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In diesem Beitrag werden Komposita mit den relationalen Zweitgliedern Gatte und Gattin aus genderlinguistischer Perspektive untersucht, basierend auf manuell annotiertem zeitungssprachlichen Korpusmaterial. Frauen werden im analysierten Korpus ca. 12-mal häufiger in ihrer ehelichen Rolle versprachlicht als Männer. Statistische Analysen zeigen, dass sie dabei systematisch in ein possessives Verhältnis zum Ehemann gesetzt werden (Arztgattin = Gattin eines Arztes), während Ehemänner in den untersuchten Komposita tendenziell doppelt individualisiert werden (Arztgatte = Gatte, der Arzt ist). Neben den Zweitgliedern geben auch die Genera der beiden Konstituenten Aufschluss über die kodierte Bedeutungsrelation: Genusgleichheit (Kanzlergatte) führt zu einer qualifizierenden, Genusdivergenz (Kanzleringatte) zu einer possessiven Lesart. Die Analyse belegt außerdem die Existenz movierter Kompositumserstglieder – diese sind sogar die häufigste Form zur Benennung weiblicher Personen im Erstglied. Trotzdem herrscht bei der Bezugnahme auf Frauen eine größere Formenvarianz als bei Männern, welche fast ausschließlich mit maskulinen Erstgliedern versprachlicht werden. Damit zeigt die Studie, wie genderlinguistische Perspektiven auch im Bereich der Wortbildung einen neuen Analysezugang bilden.
Diese Monografie setzt sich neu mit Laiengedanken zur deutschen Sprache auseinander. Mit einem kleinen, aber aussagekräftigen Korpus von rund 480 schriftlichen Äußerungen muttersprachlicher und nichtmuttersprachlicher Laien zwischen 1992 und 2023 fokussiert sie sich durch viele Detailanalysen erstens auf Themen, die Laien bewegen, zweitens auf Argumente, die Laien zur Bekräftigung ihrer Ansichten anführen, und drittens auf Ausdruckstopoi, mit denen Laien argumentieren.
Die Monografie ist Ideengeber vor allem für linguistische, soziolinguistische, psychologische und gesellschaftspolitische Projekte zum Laiendiskurs im öffentlichen Raum, speziell für Projekte zu brisanten, aktuell heftig diskutierten Themen wie Antirassismus und Gendern, für Projekte zu Anglizismen, für Projekte zu Sprachwandel, Sprachverfall, Sprachpflege und Sprachpurismus, für Projekte zu Jugendsprache und Generation sowie für Projekte zur Sprache als Herrschaftsinstrument.
Das Thema genderinklusive Sprache ist mittlerweile nicht nur Gegenstand regelmäßiger Umfragen, Presseartikel oder Talksendungen, sondern auch von Volksinitiativen. In Baden-Württemberg beispielsweise veranstaltet Klaus Hekking, Initiator des Volksbegehrens Stoppt Gendern in Baden-Württemberg, eine Radtour gegen Gendern, um Unterschriften zu sammeln (die Initiative wurde allerdings vom Innenministerium gestoppt). Auch in Hamburg lief 2023 eine Volksinitiative namens „Schluss mit Gendersprache in Verwaltung und Bildung“, die vom „Verein Deutsche Sprache“ initiiert und von der Hamburger CDU unterstützt wurde. Die Initiative hat fast 17.000 Unterschriften gesammelt und überregionale mediale Aufmerksamkeit bekommen.
Less than one percent of words would be affected by gender-inclusive language in German press texts
(2024)
Research on gender and language is tightly knitted to social debates on gender equality and non-discriminatory language use. Psycholinguistic scholars have made significant contributions in this field. However, corpus-based studies that investigate these matters within the context of language use are still rare. In our study, we address the question of how much textual material would actually have to be changed if non-gender-inclusive texts were rewritten to be gender-inclusive. This quantitative measure is an important empirical insight, as a recurring argument against the use of gender-inclusive German is that it supposedly makes written texts too long and complicated. It is also argued that gender-inclusive language has negative effects on language learners. However, such effects are only likely if gender-inclusive texts are very different from those that are not gender-inclusive. In our corpus-linguistic study, we manually annotated German press texts to identify the parts that would have to be changed. Our results show that, on average, less than 1% of all tokens would be affected by gender-inclusive language. This small proportion calls into question whether gender-inclusive German presents a substantial barrier to understanding and learning the language, particularly when we take into account the potential complexities of interpreting masculine generics.
This paper focuses on language change based on shifting social norms, in particular with regard to the debate on language and gender. It is a recurring argument in this debate that language develops "naturally" and that "severe interventions" - such as gender-inclusive language is often claimed to be - in the allegedly "organic" language system are inappropriate and even "dangerous". Such interventions are, however, not unprecedented. Socially motivated processes of language change are neither unusual nor new. We focus in our contribution on one important political-social space in Germany, the German Bundestag. Taking other struggles about language and gender in the plenaries of the Bundestag as a starting point, our article illustrates that language and gender has been a recurring issue in the German Bundestag since the 1980s. We demonstrate how this is reflected in linguistic practices of the Bundestag, by the use of a) designations for gays and lesbians; b) pair forms such as Bürgerinnen und Bürger (female and male citizens); and c) female forms of addresses and personal nouns ('Präsidentin' in addition to 'Präsident'). Lastly, we will discuss implications of these earlier language battles for the currently very heated debate about gender-inclusive language, especially regarding new forms with gender symbols like the asterisk or the colon (Lehrer*innen, Lehrer:innen; male*female teachers) which are intended to encompass all gender identities.
