. In the ZGL’s first issue, the editors required contributions to cover the whole of the German language and to be theoretically sound but application-orientated, whereas the current ZGL-homepage defines the German language of present and history in all its differentiations as its subject matter.
Looking through the fifty volumes of ZGL, three relationships can be identified as presumably enlightening the role of language, in particular the German language: language and mind; language and language use; language and culture. Though of a different systematic type, language and data should be added as an increasingly important pairing for conceptualizing language. On this basis, I also discuss the position of linguistic studies of the German language, mirrored in the ZGL-volumes, between social, cultural and natural sciences, as well as the corresponding epistemic approaches – like explaining vs. understanding.
Der Beitrag betrachtet movierbare Personenbezeichnungen, die in einem Prädikativum mit Bezug auf ein weibliches Subjekt gebraucht werden (Typ sie ist Käufer/Käuferin). In solchen Fällen ist neben der Verwendung der movierten Personenbezeichnung auch die ihrer maskulinen Basis möglich, wobei zum tatsächlichen Gebrauch der beiden Varianten bisher widersprüchliche Angaben und kaum Daten vorlagen. Diese Untersuchung ergibt, dass die Movierung in der Prädikativkonstruktion seit dem Ahd. der Normalfall war und ist. Allerdings lassen sich einige Nischen ausmachen, in denen unmovierte Bezeichnungen etwas frequenter sind: Der mit Abstand höchste Wert findet sich bei weiblicher Selbstreferenz, während Maskulina bei weiblichen Subjekten der dritten Person Singular mit einer Ausnahme weitgehend unüblich sind. Diese Ausnahme ist der offizielle Sprachgebrauch der damaligen DDR. Öffentlichkeitsgerichtete Texte des 20./21. Jh., die nicht aus der DDR stammen, zeigen einen vermutlich gesellschaftlich bedingten Rückgang der sowieso schon seltenen unmovierten Formen ab Mitte der 1970er-Jahre.
This paper deals with a specific type of lexeme, namely binary preposition-noun combinations containing temporal references like am Ende [at (the) end] or für Sekunden [for seconds]. The main characteristic of these combinations is the recurrent internal zero gap. Despite the fact that the omission of the determiner can often be explained by grammatical rules, the zero gaps indicate a higher degree of lexicalization. Therefore, we interpret these expressions as minimal phraseological units with holistic meanings and functions. The corpusdriven exploration of typical context patterns (e.g. using collocation profiles and the lexpan slot filler analysis) shows that a) even such minimal expressions are based on semi-abstract schemes and b) temporal expressions can also fulfill modal or discursive functions, usually with fuzzy borders and overlapping structures. In the case of modalization or pragmatization one can regard such PNs as distinct lexicon entries.
Words originating from shortening, including acronyms and clippings, constitute a treasure trove of insight into phonological grammar. In particular, they serve as an ideal testing ground for Optimality Theory (OT) and its view of grammar as an interaction of markedness constraints, which express (dis-) preferences regarding phonological structure in output forms, and faithfulness constraints, which require output forms to correspond to input structure (Prince and Smolensky 1993). This is because shortenings are characterised by a sharply diminished role of faithfulness, allowing for markedness constraints to make their force felt (“The Emergence of the Unmarked”). This article aims to demonstrate the heuristic value of shortening data for testing the OT model and for shedding light on various controversies in German phonology. A particular concern is to draw attention to the need for properly sorting the shortening data, to identify influences on phonological structure due to internal domain boundaries or to special correspondence effects potentially obscuring the view on the maximally unmarked patterns.
