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Viele deutschsprachige Germanisten, hieß es in der Einladung zu dieser Jahrestagung, „haben einen Hang zur Binnenperspektive, zur Betrachtung der deutschen Sprache und Literatur aus der Sicht der ‚Eigentümer‘ […]. Diese eingeschränkte Sicht auf die Sprache lässt sich durch den Blick von außen […] erweitern und relativieren.“ Diesem Ziel näherten sich die fünfzehn Referentinnen und Referenten aus unterschiedlicher Richtung, wobei jedoch nicht unbedingt sprachstrukturelle, sprachvergleichende oder sprachdidaktische Fragen im Zentrum des Interesses stehen mussten, sondern auch sprach(en)politische Probleme das Referat dominieren konnten.
Das Wörterbuch im Visier : Hermann Pauls systematische Arbeit : 100 Jahre Deutsches Wörterbuch
(1997)
Entnazifizierung wird fur die Kommunikationsbereiche Zeitkritik / Parteien / Kirche, Administration / Justiz sowie im Zusammenhang mit Spruchkammerverfahren beschrieben und als Teil einer Text-, Begriffs- und Mentalitatsgeschichte verstanden. Die Geschichte der Entnazifizierung ist im wesentlichen Schuldgeschichte, so da!3 sich deren sprachlicher Ausdruck als Teil der deutschen Sprachgeschichte als Begriffsgeschichte darstellt. Intellektualisierung, Instrumentalisierung, sprachlicher Eskapismus und Auflosung sind Merkmale des Schulddiskurses, zu denken auf einer Zeitachse von 1945 bis etwa 1955. Die Untersuchung zeigt, dass der Schuldbegriff in drei Einzelbedeutungen - festgelegt von Philosophic / Kirche / Parteien, von der Administration und Justiz und von den Tatern - zerlegt bleibt. Der entleerte Schuldbegriff der Tater dominiert die offentliche Wahmehmung, und insofern das Befreiungsgesetz hierfiir die Voraussetzungen schafft, ist dieses als Teil der deutschen Sprachgeschichte zu beschreiben.
Sprachgeschichte - Zeitgeschichte - Umbruchgeschichte. Sprache im 20. Jahrhundert und ihre Forschung
(2008)
Als Umbruchgeschichte verstandene Sprachgeschichtsschreibung ist weder theoretisch noch empirisch ein entwickelter Untersuchungsbereich, zumal fehlen Kategorien, die Sprachumbruch und Sprachwandel voneinander abgrenzen und zueinander in Beziehung setzen. Der Beitrag wirbt für ‚Umbruch’ als eine Perspektive der Sprach(gebrauchs)geschichte des 20. Jahrhunderts. Sprachliche Umbruchgeschichte, deren Erkenntnisziel auf die initialen Momente sprachlicher Veränderung gerichtet ist, steht in der Tradition der kulturwissenschaftlichen Linguistik. Sie stellt die Frage nach den sprachlichen Auswirkungen plötzlicher und umfassender gesellschaftlicher Veränderungen, vice versa: Sie bindet diese Veränderungen an sprachliche Verschiebungen. Damit ist sie eingelassen in handlungs- und kommunikationstheoretische Paradigmen der pragmatischen Sprachgeschichte. Im Zentrum des hier vorzustellenden Forschungskonzepts einer sprachlichen Umbruchgeschichte steht methodisch der diskursanalytische Ansatz, der nicht nur erklären kann, wie die gesellschaftliche Verfasstheit und sprachliche Verschiebungen Zusammenhängen, sondern auch, wann sich solche Verschiebungen diskursiv manifestieren diese Frage ist essentiell im umbruchgeschichtlichen Kontext. Dieser Ansatz wird im Sinn von analytischen Leitideen ausbuchstabiert. Den Schluss bildet die tentative Verdichtung der Überlegungen zu einem Modell eines sprachlichen Umbruchs.
"Übergesetzliches Recht". Reflexionen nationalsozialistischen Unrechts in der frühen Nachkriegszeit
(2002)
Urteilsbegründungen sind zeit- und damit sprachgeschichtliche Dokumente. Sie sind Psychogramme der Gesellschaft eines Staates. In der ersten Nachkriegsdekade reflektieren sie die zwei Seinsformen des deutschen Gemeinwesens bis und ab 1949. Der Beitrag rekonstruiert vor diesem Hintergrund richterliche Selbstprofile, welche die Rechtsprechung der ersten Nachkriegsdekade bestimmen, um anschließend an drei Beispielen der Frage nachzugehen, wie es möglich ist, dass ein Richter im Rahmen einer konzisen Argumentation dasselbe Argument abweist, das ein anderer Richter, ebenso konzis argumentierend, akzeptiert. Die Theoretische Grundlegung dieser Untersuchung besteht – ihrem Erkenntnisinteresse und vor allem der Beschaffenheit der untersuchten Textsorte ,Gerichtsurteil‘ folgend – aus einem Ensemble argumentations- und konzeptanalytischer Aspekte: Urteilsbegründungen sind ihrem Zweck nach argumentierende Texte, die im Argumentieren Schuldkonzepte realisieren. Überlegungen hierzu sind der Untersuchung vorangestellt.
