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Anhand einer Auswahl historischer Reden je dreier prominenter Deutscher und Polen wird eine signalphonetisch gestützte sprachvergleichende Analyse der glottalen Markierung vokalinitialer Wörter durchgeführt.
Generell erweist sich die glottale Markierung als variabel entlang eines Kontinuums zwischen einem echten glottalen Verschlusslaut (harter Stimmeinsatz) des Initialvokals über zeitlich nicht exakt koordinierte Glottalisierungen (Knarrstimme) und leichte Reflexe im Grundfrequenzverlauf bis hin zum völligen Fehlen einer Markierung.
Insgesamt zeigen sich im Polnischen gegenüber dem Deutschen seltener glottale Markierungen sowie eine sprachübergreifende schwache Abhängigkeit der Markierungshäufigkeit vom Sprechtempo (weniger bei Sprechtempoerhöhung).
Die Auftretenshäufigkeit glottaler Markierung wird sprachabhängig zudem durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst: Für das Deutsche zeigen sich signifikante Einflüsse sowohl des Worttyps (Inhaltswörter mit häufigerer Markierung gegenüber Funktionswörtern) als auch der Betonung (betonte Silben mit häufigerer Markierung gegenüber unbetonten), während im Polnischen hier kein Einfluss sichtbar ist. Dafür zeigt das Polnische gegenüber dem Deutschen einen signifikanten Einfluss der Position innerhalb der Phrase (häufigere glottale Markierung in phraseninitialen im Gegensatz zu phrasenmedialen Wörtern). Diese sprachspezifischen Unterschiede können mit den prosodischen Charakteristika beider Sprachen Zusammenhängen. Im Unterschied zum Deutschen mit einem freien Wortakzent fällt dieser im Polnischen auf die Penultima, ist somit vorhersagbar und bedarf demzufolge keiner zusätzlichen glottalen Markierung im Sprachsignal.
Beide Sprachen hingegen zeigen übereinstimmend einen klar ausgeprägten Effekt der Vokalhöhe auf das Auftreten der glottalen Markierung (tiefe Vokale > mittlere Vokale > hohe Vokale).
Moderne Grammatiktheorien sind statisch, d.h. skriptizistisch und synchronizistisch. Dies bedeutet, dass deren Beschreibungsapparat auf die Strukturen gegenwärtiger Schrift- und Standardsprachen zugeschnitten ist. Im Beitrag wird für einen dynamischen, d.h. nichtskriptizistischen und nichtsynchronizistischen, Perspektivenwechsel in der Grammatikforschung plädiert, der auf folgenden empirisch fundierten Überlegungen basiert:
1. Literalisierung ist eine kulturelle Universalie, die kognitiv verankert ist.
2. Es sind unterschiedliche Phasen der Literalisierung zu unterscheiden.
3. Literalisierung im Allgemeinen und die Phasen der Literalisierung im Besonderen haben Konsequenzen für die grammatische Struktur.
4. Die Interpretation von grammatischen Strukturen ist nur vor der Folie der jeweiligen Phase der Literalisierung möglich.
5. Ein dynamisches Grammatikmodell muss das historische Verhältnis auch begrifflich abbilden. Dies wird an zentralen grammatischen Konzepten wie Aggregation vs. Integration, Wortgruppe vs. Phase und an der Wortstellung (Verbklammer, Stellungsfeldermodell, Satzrandglieder) veranschaulicht.
6. Historisch ist von einem dynamischen Verhältnis von Online- und Offlinesyntax, von syntaktischer Zeitlichkeit und syntaktischer Räumlichkeit, auszugehen. Was zu einer bestimmten Zeit und in einer bestimmten Varietät als Onlinestruktur zu interpretieren ist, hängt von dem jeweiligen historischen Verhältnis von Online- und Offlinestrukturen ab.