In Dresden entsteht für den Forschungshub Digital Herrnhut der Pilot für ein agiles und multimodales Referenzkorpus der nächsten Generation (Nex-Gen Agile Reference Corpus (NARC)) in Zusammenarbeit mit der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB). Dieses Korpus (N-ARC1) wird textliche, kartografische und audiovisuelle Quellen sowie weitere Artefakte fassen, die, miteinander vernetzt, als offene Forschungsdaten (teil-)maschinell angereichert werden können und in einer virtuellen Forschungsumgebung öffentlich und nachnutzbar zur Verfügung stehen sollen. Dafür bieten die Dokumente und Spuren der Herrnhuter Brüdergemeine - eine am Beginn des 18. Jahrhundert gegründete und in nur wenigen Jahrzehnten weltumspannende Glaubensgemeinschaft - einen idealen Ausgangspunkt. Im Beitrag werde ich exemplarisch an einigen ausgewählten Beispielen aus den Themenkreisen Datenerschließung, Datenstrukturierung, -erweiterung und -vernetzung zwischen akademischer Lehre, Forschung und bürgerwissenschaftlicher Beteiligung die Herausforderungen illustrieren, vor denen wir derzeit in der Umsetzung in Dresden stehen.
Die erfolgreiche Wiederverwendung gesprochener Korpora muss fachspezifischen Evaluationskritierien genügen und erfordert daher eine flexible Korpusarchitektur, die durch multirepräsentationale (Verfügbarkeit eines akustischen Signals und einer Transliteration) und multisituationale Daten (Variabilität von Situationen bzw. Aufgaben) gekennzeichnet ist. Diese Kriterien werden in einer Fallstudie zur /eː/-Diphthongisierung polnischer Deutschlerner/-innen angewendet und diskutiert. Die Fallstudie repliziert die Ergebnisse der /eː/-Diphthongisierung bei Bildbenennungen von Nimz (2016). Vor der Wiederverwendung werden weitere fachspezifische Evaluationskriterien überprüft, wie Multisituationalität, Aufnahmequalitäten, Erweiterbarkeit, vorhandene Metadaten und vorhandene Dokumentation. Nach der Replikationsstudie werden die Herausforderungen für eine Umsetzung der Wiederverwendung bezüglich Datenmanagement, Workflows und Data Literacy in Forschungs- und Lehrkontexten diskutiert.
Der vorliegende Beitrag erörtert am Beispiel des aktuell im Aufbau befindlichen Korpus GiesKaNe (= Gie[ßen]Ka[ssel]Ne[uhochdeutsch]) grundlegende Fragen nach dem Verhältnis von Standard und Innovation bei der Erweiterung der Korpuslandschaft durch neue Korpora. Bei jedem neu zu erstellenden Korpus stellt sich die Frage, inwieweit man den bereits etablierten Standards folgt, oder ob es legitim oder vielleicht sogar notwendig ist, neue Modelle der Annotation linguistischer Kategorien zu entwickeln. In diesem Sinne bespricht der Beitrag die Grenzen einer reinen Modellübernahme mit Bezug auf das POS-Tagging in anderen historischen Referenzkorpora und mit Bezug auf TIGER als Baumbank für das Gegenwartsdeutsche. Um trotz der Arbeit mit einer innovativen Alternative dem Prinzip der Interoperabilität gerecht zu werden, wird im Beitrag die Arbeit mit maschinellem Lernen ins Spiel gebracht. Dieses ermöglicht es, aus den vorhandenen Textoberflächenmerkmalen und den vorliegenden Annotationen auch alternative Annotationsmodelle abzuleiten und mittels einer Mehrebenenannotation anzubieten, sodass ein Korpus den Anforderungen an interoperable Nutzbarkeit und wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt gleichermaßen gerecht werden kann.
Der Beitrag thematisiert den Zusammenhang von Korpusaufbereitung, Datenanreicherung und Nutzungsszenarien im Kontext des Discourse Lab, das an der TU Darmstadt und der Universität Heidelberg betrieben und in linguistischen und interdisziplinären Forschungs- und Lehrprojekten genutzt wird. Für die Diskursforschung sind Korpora genauso konstitutiv wie die Einbeziehung von Kontexten des Sprachgebrauchs in die Analyse. Daher ist die Frage nach Repräsentationsformaten von Kontexten besonders wichtig. Eine große Rolle bei der korpuslinguistischen Kontextualisierung spielen auch Annotationen. Das wird am Darmstädter-Tagblatt-Korpus, den Plenarprotokollen des Deutschen Bundestags und den Korpora der DFG-Forschungsgruppe Kontroverse Diskurse diskutiert.
