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Vom 14. bis 16. März fand im Congress Center Rosengarten in Mannheim die 53. Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache (IDS) statt, die sich in diesem Jahr mit dem Lexikon und dessen Komplexität und Dynamik beschäftigte. Im Mittelpunkt standen neue Perspektiven auf das Lexikon und die Lexikonforschung nach der empirischen Wende, die das Bild vom Wortschatz deutlich verändert und den Blick darauf erweitert hat. Lexikontheoretiker und Lexikografen arbeiten heute u.a. mit quantitativen korpuslinguistischen Methoden und berücksichtigen Forschungsergebnisse und -methoden angrenzender Disziplinen wie der Psycholinguistik, wodurch auch neuartige Konzepte ins Blickfeld rücken. Das Inventar lexikalischer Einheiten beschränkt sich nicht mehr nur auf Wörter, sondern wurde durch konstruktionsartige Einheiten und semiabstrakte lexikalische Muster ergänzt.
Wie selbstbestimmt können wir das Internet nutzen? Wie viel wissen wir darüber,welche digitalen Spuren wir setzen und wer diesen hinterher spürt?
Wie werden die beim Surfen erzeugten Daten von Dritten weiter verwendet – mit und ohne unser Wissen? Und ist die gefühlte Nacktheit in Zeiten der digital ausspähbaren, scheinbaren Transparenz wirklich akut oder durch traditionelle analoge Denk- und Erfahrungsstrukturen geprägt?
Bauchschmerzen bei Kindern sind häufig, aber glücklicherweise meist ohne schwerwiegende Ursache. Sogar starke oder wiederkehrende Bauchschmerzen haben oftmals keinen organischen Ursprung. Dennoch erfolgt bei Kindern mit häufigen Bauchschmerzen in der Regel eine umfangreiche und für alle Beteiligten belastende diagnostische Abklärung – teilweise sogar ohne seriösen, hilfreichen Befund. Idealerweise sollte bereits im Gespräch mit einem fachkundigen Arzt deutlich werden, ob die Schmerzen somatischen oder psychosomatischen Ursprungs sind, um überflüssige und teure Untersuchungsmaßnahmen einzusparen. An dieser Stelle kommt die Gesprächsforschung zum Einsatz: Für die Unterscheidung von organischen und psychisch bedingten Anfallsereignissen konnte gezeigt werden, dass die entscheidenden Hinweise zur Diagnose nicht nur in den geschilderten Fakten liegen, sondern auch in der Art, wie die Betroffenen selbst über ihr Problem reden und mit dem Arzt interagieren. Diese Hinweise lassen sich zielgenau durch gesprächslinguistische Analysen erfassen (vgl. Opp/Frank-Job/Knerich 2015). Für epileptische vs. dissoziative Anfälle konnte dies bereits belegt und in klinischen Studien validiert werden (vgl. Schwabe/Howell/Reuber 2007). In Anknüpfung an das genannte Projekt wird in dieser Dissertation überprüft, ob und inwieweit die Befunde aus der Anfallsforschung auch auf eine andere Erkrankung und Patientinnengruppe übertragen werden können. Für diesen Zweck werden dyadische Interaktionen junger Patientinnen mit Medizinerinnen während einer spezifischen Form und Phase der Anamnese analysiert: Der analytische Kern der Arbeit thematisiert die Interaktion der Beteiligten beim zeichnerischen Umsetzen von Bauchschmerzen. Dabei zeigt sich die interaktiv hervorgebrachte Positionierung der Patientinnen zur Malaufgabe als zentral und entsprechend diagnostisch relevant: Während Patientinnen, deren Schmerzen organischen Ursprungs sind, dazu tendieren, die Malaufgabe mit redundanten Informationen pflichtgemäß zu erfüllen, neigen Patientinnen, die an funktionellen Beschwerden leiden, hingegen dazu, die Malaufgabe als Chance zur Aktualisierung der Beschwerdenschilderung zu sehen. Diese Erkenntnisse lassen sich in Form einer Diagnosetabelle zusammenfassen und konstituieren damit die Basis für einen gesprächsanalytischen Anwendungsbezug, der die medizinische Forschung und Ausbildung um ein innovatives Diagnostikverfahren bereichern kann.