Sprachliche Zweifelsfälle kommen auf allen linguistischen Ebenen vor. Ihre Einordnung erfolgt zumeist nach Systemebene, nach Entstehungsursache oder nach lexematischer Struktur. Sprachlicher Zweifel kann auch nach intra- und interlingualen Aspekten unterschieden werden. Stehen zwei oder mehrere lexikalische Varianten zur Verfügung, kann es zu Unsicherheiten bezüglich des angemessenen Gebrauchs kommen. Nicht nur Muttersprachler*innen sind mit Schwierigkeiten konfrontiert, Zweifelsfälle stellen auch ein Problem bei der Fremdsprachenproduktion dar.
Dieser Band beschränkt sich auf lexikalisch-semantische, flexivische und wortbildungsbedingte Zweifelsfälle und führt interessierte Leser*innen in Fachliteratur und Nachschlagewerke ein. Er streift Fragen der Sprachdidaktik, der Fehler- und Variationslinguistik, denn die Auseinandersetzung mit typischen Zweifelsfällen zeigt auch das Spannungsfeld zwischen allgemeinem Usus und kodifizierter Norm, zwischen Gegenwart und Wandel, zwischen Dynamik, sprachlichem Reichtum und erlernter Bildungstradition.
Sprachpolitik war in der Bundesrepublik Deutschland seit 1949 nie ein größeres Thema in Wahlkämpfen. Seit der Bundestagswahl 2017 hat sich dies jedoch geändert. Damals waren unter dem Eindruck des großen Migrationsandrangs im Jahr 2016 von einigen Parteien Positionen zu sprachlicher Integration in die Wahlprogramme aufgenommen worden. Unter Positionen sei hier der explizite sprachliche Ausdruck einer Haltung zu einem politischen Thema bzw. Themenbereich zu verstehen, der unter anderem im Rahmen von parteilichen Grundsatz- und Wahlprogrammen Orientierung hinsichtlich des (zukünftig zu erwartenden) politischen Handelns parteilicher Akteur/-innen bieten soll. Und auch die zunehmende Diversität der deutschen Gesellschaft führte schon bei der Wahl im Jahr 2017 zu einer Berücksichtigung von Themen der sprachlichen Bildung in der Programmatik der Parteien. Dieser Beitrag untersucht somit die Grundsatz- und Wahlprogramme der größten Parteien anhand der sprachpolitischen Ausdrucksweise.
Olaf Scholz gendert. Eine Analyse von Personenbezeichnungen in Weihnachts- und Neujahrsansprachen
(2022)
Schlagzeilen wie die in unserer Überschrift blieben im Januar 2022 aus. Dabei enthielt die erste Neujahrsansprache von Olaf Scholz kein einziges generisches Maskulinum, sondern Doppelformen (Mitbürgerinnen und Mitbürger, Expertinnen und Experten), geschlechtsabstrahierende Ausdrücke (Eltern, Familien, Geimpfte, Menschen) und Personalisierungen bzw. Umschreibungen wie uns allen, es haben sich 60 Millionen […] impfen lassen, oder ich möchte allen danken. Die Rede nutzt somit durchgängig verschiedene Formen geschlechtergerechter Sprache, wohl aber so unauffällige Formen, dass dies keine mediale Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Nebenbei: Dies zeigt, dass es bei den hitzigen öffentlichen Diskussionen rund um das Thema nicht um alle Formen geschlechtergerechter Sprache geht, sondern eigentlich nur um bestimmte Formen, wie z.B. die Verwendung des Gendersterns. Wir stellen hier einige Beobachtungen basierend auf einem annotierten Korpus von Ansprachen vor, die Sie selbst anhand einer Online-App nachvollziehen können.
In den letzten Jahren haben sich einige Themen mit Bezug zur deutschen Sprache zu sprachpolitischen Kontroversen entwickelt, die heute mit großer Intensität diskutiert werden. Es handelt sich um Themen wie das der geschlechtergerechten Sprache, das durch verschiedene rechtliche und publizistische Impulse eine immer noch wachsende Präsenz in Medien und Öffentlichkeit besitzt. Auch das Thema des sogenannten politisch korrekten Sprachgebrauchs führt zu polarisiert geführten Debatten. Der vorliegende Beitrag will diese Debatten in ihren Grundzügen nachzeichnen und dabei zeigen, wie diese Themen vermittelt über die Medien und den «Verein Deutsche Sprache» ihren Weg bis in die politische Sphäre gefunden haben. Aus sprachwissenschaftlicher Sicht ist es wichtig, die Grenzen des Politischen so zu ziehen, dass die Sprache selbst in derartigen Kontroversen keinen Schaden nimmt.