Der Beitrag liefert einen Einblick in korpuslinguistische Projekte und Aktivitäten aus dem österreichischen Sprachraum. Der Fokus liegt auf zwei primär auf die Analyse gesprochener Sprache ausgerichteten Korpora (DiÖ-Korpus und WBÖ-Korpus) sowie auf dem medial wie konzeptionell schriftlich angelegten Austrian Media Corpus. Institutionell eingebettet sind die Korpora in den Spezialforschungsbereich „Deutsch in Österreich (DiÖ)“ sowie in die Aktivitäten des Austrian Centre for Digital Humanities and Cultural Heritage (ACDH-CH) an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Die theoretisch-methodologische Perspektive der Diskussion ist eine variationslinguistische, wobei sozio- und systemlinguistische Aspekte im Beitrag Berücksichtigung finden.
Dieser Beitrag stellt zwei Korpora vor, die als Datengrundlage für die Bestimmung der Regionalangaben im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) fungieren: das ZDL-Regionalkorpus und das Webmonitor-Korpus. Diese Korpora wurden am Zentrum für digitale Lexikographie der deutschen Sprache (ZDL) erstellt und stehen allen registrierten Nutzern der DWDS-Plattform für Recherchen zur Verfügung. Das ZDL-Regionalkorpus enthält Artikel aus Lokal- und Regionalressorts deutscher Tageszeitungen, die mit arealen Metadaten versehen sind. Es wird ergänzt durch regionale Internet-Quellen im Webmonitor-Korpus, die zusätzliche Areale und Ortspunkte aus dem deutschen Sprachraum einbeziehen. Die Benutzerschnittstelle der linguistisch annotierten Korpora erlaubt nicht nur komplexe sprachliche Abfragen, sondern bietet auch statistische Recherchewerkzeuge zur Bestimmung arealer Verteilungen.
Das Korpus GeWiss (Gesprochene Wissenschaftssprache kontrastiv: Deutsch im Vergleich zum Englischen und Polnischen) bietet vielfältige Möglichkeiten zur Erforschung und Vermittlung der mündlichen Hochschulkommunikation. Mit den im Projekt ZuMult entwickelten Zugangswegen zu Korpora der gesprochenen Sprache eröffnen sich für einen deutlich größeren Personenkreis umfassende Nutzungsmöglichkeiten, die sowohl für sprachdidaktische Kontexte als auch für Forschungszwecke relevant sind. In diesem Beitrag wird eine Auswahl der in ZuMult geschaffenen Werkzeuge im Hinblick auf ihr Potenzial zur Arbeit mit den GeWiss-Daten vorgestellt. Im Anschluss wird anhand von expliziten sprachlichen Positionierungsmustern aufgezeigt, wie diese Korpustools für eine sprachdidaktisch orientierte empirische Untersuchung zu den Spezifika mündlicher Wissenschaftskommunikation genutzt werden können.
Dieser Beitrag stellt ein neues, im Aufbau befindliches Parallelkorpus vor: Das ‚Parallel European Corpus of Informal Interaction‘ (PECII). Zunächst wird der Bedarf nach besser vergleichbaren Daten fur die sprachübergreifende Erforschung natürlichen sprachlichen Handelns in der sozialen Interaktion begründet. Wir diskutieren Fragen der Vergleichbarkeit von Episoden natürlicher sozialer Interaktion, und die methodologischen Herausforderungen, die Ansprüche an ein Korpus natürlicher Sprachdaten mit dem Wunsch nach vergleichbaren Daten in Einklang zu bringen. Schließlich skizzieren wir mögliche Untersuchungsansätze auf der Grundlage von PECII anhand einer laufenden Studie zur Sanktionierung von Fehlverhalten in verschiedenen Aktivitätskontexten. Zukünftig soll PECII der wissenschaftlichen Öffentlichkeit als Ressource fur die sprach- und kulturvergleichende Untersuchung sprachlichen Handelns in der sozialen Interaktion zur Verfügung stehen.