Einleitung
(2014)
Klemperers Tagebuch liegt vor in der zweibändigen Ausgabe „Ich will Zeugnis ablegen bis zum letzten" (bis 10.6. 1945; im folgenden mit I bzw. II und anschließender Seitenzahl angegeben) sowie unter dem Titel „Zwiespältiger denn je" (bis 31. 12. 1945; zitiert als III mit Seitenzahl). Beide Ausgaben sind nicht vollständig, wobei Kürzungen vor allem die Streichung von ausführlichen Exzerpten und Abschriften von Zeitungsartikeln betreffen. Ein Anmerkungsapparat ist beiden Ausgaben beigegeben, ein Personenverzeichnis zusätzlich der des Aufbau Verlags — ein Sachregister möchte ich den Herausgebern für die folgenden Auflagen dringend empfehlen. Das Tagebuch des Philologen Victor Klemperer, dessen Einträge den Zeitraum vom 14. 1. 1933 bis zum 31. 12. 1945 umfassen, ist vielschichtig und komplex. Zeitgeschichte einerseits, Sprachgeschichte andererseits seien im folgenden leitende Lesarten, welche die vielfaltigen Aspekte und Facetten historisch- politischer, persönlicher, geistesgeschichtlicher Themen und Inhalte ordnen zu einem Archiv, das Historikern, mithin auch Sprachhistorikern, zu Diensten ist.
Durch linguistische Textvergleiche soll vorrangig die Frage beantwortet werden, ob zwei oder mehrere Texte den gleichen Autor und/oder Schreiber haben. Dabei suggeriert der in diesem Zusammenhang auch verwendete Titel „linguistischer Fingerab-druck“, daß dabei ein den naturwissenschaftlichen Verfahren vergleichbarer Sicherheitsgrad erreicht werden könnte. Die Autorin, wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung „Historische Lexikologie und Lexikographie“ am Institut für deutsche Sprache in Mannheim, erläutert, was von sprachlichen Textvergleichen kriminalistisch/forensisch tatsächlich erwartet werden darf.
Wörterbuch und Literatur
(1999)
Jugendsprache
(2001)
Ein Volk lernt um
(2013)
Menschenrechte für Wörter
(2016)
Der Beitrag reflektiert den Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Umbrüchen und sprachlichen Veränderungen. Am Beispiel der Geschichte des 20. Jahrhunderts soll dieser Zusammenhang exemplifiziert werden. Dieses Jahrhundert der Extreme ist gesellschaftlich und politisch gekennzeichnet von Demokratisierungs-, Entdemokratisierungs- und Redemokratisierungsschüben. Insofern ist Demokratie die Schlüsselsignatur dieser Veränderungen, im Sinn von Schaffung, Zerstörung und Wiedererschaffung von Demokratie. Die diskursiven und lexikalisch-semantischen Verschiebungen des 20. Jahrhunderts können unter dieser Voraussetzung als Reflektionen dieser demokratiegeschichtlichen Brüche verstanden werden.
Diskurswörterbuch
(2008)
After a brief discussion on the term discourse, discourse will be related to the tasks o f a discourse dictionary. The paper goes on developing the subject of discourse lexicography, which is a lexicographic presentation of discourse vocabulary, of the net of its semantic relations, and of the societal and historical circumstances of the usage people have made of it. This background will be useful for the presentation of two types of discourse dictionaries. On the one hand, they are based on the same primary conception. On the other hand, they are adapted to the respective discourse constellations, The first example is the result of a project on the early post-war period and presents the already-existing discourse dictionary of this project. The content of this dictionary is the vocabulary of three different groups, which participate in one discourse and specifically represent its main item. Since this dictionary also exists in electronic version, this concept will be proved by examples taken out of this version. The second example refers to a project running on the 1967/68 protest period. The vocabulary of this discourse makes up a set of several single discourse items, while these items constitute the leading subject of the discourse of 1967/68: democracy. Thus, the task of the lexicographic description o f a complex discourse like this is not at least: to assign the discourse vocabulary to the single discourses and to describe the different usages relating to these single discourses. The paper ends with a draft o f a lexicographic program based on the type discourse dictionary
Krise und Sprache
(2012)