„An den Ufern der Havel lebte, um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, ein Roßhändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit.“
So beginnt einer der besten Meister der deutschen Syntax Heinrich von Kleist vor zweihundert Jahren seine berühmte Novelle „Michael Kohlhaas“, die ihren Ursprung nach Angaben des Autors in einer alten Chronik aus dem 16. Jh. hat. Dieser Satz besteht aus dem zweiwertigen Verb „leben“ und drei Satzgliedern: Lokalbestimmung „An den Ufern der Havel“, Temporalbestimmung „um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts“ und Subjekt „ein Roßhändler, namens Michael Kohlhaas, Sohn eines Schulmeisters, einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit“. Da der Autor über ein Ereignis aus der Vergangenheit berichtet, nennt er, wie heute in der Zeitung üblich, gleich am Anfang den Ort, den Zeitpunkt und den Hauptakteur des Geschehens. Wir erfahren, dass der Hauptakteur „ein Roßhändler, namens Michael Kohlhaas“ ist und dazu noch einige Informationen aus seiner Biografie, mit denen bei den Lesern das Interesse an der Novelle erweckt werden sollte: „einer der rechtschaffensten zugleich und entsetzlichsten Menschen seiner Zeit“. Dass der „Roßhändler“ „Michael Kohlhaas“ heißt, wissen wir aufgrund der Bedeutung des Wörtchens namens, das diese zwei Nominalphrasen verbindet (oder auch trennt). Und um dieses Wörtchen geht es in diesem Text.
Der Beitrag behandelt eine soziale Welt der Migranten zweiter Generation in Deutschland, die sich selbst als „emanzipatorische Migranten" bezeichnen. Im Gegensatz zu Milieus, die sich ethnisch definieren und herkunftslandorientiert sind, setzen sich diese mit provokativen, ironischen und Perspektiven umkehrenden Verfahren mit Marginalisierungserfahrungen im Einwanderungsland auseinander. Der Aufsatz rekonstruiert die Entstehung dieses Milieus und zeigt auf, welche zentrale Rolle die sprachliche Orientierung dabei spielte. Als eine Ausdrucksebene des kommunikativen sozialen Stils der emanzipatorischen Migranten untersucht er ihre Praxis der Sprachvariation. Im Gegensatz zu Arbeiten, die Formen des Codeswitchings bzw. Code-mixings mit der Generationszugehörigkeit der Migranten korrelieren, zeigt er dabei die enge Verbindung zwischen Formen der Sprachvariation und Milieuzugehörigkeit auf.
This article explores how close one can come to a cultural-scientific perspective on the basis of a constitution-analytical methodology. We do this on the basis of a comparison of the celebration of Totensonntag in Zotzenbach (Southern Hesse) and Sarepta (Wolgograd). In both places, there are protestant churches that perform this ritual to commemorate the dead on this “Sunday of the Dead” as a part of their church service. Our scientific interest lies in the reconstruction of the rituality produced during the in situ execution. In both services, the names of the deceased are read out and a candle is lit for each deceased person. In Zotzenbach the priest reads out the names and an assistant ignites the candles for the deceased, whereas in Sarepta the bereaved are responsible for this. Since the ritual is organised in very different ways in terms of architecture-for-interaction (statically in Zotzenbach, spatially dynamic in Sarepta), we can reconstruct two completely different models of rituality: a demonstrative one (Zotzenbach) and a participative one (Sarepta). The demonstrative model works on the basis of a finely tuned coordination between the two church representatives and is aimed at a dignified execution. The model in Sarepta is not suitable for the production of formality due to its participatory structure. Here, however, the focus is also on the aspect of socialization, which goes beyond the church service and offers the Russian-German worshipers the opportunity to situationally constitute as a culturally homogeneous group.
Funktionsverbgefüge stehen seit jeher in der Sprachkritik, die sich nun auch auf digitale Räume ausbreitet. Vertreten wird dort die These, Funktionsverbgefüge und ihre entsprechenden Basisverben seien äquivalent und könnten in allen Kontexten durch die verbalen Entsprechungen ersetzt werden. Dies kann durch die vorliegende korpusbasierte und textlinguistische Studie am Beispiel des Gefüges Frage stellen widerlegt werden. Anhand eines extensiven Datenmaterials aus den Wikipedia-Artikel-Korpora des IDS zeige ich die semantischen, grammatischen und textlinguistischen Unterschiede zwischen dem Basisverb und dem Funktionsverbgefüge im Gebrauch auf, die sich in der Anreicherung, Verdichtung, Perspektivierung, Gewichtung und Wiederaufnahme von Informationen im Text manifestieren.