Der Beitrag illustriert die Nutzung des Forschungs- und Lehrkorpus Gesprochenes Deutsch (FOLK) für interaktionslinguistische Fragestellungen anhand einer exemplarischen Studie. Zunächst werden die Stratifikation (Datenkomposition) des Korpus, das zugrundeliegende Datenmodell und dessen Annotationsebenen sowie Typen von Untersuchungsinteressen vorgestellt, für die das Korpus nutzbar ist. Im Hauptteil wird Schritt für Schritt anhand einer Studie zur Verwendung des Formats was heißt X in der sozialen Interaktion gezeigt, wie mit FOLK relevante Daten gefunden und analysiert werden können. Abschließend weisen wir auf einige Vorsichtsmaßnahmen bei der Benutzung des Korpus hin.
Das Deutsche Referenzkorpus DeReKo dient als eine empirische Grundlage für die germanistische Linguistik. In diesem Beitrag geben wir einen Überblick über Grundlagen und Neuigkeiten zu DeReKo und seine Verwendungsmöglichkeiten sowie einen Einblick in seine strategische Gesamtkonzeption, die zum Ziel hat, DeReKo trotz begrenzter Ressourcen für einerseits möglichst viele und andererseits auch für innovative und anspruchsvolle Anwendungen nutzbar zu machen. Insbesondere erläutern wir dabei Strategien zur Aufbereitung sehr großer Korpora mit notwendigerweise heuristischen Verfahren und Herausforderungen, die sich auf dem Weg zur linguistischen Erschließung solcher Korpora stellen.
Vorwort
(2023)
Die in diesem Band versammelten Beiträge zur Jahrestagung 2022 des Instituts für Deutsche Sprache geben einen Überblick zu aktuellen Entwicklungen der Erschließung und Nutzung von Korpora in der germanistischen Linguistik und darüber hinaus. Dabei steht im Vordergrund, wie bekannte und neue Korpora für die Untersuchung verschiedenster linguistischer Fragestellungen, z.B. der Lexikografie, der Gesprächsforschung, des Spracherwerbs oder der historischen Sprachwissenschaft, genutzt werden können.
Im Einzelnen geht es um:
- Korpusangebote und Korpusdesign
- Software für die Arbeit mit Korpora
- Korpusaufbereitung
- den Zusammenhang von Korpusaufbereitung und Forschungsfragestellungen
- ethisch-rechtliche Aspekte der Arbeit mit Korpora
- Anwendungs- und Nutzungsmöglichkeiten von Korpora
Diese Fragen werden im Kontext wissenschaftstheoretischer Überlegungen zur Frage des Nutzens von Korpora für die linguistische Erkenntnisbildung behandelt. Es werden dabei sowohl klassische Schrift- und Tonkorpora, als auch Korpora mit Daten aus anderen Medialitäten (Video und Social Media) vorgestellt. Eine weitere Dimension sind Vergleichskorpora mehrerer Sprachen oder Medialitäten (mündlich vs. schriftlich) sowie diachrone (Vergleichs-)Korpora und der Blick auf nicht-deutschsprachige Korpusangebote.
Das Theonym Gott für den christlichen Gott weist im Frühneuhochdeutschen eine Reihe ungewöhnlicher grammatischer Eigenschaften auf, die in diesem Beitrag korpusbasiert untersucht werden. Zum einen hat es sich von seiner appellativischen Herkunft emanzipiert, wie beispielsweise am fehlenden Artikel deutlich wird, zum anderen nutzt es aber das für einen Namen ungewöhnliche es-Flexiv im Genitiv (Pauls, Gottes) und tritt, wie unbelebte Appellative, als Genitivattribut dominant nachgestellt auf (Haus __ Gottes). In der Schreibung bildet sich die Doppelmajuskel <GOtt> heraus, die es bis ins 18. Jh. visuell von der übrigen Lexik abhebt. Damit weist das Theonym im Frühneuhochdeutschen eine Sondergrammatik auf, in abgeschwächter Form besteht sie bis heute fort. Der Beitrag argumentiert dafür, dass es sich um ein Resultat besonderer kommunikativer Relevanz handelt.