Discourse metaphors
(2008)
The article introduces the notion of discourse metaphor, relatively stable metaphorical mappings that function as a key framing device within a particular discourse over a certain period of time. Discourse metaphors are illustrated by case studies from three lines of research: on the cultural imprint of metaphors, on the negotiation of metaphors and on cross-linguistic occurrence. The source concepts of discourse metaphors refer to phenomenologically salient real or fictitious objects that are part of interactional space (i.e., can be pointed at, like MACHINES or HOUSES) and/or occupy an important place in cultural imagination. Discourse metaphors change both over time and across the discourses where they are used. The implications of focussing on different types of source domains for our thinking about the embodiment and sociocultural situatedness of metaphor is discussed, with particular reference to recent developments in Conceptual Metaphor Theory. Research on discourse suggests that situatedness is a crucial factor in the functioning and dynamics of metaphor.
This chapter describes the resources that speakers of Polish use when recruiting assistance and collaboration from others in everyday social interaction. The chapter draws on data from video recordings of informal conversation in Polish, and reports language-specific findings generated within a large-scale comparative project involving eight languages from five continents (see other chapters of this volume). The resources for recruitment described in this chapter include linguistic structures from across the levels of grammatical organization, as well as gestural and other visible and contextual resources of relevance to the interpretation of action in interaction. The presentation of categories of recruitment, and elements of recruitment sequences, follows the coding scheme used in the comparative project (see Chapter 2 of the volume). This chapter extends our knowledge of the structure and usage of Polish with detailed attention to the properties of sequential structure in conversational interaction. The chapter is a contribution to an emerging field of pragmatic typology.
"Sprachschrott" [Leserforum]
(1988)
Mit diesem Bild beschreibt Hermann Unterstöger in einem „Sprachlabor“- Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 23.3.2013 die Erfolgsgeschichte, die das Substantiv (das) Narrativ in den letzten 30 Jahren vorgelegt hat. Während Unterstöger feinsinnig den intertextuellen Bezug zum „Narrenschiff“ des Sebastian Brant oder dem gleichnamigen Roman von Katherine Ann Porter bemüht, wird Matthias Heine, der Autor von „Seit wann hat geil nichts mehr mit Sex zu tun? 100 deutsche Wörter und ihre erstaunlichen Karrieren“ in einem Artikel in der WELT vom 13.11.2016, wie nach diesem Buchtitel zu erwarten, eher grob: Dort heißt es: „Hinz und Kunz schwafeln heutzutage vom ,Narrativ‘“.
In German there are about twenty-five elements (like gemäß, nahe, voll) that seem to be used as a preposition along with their use as an adjective. In former approaches the preposition is interpreted as the product of grammaticalizing (and/or reanalyzing) the adjective. It is argued that the two criteria these approaches rely on, namely change of linear position and change of case government, are insufficient. In this paper, seven criteria for distinguishing adjectives form prepositions in German are put forward. What is most important is that these criteria have to be evaluated on the token level as well as on the level of type and word class/syntactic category. It can be shown that the individual ‘adjective-prepositions' as types possess a specific mixture of adjective-like and preposition-like features. On the token level, occurring as part of a postnominal restrictive attribute is indicative for preposition-like status in German. The comparison of German with English and Italian adjective-prepositions (like near, far, due and vicino, lontano) reveals a lot of differences, which counts as evidence for the language-specific nature of word classes. Nevertheless, Lehmanns functional-typological approach uncovers a fundamental functional similarity between complement governing adjectives and prepositions: the primary function of the phrases, i.e., adjective/preposition + complement, is to modify a nominal or a verbal concept, respectively. This insight explains why adjective-prepositions can be found cross-linguistically. The question whether we should propose one type or two types for gemäß and its cognates is of minor importance only.