Sprache ist in der Psychotherapie nicht nur Verständigungsmittel, sondern zugleich diagnostisches und therapeutisches Instrument, und therapeutische Fragen sind dabei ein zentraler Handlungstyp. Welche Typen von Fragen vorkommen und welche Funktionen sie für das diagnostische und therapeutische Handeln haben, ist hier Gegenstand einer linguistisch-gesprächsanalytischen Untersuchung. Den Forschungskontext bildet eine Kooperation von Psychotherapeuten und Linguisten zur Weiterentwicklung von Theorie und Praxis der psychotherapeutischen Anamneseerhebung.
Anästhesiologische Aufklärungsgespräche sind obligatorischer, rechtlich vorgeschriebener Bestandteil der Operationsvorbereitung. Ärzte sind dabei verpflichtet, eine Reihe von Formalia einzuhalten, um die Einwilligung der Patienten rechtlich abzusichern. Ziele solcher Gespräche sind, narkoserelevante Informationen zum Gesundheitszustand zu ermitteln, ausreichend zu informieren und Verständnis zu sichern, eine Entscheidung über das Narkoseverfahren zu treffen und schließlich die wirksame Zustimmung einzuholen. Zur Sicherung des Verständnisses sind die aufklärenden Anästhesisten gehalten, Patienten Fragerechte anzubieten. Im Beitrag wird zunächst das Handlungsschema dieses Interaktionstyps rekonstruiert, um auf dieser Grundlage zu analysieren, wie Ärzte durch Platzierung, Sequenzierung und Formulierungsweise die Patienten er- oder entmutigen, Frageangebote wahrzunehmen. Es zeigt sich, dass Ärzte den Patienten zwar regelmäßig die Möglichkeit zu Fragen anbieten, dies aber oft gesprächsstrukturell ungünstig platzieren und durch ihre Formulierungsweise und andere Eigenschaften konterkarieren. Grundlage der Untersuchung bilden 18 Gespräche, die im Prämedikationszentrum einer großen Universitätsklinik geführt wurden.
Gerade weil das Thema der diesjährigen Arbeitstagung bereits seit einigen Jahrzehnten immer wieder Gegenstand verschiedener Forschungsrichtungen gewesen ist und heute gleichermaßen polymorph erforscht wird, sollten im Rahmen dieser Tagung aktuelle Projekte aus unterschiedlichen Disziplinen vorgestellt und interdisziplinär verhandelt werden. Das Ziel der Tagung war es, MedizinerInnen, PsychologInnen und GesprächsanalytikerInnen eine Plattform zu bieten, miteinander in Kontakt zu treten, die vorgestellten Ansätze, Erkenntnisinteressen und Methoden gemeinschaftlich zu diskutieren und dabei herauszustellen, in welchen Punkten sich diese von den eigenen unterscheiden.
Der Beitrag beschreibt ein mehrfach annotiertes Korpus deutschsprachiger Songtexte als Datenbasis für interdisziplinäre Untersuchungsszenarien. Die Ressource erlaubt empirisch begründete Analysen sprachlicher Phänomene, systemischstruktureller Wechselbeziehungen und Tendenzen in den Texten moderner Popmusik. Vorgestellt werden Design und Annotationen des in thematische und autorenspezifische Archive stratifizierten Korpus sowie deskriptive Statistiken am Beispiel des Udo-Lindenberg-Archivs.
Der Begriff der „Gattung“ wird in der Soziologie und der Sprachwissenschaft als Sammelbegriff für verfestigte, (sprachlich) ähnliche Muster mit repetitiver Frequenz zur Lösung verwandter kommunikativer Probleme gefasst (z.B. unterschiedliche moralische Gattungen, vgl. Bergmann/Luckmann (Hg.) 1999). Wenig Aufmerksamkeit wurde bislang den Gemeinsamkeiten und Unterschieden – also den Abgrenzungsmöglichkeiten – von prototypischen zu weniger prototypischen Vertretern einzelner Gattungsfamilien zuteil. Im vorliegenden Beitrag beschreiben wir anhand von authentischen Daten die sogenannten „Gassigespräche“ als spontane Kommunikation des Alltags von Hundebesitzer/innen. Außerhalb der Sprachwissenschaft werden diese primär als Hyponym des Hyperonyms „Small Talk“ subsumiert. Wir versuchen zunächst unter gattungsanalytischen Gesichtspunkten die obligatorischen und fakultativen Einheiten um ein – sofern es denn überhaupt existiert – prototypisches Zentrum von Small-Talk zu gruppieren. Anhand eines paradigmatischen Falls beschreiben wir Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf andere Gattungen, die sich im Spektrum der Alltagsgespräche – oder auch darüber hinaus – ansiedeln. Wir plädieren in der Diskussion dafür, Gattungsfamilien als mehr oder weniger verfestigte Muster mit teils wiederkehrenden Merkmalen zu sehen, die ihre Eigenschaften in Form und Funktion teilen können.
