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Early New High German N+N compounds are notoriously difficult to identify. This is mostly due to formally similar or identical pronominal genitive constructions. Furthermore, what looks like a noun at first glance might sometimes be an affixoid, an adjective or a verb stem. The precise identification of compounds is not only relevant for researchers concerned with word-formation. It has consequences for corpus lemmatisation, lexicography and our understanding of the noun phrase, to name just a few areas. Compound identification has been tackled before (mostly by Pavlov [1983] and NITTA [1987]), but modern corpus linguistics allows for a better assessment of all factors involved. This paper reevaluates and outlines strategies to identify Early New High German compounds, aiming to serve as an easily adaptable guideline for future research.
Present-day German uses two formally different patterns of compounding in N+N compounds. The first combines bare stems (e.g. Tisch+decke ‘tablecloth’) while the second contains an intervening linking element (LE) as in Geburt-s-ort ‘birth-LE-place’. The linked compounding type developed in Early New High German (1350–1650) from phrasal constructions by reanalyzing genitive attributes as first constituents of compounds. The present paper uses corpus data to explore three key stages in this development: In the initial stage, it shows how prenominal non-specific genitive constructions lent themselves to reanalysis due to their functional overlap and formal similarity. Additionally, compounds seem to have replaced not only prenominal genitives, but also structurally different postnominal genitives. In the second stage, the new compounding pattern increases in productivity between 1500 and 1710, especially compared to the older pattern without linking elements. The last stage pertains to changes in spelling practice. It shows that linked compounds were written separately in the beginning. Their gradual graphematic integration into directly connected words was reversed by a century of hyphenation (1650–1750). This is strikingly different from present-day spelling practice and shows that the linked pattern was still perceived as marked.
The present paper explores the change in distribution and potential function as well as the interplay of two phenomena that occur at the internal boundaries of nominal compounds, namely linking elements and hyphenation. About 40% of present-day German compounds contain a linking element, most prominently -s- (e.g. Geburt-s-ort ‘birth place’). Numerous theories have been brought forward to explain its function, two of which are examined here: It will be shown that the linking-s tends to mark morphologically complex constituents while the assumption that it prefers marked phonological words cannot be corroborated.
Linked compounds in present-day German use hyphenation, a strategy that is mostly employed with graphematically or phonologically marked constituents, at a much smaller rate than unlinked compounds. In Early New High German (ENHG, 1350-1650), when the linked type arose by reanalyzing prenominal genitive attributes as first constituents of compounds, the reverse held true: Linked compounds underwent a gradual graphematic integration from separate writing into directly connected words which was partly reversed by a century of hyphenation (1650-1750). While hyphenation also occurred with unlinked compounds, the linked compounds show a striking preference with hyphenation rates reaching a peak at around 90%. It will be argued that ENHG hyphenation had the same function it has today, namely structuring constituents that are perceived as marked: The change in spelling between ENHG and today reflects the integration of a formerly syntactic and thereby marked pattern into word-formation.
Die vorliegende Studie zeigt datenbasiert, wie N+N-Komposita mit Fugenelementen im Frühneuhochdeutschen durch Reanalyse aus pränominalen Genitivkonstruktionen entstehen und in der Folge ein bestehendes Wortbildungsmuster verändern. Für den Hauptuntersuchungszeitraum (1500–1710) werden alle relevanten Konstruktionen in einem ausgewogenen Textkorpus identifiziert und analysiert. Dabei zeigt sich, dass durch den neuen, verfugenden Kompositionstyp morphologische Restriktionen des Erstglieds fallen: Das Muster öffnet sich nun z.B. auch für suffigierte Substantive. In der Folge nimmt die Produktivität von N+N-Komposita quantitativ wie qualitativ deutlich zu. Hier lässt sich der Ausgangspunkt der heutigen „Kompositionsfreudigkeit" des Deutschen ausmachen. Im Zentrum des Untersuchungsinteresses steht in diesem Zusammenhang die unparadigmische s-Fuge (Religion-s-wesen), die als Indikator für einen eigenständigen Wortbildungsprozess dient. Bestehende und neue Ansätze zu ihrer Genese werden datenbasiert evaluiert. Hieraus ergibt sich ein Vorschlag zur (temporären) Funktion der s-Fuge. Die Studie überprüft schließlich, ob sich der neue Kompositionstyp als Fall von Grammatikalisierung, Degrammatikalisierung oder Exaptation beschreiben lässt.
Dieses Kapitel untersucht das Verhältnis von Genitivattributen und Präpositionalattributen mit von im Deutschen datenbasiert. Im Zentrum steht dabei die Frage danach, unter welchen Bedingungen die beiden Konstruktionen miteinander variieren können. Neben funktionaler Äquivalenz, die z. B. bei von-Attributen mit starker lokativischer oder ablativischer Semantik nicht gegeben ist, stellt dabei auch das Vorhandensein flektierender Elemente in der Attributsphase eine wichtige Voraussetzung dar.