Die Integration englischer er-Personenbezeichnungen ins System der deutschen Nomina agentis geht aufgrund struktureller Parallelen scheinbar schnell vonstatten. Auffällig, aber in bestehenden Untersuchungen unberücksichtigt, ist jedoch die (Nicht-)Movierung der Entlehnungen (Sharon ist Manager neben Managerin). Eine Fragebogenstudie mit zwölf prädikativen Konstruktionen, die sich auf weibliche Individuen beziehen, zeigt zunächst, dass Movierung für die meisten Teilnehmenden (ca. ¾) der Normalfall ist. Nur zwei Personen movieren nie. Bei den Teilnehmenden mit schwankender Movierung lässt sich kein Einfluss der Faktoren Geschlecht, Alter und Herkunft der Teilnehmenden sowie Geschlechterstereotyp des Lexems nachweisen. Einfluss auf die Variation haben dagegen der Fremdwortstatus (native Lexeme werden tendenziell eher moviert als Anglizismen), die Gebrauchsfrequenz (frequentere Lexeme werden tendenziell eher moviert als weniger frequente) und die Länge des Lexems (kürzere Lexeme werden tendenziell eher moviert als längere). Die statistische Untersuchung wird von kleineren qualitativen Beobachtungen aus den erhobenen Antworten und aus anderen Datenquellen (v.a. Korpora) ergänzt.
Zumutung, Herausforderung, Notwendigkeit? Zum Stand der Forschung zu geschlechtergerechter Sprache
(2022)
Wenn ich am Ende dieses Jahres an die Diskussionen zur deutschen Sprache zurückdenke, die ich bei Medienauftritten und in Veranstaltungen geführt habe, dann ist dabei immer wieder eine ganz bestimmte Frage gestellt worden: Wer entscheidet eigentlich darüber, wie wir sprechen und schreiben, was wir sagen dürfen und was nicht? Wer hat die Entscheidungsbefugnis über die Aufnahme neuer Wörter ins Deutsche, über gendergerechte Sprache oder über Rechtschreibregeln?
Kontroversen wie die um gendergerechten Sprachgebrauch haben eindeutig eine politische Dimension. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Jenseits der politischen Auseinandersetzung stellt sich die Frage, in welcher Weise die verschiedenen Positionen in der Gesellschaft verankert sind und warum die Kontroversen überhaupt entstehen. Die Analyse der postindustriellen Gesellschaft des Soziologen Andreas Reckwitz bietet dafür die Möglichkeit einer Erklärung.
Leicht hat es die Duden-Redaktion derzeit nicht. Im Sommer erst musste sie sich ungerechtfertigterweise vorhalten lassen, mit der Aufnahme neuer Wörter in die 28. Auflage des Rechtschreibdudens eine links-grüne Agenda zu verfolgen. Vor kurzem hieß es nun, im Online-Duden werde heimlich eine Sprachveränderung betrieben, die zum Verschwinden des generischen Maskulinums führe. Kürzlich hat deshalb der “Verein Deutsche Sprache”, jener umstrittene Verein konservativer Sprachschützer*innen, sogar einen öffentlichen Aufruf gegen den Dudenverlag gestartet. Was ist also dran an diesem Vorwurf?
Sprachkämpfe gibt es so manche, aber wer hätte gedacht, dass ausgerechnet das Erscheinen der 28. Auflage des Rechtschreibdudens die Gemüter so in Wallung versetzen würde, dass gleich mehrere davon in die nächste Runde gehen. Verlag und Redaktion werden auf die sprachpolitische Bühne gezerrt, weil man die deutsche Sprache so gut für Zwecke identitärer Politik instrumentalisieren kann.
The Social Perception of Heroes and Murderers: Effects of Gender-Inclusive Language in Media Reports
(2016)
The way media depict women and men can reinforce or diminish gender stereotyping. Which part does language play in this context? Are roles perceived as more gender-balanced when feminine role nouns are used in addition to masculine ones? Research on gender-inclusive language shows that the use of feminine-masculine word pairs tends to increase the visibility of women in various social roles. For example, when speakers of German were asked to name their favorite “heroine or hero in a novel,” they listed more female characters than when asked to name their favorite “hero in a novel.” The research reported in this article examines how the use of gender-inclusive language in news reports affects readers’ own usage of such forms as well as their mental representation of women and men in the respective roles. In the main experiment, German participants (N = 256) read short reports about heroes or murderers which contained either masculine generics or gender-inclusive forms (feminine-masculine word pairs). Gender-inclusive forms enhanced participants’ own usage of gender-inclusive language and this resulted in more gender-balanced mental representations of these roles. Reading about “heroines and heroes” made participants assume a higher percentage of women among persons performing heroic acts than reading about “heroes” only, but there was no such effect for murderers. A post-test suggested that this might be due to a higher accessibility of female exemplars in the category heroes than in the category murderers. Importantly, the influence of gender-inclusive language on the perceived percentage of women in a role was mediated by speakers’ own usage of inclusive forms. This suggests that people who encounter gender-inclusive forms and are given an opportunity to use them, use them more themselves and in turn have more gender-balanced mental representations of social roles.