In this article, we investigate the semantics of causal modifiers headed by vor (‘with’, ‘from’) in adjectival copular sentences with sein (‘to be’). We distinguish two readings of the causal vor-phrases: a pure causal reading as in rot vor Wut (‘red with rage’), sprachlos vor Freude (‘speechless with joy’), and a causal-local reading as in rot vor Blut (‘red from blood’) or schwarz vor Menschen (‘black with people’). Based on corpus data, we provide descriptive generalisations for the use and meaning of vor and its two readings. A uniform formal semantics analysis is presented to account for both readings, according to which the meaning of vor can be captured with a cause relation between two tropes. In the case of the causal-local reading, the causing trope is interpolated via coercion from the compositionally provided concrete object. Finally, we compare vor and von (‚from‘).
On the basis of a law text corpus which consists of judicial decisions and jurisprudential papers on so-called assisted suicide from 1977 to 2011, agonal centres are determined within the paradigm of corpus-based pragma-semiotic text analysis. Agonal centres are defined as action-guiding concepts that are in conflict with each other concerning the general acceptance of event interpretations, options for actions, claims of validity, contextual knowledge and values. These action-guiding concepts are derived with the help of quantitative and qualitative methods. Discourse linguistic interpretations are thus rendered more objective with the help of semi-automatic methods; furthermore, specific discourse features of the discourse and approaches to interpretation can be derived from (un)expected linguistic significances of occurrence, distribution, frequency etc. at the linguistic surface. Finally, these agonal centres specific to the language of law are compared to agonal centres which are determined on the basis of a media corpus on the same issue. This provides a comparative insight into the constitution of a seemingly identical fact in everyday and special language, which demonstrates the sociopolitical relevance of analysing the constitution of reality as instructed by language.
Übrigens...
(1989)
The most important modern research on characteristic features and the history of language usage in Berlin are those of Agathe Lasch and Hermann Tetjchebt. Both authors disagree on the question of Upper Saxon influence on early Berlin language. As early as the end of the 18th century there was a lively discussion of problems concerning the representative standard of German pronunciation and other regional differences by teachers of Berlin grammar schools. They recommended a Northern German variant of pronunciation instead of the traditional Saxon one. The membership of the Royal Academy of Sciences gave them an occasion to find a public audience and to produce a noticeable effect.
In dem Beitrag präsentieren und diskutieren die Autoren zunächst einige Untersuchungen aus der Benutzungsforschung zu elektronischen Wörterbüchern, die sich mit der nutzerseitigen Beurteilung des Mehrwerts multimedialer und benutzeradaptiver Elemente befassen (Kap. 1. In einem zweiten Teil versuchen sie, ausgehend von den Stärken und Schwächen vorhandener Ansätze in diesem Bereich, Antworten auf die Frage zu finden, welche Anforderungen an Visualisierungstechniken und ‑strategien in elektronischen Wörterbüchern gestellt werden müssen, um einen solchen Mehrwert zu erhalten (Kap. 2). Abschließend stellen sie als praktisches Beispiel für eine mögliche Umsetzung solcher Anforderungen den Prototyp einer Software zur interaktiven Erkundung von Wortbildungsangaben im Wörterbuch vor.
Neben kurzen Bestandsaufnahmen vom Status der Prosodie in Grammatiken und in DaF-Didaktiken und -Lehrwerken wird Prosodie näher bestimmt und ihre wichtigsten Eigenschaften und Funktionen in Wort, Ausspruch und Gespräch beschrieben. Im Weiteren wird vor allem die bedeutungsgestaltende Funktion der Prosodie herausgearbeitet. Aus phonologischer Sicht sehen wir die Informationsstruktur als zentral für die Vermittlung der Prosodie an. Anhand von Akzentgruppe und Intonationsphrase wird ihre Rolle bei der rhythmischen Gliederung von Aussprüchen vorgestellt. Als weiteres Beispiel für die kommunikative Funktion von Prosodie wird ihre Rolle beim Ausdruck von Emotion behandelt.