Der Beitrag betrachtet movierbare Personenbezeichnungen, die in einem Prädikativum mit Bezug auf ein weibliches Subjekt gebraucht werden (Typ sie ist Käufer/Käuferin). In solchen Fällen ist neben der Verwendung der movierten Personenbezeichnung auch die ihrer maskulinen Basis möglich, wobei zum tatsächlichen Gebrauch der beiden Varianten bisher widersprüchliche Angaben und kaum Daten vorlagen. Diese Untersuchung ergibt, dass die Movierung in der Prädikativkonstruktion seit dem Ahd. der Normalfall war und ist. Allerdings lassen sich einige Nischen ausmachen, in denen unmovierte Bezeichnungen etwas frequenter sind: Der mit Abstand höchste Wert findet sich bei weiblicher Selbstreferenz, während Maskulina bei weiblichen Subjekten der dritten Person Singular mit einer Ausnahme weitgehend unüblich sind. Diese Ausnahme ist der offizielle Sprachgebrauch der damaligen DDR. Öffentlichkeitsgerichtete Texte des 20./21. Jh., die nicht aus der DDR stammen, zeigen einen vermutlich gesellschaftlich bedingten Rückgang der sowieso schon seltenen unmovierten Formen ab Mitte der 1970er-Jahre.
Das praxonymbildende Konfix -gate zur Benennung von Skandalen nimmt sowohl im Deutschen als auch im Englischen einen Sonderstatus ein: Es ist in beiden Sprachen eines der wenigen onymischen Wortbildungselemente und hat eine hohe Produktivität. Dennoch wurde das Konfix bislang in der Onomastik nicht, in der Wortbildung nur unsystematisch erforscht und diskutiert. Ausgehend von der Beobachtung, dass -gate nach der politisch brisanten Watergate-Affäre in den 1970er Jahren zunächst für größere politische Skandale, heute jedoch überwiegend zur Benennung trivialer und medial aufgebauschter Skandale verwendet wird (Eierlikör-Gate, Watsch’n- Gate), gehen wir in diesem Beitrag linguistischen Fragen dieser Trivialisierung nach. Dazu fokussiert unsere korpusbasierte Analyse auf die diachrone Entwicklung der verwendeten Erstglieder (Onyme vs. Appellative), sowie die Korre-lation dieser Benennungsstrategien mit unterschiedlichen Skandaltypen (politisch, gesellschaftlich, boulevardesk) und diskutiert Parallelen und Divergenzen zwischen beiden Sprachen. Als Konfix mit besonders hoher Onymizität weist -gate Vorteile gegenüber weniger onymischen Konkurrenzbezeichnungen (-affäre/-Skandal) auf, da auch Ereignisnamen mit appellativischen Erstgliedern eindeutig als Praxonyme erkennbar sind. Appellativische Erstglieder sind wiederum besonders geeignet für triviale Skandale. Direkte Folge der Trivialisierung ist ein deutlicher Typenanstieg bei niedriger Tokenfrequenz. Die semantischen Entwicklungen sind in beiden Sprachen zu beobachten, verlaufen im Deutschen allerdings sichtbar zeitlich verzögert. Die Hauptunterschiede liegen in der deutlicheren Trivialisierung von -gate im Deutschen einerseits sowie einer weniger ausgeprägten Korrelation von Appellativen und Trivialität im Englischen andererseits; letzteres kann darauf zurückgeführt werden, dass Appellative im Englischen vor allem in den 1990ern der Unterscheidung zwischen einer Vielzahl an politischen Skandalen dienten. Insgesamt lassen sich an –gate relevante Fragestellungen sowohl der Onomastik als auch der Wortbildungs- und Lehnwortforschung diskutieren.
Deutsche Genitivattribute benötigen eine hinreichend overte Kasusmarkierung an abhängigen Wortarten (Determinierern, Adjektiven), mitunter in Kombination mit einer Markierung am Genitivnomen selbst. Wenn die Struktur der Attributsphrase solche Markierungen unmöglich macht, wird eine Präpositionalphrase mit von genutzt. Es gibt allerdings eine Reihe von Grenzfällen, die Genitivgebrauch erlauben, obwohl keine hinreichende Markierung möglich ist. Die vorliegende Studie liefert zu drei solchen Fällen empirische Daten: 1. Fälle, wo der unflektierte Wortstamm des Adjektivs oder des Genitivnomens einem Genitivsuffix gleicht („Pseudoflexion“), 2. Fälle, wo Determinierer und Genitivnomen schwach flektiert werden („doppelt schwache Flexion“) und 3. Fälle, wo die Determiniererposition durch einen weiteren, pränominalen Genitiv besetzt ist, der keine Kongruenz aufweisen kann („verschachtelte Genitivattribute“). Anhand umfassender Korpusuntersuchungen kann so eingeschätzt werden, welche Rolle diese Grenzfälle im System der deutschen Standardsprache spielen.
Dieses Kapitel untersucht die Stellung adnominaler Genitive im Deutschen. Die Stellungsvariation besteht fast ausschließlich für artikellose Eigennamen, weshalb diese im Zentrum der Analyse stehen. Auf Basis von Korpusdaten kann gezeigt werden, dass die Faktoren Belebtheit und Länge des Attributs sowie Kasus der Gesamtphrase einen großen Teil der Variation erklären.
This paper studies the morphological productivity of German N+N compounding patterns from a diachronic perspective. It argues that the productivity of compounds increases due to syntactic influence from genitive constructions (“improper compounds”) in Early New High German. Both quantitative and qualitative productivity measures are adapted from derivational morphology and tested on compound data from the Mainz Corpus of (Early) New High German (1500–1710).