Eigennamen sind besondere Sprachzeichen; sie heben sich semantisch, pragmatisch, zum Teil auch grammatisch von appellativischen Nomina (Gattungsnamen“) ab. Der Sonderwortschatz an Eigennamen (Personennamen wie Rainer oder Gisela, Ortsnamen wie Rom oder Deutschland) deckt den Benennungsbedarf keineswegs ab. Für weniger prototypische Namensträger werden häufig konventionelle Sprachmittel zum Eigennamen umfunktioniert. Der Beitrag beschäftigt sich mit nominalen Konstruktionen, mit denen künstlerische Werke (Beispiele: „Der englische Patient“, „Hundejahre“) und Gasthäuser (Beispiele: „Goldener Stern“, „Zum Ritter“) benannt werden. Die semantische Transposition, so die These des Beitrags, kann zu grammatischen Konflikten führen. Einerseits soll der Name möglichst an seiner unverwechselbaren Gestalt wiedererkennbar sein und sich daher z.B. gegenüber flexivischen Veränderungen resistent zeigen, andererseits soll er wie jeder andere Ausdruck syntaktisch in seine Umgebung eingepasst werden. Unterschiedliche Strategien der Konfliktlösung werden anhand von Belegen demonstriert und interpretiert. Der konkrete Beispielfall illustriert gleichzeitig, wie man sprachlichen Regeln auf unsicherem Terrain folgen kann, mitunter auch haarscharf an der Norm vorbei.
Von Bush administration zu Kohl-Regierung: Englische Einflüsse auf deutsche Nominalkonstruktionen?
(2010)
Ausgangspunkt ist die z. B. von Hawkins und König vertretene These, kontrastive Grammatikschreibung sei das ,Komplement‘ der Typologie, die auf dem Hintergrund des Projekts „Grammatik des Deutschen im europäischen Vergleich" einer kritischen Prüfung und Modifikation unterzogen wird. Als Exemplifikation werden zwei Phänomenbereiche der deutschen und der rumänischen Grammatik, vor allem nach Maßgabe ihrer Darstellung in der deutsch-rumänisch kontrastiven Grammatik, vergleichend untersucht: die Kategorie des Genus und die Markierung syntaktischer Funktionen durch Kasusdifferenzierung oder andere Mittel, insbesondere die ,differentielle Objektmarkierung'. In beiden Fällen kann gezeigt werden, dass typologische Generalisierungen, etwa die mögliche Struktur von Genussystemen oder Hierarchien wie die Belebtheits- und die Definitheitshierarchie betreffend, dem kontrastiven Vergleich zu mehr Erklärungskraft verhelfen.
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit zwei zentralen Fragen, denen sich die wissenschaftliche Grammatikographie zu stellen hat: der Frage nach ihrem Verständnis von .Sprache' und der Frage nach dem Verhältnis von Standard bzw. grammatischem System und grammatischer Norm. Im ersten Teil werden jeweils zwei verschiedene Ausprägungen von zwei Grundpositionen vorgestellt: „Es gibt eine Sprache hinter dem Sprechen“ mit dem generativen Konzept der Kompetenz und dem strukturalistischen der langue und „Es gibt keine Sprache hinter dem Sprechen“ mit der konstruktivistischen Idee der .Emergenz' von Sprache aus dem Sprechen und dem Rückzug auf die Auswertung von Korpora. Es wird nicht nur aus pragmatischen Gründen dafür plädiert, dass die Grammatikschreibung sich an die Konzeption von Einzelsprachen als gesellschaftlich gültige Regelsysteme hält. Im zweiten Teil wird untersucht, auf welche Weise sich Grammatiken dem „Systemgerechten“ nähern können. Am Beispiel des „Markiertheitsabbaus“ in der schwachen Flexion maskuliner Substantive wird eine moderat strukturalistische Hypothesenbildung, bei der das deutsche Flexionssystem als labile Ordnung erscheint, vorgeführt. Der Umgang von Grammatiken mit dem Verhältnis von Standardsprache, System und Norm wird an weiteren morphologischen und syntaktischen Phänomenen nachgezeichnet. Die stärkere Sensibilisierung der Grammatikschreibung für Normabstufungen, die Offenheit und Flexibilität des Systems wird herausgestellt.