In the course of the last years, digital lexicography has opened up a variety of avenues fostering the conceptualisation, application and use of constructicons, a type of lexicographical reference work which has revealed itself highly promising in terms of connectivity and flexibility, at the same time, however, also challenging as to its technical implementation. The present paper takes up the ambitious aim to propose some reflections as well as a first draft for a possible model of a multilingual ‘periphrasticon’ as a subtype of a bigger constructicon focusing on a specific typology-related structural feature, i. e. periphrasticity. Taking periphrastic verbal constructions in French, Italian and Spanish as a starting point, it tries to sketch out a unified constructional network including not only equivalent (or corresponding) constructions within Romance, but also establishing (formal and functional) cross-linguistic connections to German and English. Comprising the major languages available to most language learners in (at least) German-speaking environments, the model is also supposed to pave the way for multilingual constructicography which, on the one hand, is able to account for intra- and cross-linguistic relations and, on the other hand, can also prove a valuable tool for language learning and use.
Bezeichnungen für Personen, die sich nicht in ihrem Heimatland aufhalten (z.B. Migrant, Ausländer, Flüchtling) werden in der Sprachgemeinschaft häufig wertend und kontrovers verwendet. In dem Beitrag wird gezeigt, dass die allgemeinsprachige Lexikografie diesen Aspekt bislang nicht angemessen berücksichtigt – weder in der korpusgestützten, methodischen Erfassung und Analyse von Sprachdaten noch in der beschreibenden Darstellung. Am Beispiel von elexiko werden Ansätze vorgestellt, die das Potenzial besitzen, dieses Desiderat einzulösen.
Das Verhältnis zwischen Sprache und Denken hat zahlreiche Aspekte. Häufig wird darunter die Frage verstanden: Wie beeinflußt eine gegebene Sprache, speziell ihr Wortschatz, die Abbildung der objektiven Realität im Bewußtsein der Menschen, die diese Sprache sprechen? Ich will die Problematik von einer anderen Warte aus betrachten. Der Wortschatz natürlicher Sprachen ist ein durch sprachliche Bezeichnungen fixiertes Begriffsarsenal beträchtlichen Umfangs. Weshalb besteht dennoch die nicht zu übersehende Tendenz zu seiner ständigen Ausweitung und Veränderung? Eine Beantwortung dieser Frage schließt Auskünfte darüber ein, welche Prinzipien die Erweiterung von Lexika natürlicher Sprachen steuern.
Diese sehr umfangreiche Fragestellung kann hier nur angedeutet werden. Ich werde mich auf Gesichtspunkte beschränken, die mit Wortbildungsmitteln des Deutschen verbunden sind. Ich bin mir dessen bewußt, daß dieser Blickwinkel nur in begrenztem Maße allgemeinere Aussagen zuläßt. Sprachvergleichende Betrachtungen wären notwendig, um zu umfassenderen und fundierteren Thesen zu gelangen. Mein Beitrag will als Sammlung von Beobachtungen und Hypothesen für eine genauere Untersuchung des im folgenden näher zu charakterisierenden Gebiets verstanden werden.
Die Artefaktbezeichnungen im Deutschen weisen, wie viele andere sprachliche Ausdrücke auch, eine vom Kontext abhängige Bedeutungsvariation auf, die sich nach systematisch wiederkehrenden Mustern gestaltet. Ein Ziel dieser Untersuchung ist es, herauszufinden, wie diese Bedeutungsvariation zustande kommt und welche semantischen Relationen oder Merkmale das Bindeglied zwischen den einzelnen Varianten der Wortbedeutung bilden. So lässt sich auch der Grad an Systematizität oder Regelhaftigkeit der Polysemie genauer bestimmen. Die Bedeutungsvariationen bei Artefaktbezeichnungen werden hier im wesentlichen als Fälle von metonymischer Bedeutungsverschiebung behandelt. Den Ausgangspunkt der Analyse bildet dabei eine unterspezifizierte semantische Form der sprachlichen Ausdrücke, die mit Hilfe verschiedener inferenzieller Verfahren und unter Einbeziehung von Kontext und Weltwissen schrittweise angereichert und modelliert wird.