Possessivum
(2007)
Gegenstand des Vortrags ist das Projekt "Grammatik des Deutschen im europäischen Vergleich" der Abteilung Grammatik des IDS. Mit dem Projekt wird eine innovative Form der vergleichenden Grammatikschreibung realisiert, die a) sprachtypologisch fundiert ist, b) statt eines bilateralen Vergleichs das Deutsche mit einem breiten Spektrum europäischer Sprachen (mit den Kernkontrastsprachen Englisch, Französisch, Polnisch und Ungarisch) kontrastiert und c) die grammatischen Strukturen des Deutschen auf diesem Hintergrund expliziter herausarbeitet. In dem Vortrag werde ich das Projekt mit seinen beiden gegenwärtigen Teilprojekten "Grammatik des Nominals" und "Wortphonologie" vorstellen.
Das Projekt „Grammatik des Deutschen im europäischen Vergleich“, das derzeit am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim durchgeführt wird, soll durch die Berücksichtigung sprachtypologischer und im europäischen Rahmen kontrastiver Einsichten einen innovativen Zugang zur Grammatik des Deutschen erschließen. Die Berücksichtigung dieser grammatischen Außenperspektive soll auch als Grundlegung für anwendungsbezogene Grammatiken im Bereich Deutsch als Fremdsprache genutzt werden können. Die Erkenntnis der „arealen Typologie“, daß viele europäische Sprachen, unabhängig von ihrer genetischen Zugehörigkeit, grammatische Gemeinsamkeiten aufweisen, kann das europäische Sprachenbewußtsein und damit die kulturelle Identität fördern; in diesen kulturpolitischen Kontext ist auch das IDS-Projekt zu stellen. Die Konzeption des Projekts mit den zentralen Beschreibungskategorien funktionale Domäne’ und ,Varianzparameter’ wird vorgestellt und an Phänomenen aus dem gegenwärtigen Arbeitsschwerpunkt „Grammatik des Nominals“ erläutert.
Plural und Pluralität im Sprachvergleich, insbesondere zwischen dem Deutschen und dem Ungarischen
(2004)
Leitfrage des Beitrags ist: Was kann der Blick von außen, insbesondere der Blick aus der Perspektive europäischer Sprachen für die grammatische Beschreibung des Deutschen erbringen? Als Exemplifikationsbereich im Für und Wider wird die Grammatik der Pronomina herangezogen, primär die der Personal- und Reflexivpronomina. Dieser Beispielbereich geht ebenso wie das Vortragsthema insgesamt auf das Projekt „Grammatik des Deutschen im europäischen Vergleich“ (GDE) zurück, an dem derzeit in der Abteilung Grammatik des IDS gearbeitet wird. Dreh- und Angelpunkt aller sprachvergleichenden Unternehmungen ist die Frage nach dem tertium comparationis. Es wird dafür plädiert, ‚funktionale Domänen‘ als Anfangstertium zu bestimmen. Diese dienen als Einstieg in eine Methodologie der fortschreitenden Form- und Funktionsdifferenzierung'. Der erhoffte Mehrwert für unser Wissen über das Deutsche - so die These - verteilt sich auf die allgemeine Sprachtypologie und auf den Vergleich mit europäischen „Nah“- Sprachen. Der Blick auf das typologische Spektrum insgesamt sensibilisiert für Fakten, die im europäischen Raum nur indirekten Niederschlag haben. Der Kontrast mit Sprachen wie dem Polnischen, Ungarischen usw. bringt auch dort, wo große Übereinstimmung zu bestehen scheint, die nötige Feindifferenzierung und schärft den Blick für die Besonderheiten im Detail. Pronominale Beispiele für die Fallstricke der einzelsprachlichen Grammatik, etwa Formen von Über- und Untergeneralisierung, sollen das Plädoyer für eine Europäisierung der Grammatik abrunden.