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In diesem Beitrag werden Komposita mit den relationalen Zweitgliedern Gatte und Gattin aus genderlinguistischer Perspektive untersucht, basierend auf manuell annotiertem zeitungssprachlichen Korpusmaterial. Frauen werden im analysierten Korpus ca. 12-mal häufiger in ihrer ehelichen Rolle versprachlicht als Männer. Statistische Analysen zeigen, dass sie dabei systematisch in ein possessives Verhältnis zum Ehemann gesetzt werden (Arztgattin = Gattin eines Arztes), während Ehemänner in den untersuchten Komposita tendenziell doppelt individualisiert werden (Arztgatte = Gatte, der Arzt ist). Neben den Zweitgliedern geben auch die Genera der beiden Konstituenten Aufschluss über die kodierte Bedeutungsrelation: Genusgleichheit (Kanzlergatte) führt zu einer qualifizierenden, Genusdivergenz (Kanzleringatte) zu einer possessiven Lesart. Die Analyse belegt außerdem die Existenz movierter Kompositumserstglieder – diese sind sogar die häufigste Form zur Benennung weiblicher Personen im Erstglied. Trotzdem herrscht bei der Bezugnahme auf Frauen eine größere Formenvarianz als bei Männern, welche fast ausschließlich mit maskulinen Erstgliedern versprachlicht werden. Damit zeigt die Studie, wie genderlinguistische Perspektiven auch im Bereich der Wortbildung einen neuen Analysezugang bilden.
In diesem Beitrag beschäftigen wir uns mit moralisierenden Sprachhandlungen, worunter wir diskursstrategische Verfahren verstehen, in denen die Beschreibung von Streitfragen und erforderlichen Handlungen mit moralischen Begriffen enggeführt werden. Auf moralische Werte verweisendes Vokabular (wie beispielsweise „Freiheit“, „Sicherheit“ oder „Glaubwürdigkeit“) wird dabei verwendet, um eine Forderung durchzusetzen, die auf diese Weise unhintergehbar erscheint und keiner weiteren Begründung oder Rechtfertigung bedarf. Im Fokus unserer Betrachtungen steht dementsprechend das aus pragma-linguistischer Sicht auffällige Phänomen einer spezifischen Redepraxis der Letztbegründung oder Unhintergehbarkeit, die wir als Pragmem auffassen und beschreiben. Hierfür skizzieren wir zunächst den in der linguistischen Pragmatik verorteten Zugang zu Praktiken der Moralisierung, betrachten sprachliche Formen des Moralisierens und deren strukturelle Einbettung in den Satz oder den Text (also kotextuelle und pragmasyntaktischen Struktureinbettungen), um anschließend Hypothesen zu kontextuellen Wirkungsfunktionen aufzustellen. Darauf basierend leiten wir schließlich anhand von exemplarischen Korpusbelegen Strukturmuster des Moralisierens ab, die wir in dem philosophisch-linguistischen Fachterminus ‚Pragmem‘ verdichten und mittels qualitativer und quantitativer Analysen operationalisieren.
Die gesprächsanalytische Studie untersucht Gespräche im Spannungsfeld von institutioneller und interkultureller Kommunikation. Dazu werden Interaktionen zwischen deutschen Polizeibeamten und Immigranten, die nicht über muttersprachliche Kenntnisse des Deutschen verfügen, in natürlichen Zeugen- und Beschuldigtenvernehmungen sowie Erst-Kontakt-Situationen an der Anmeldung der Polizeiinspektion analysiert. Die Interaktionen werden zum einen auf institutioneller Ebene hinsichtlich der Asymmetrien sowie dem Umgang der Beteiligten mit den für die Institution typischen Schemata untersucht. Zum anderen rücken auf interkultureller Ebene die Verstehenssicherung und kulturbedingte Kommunikationsstörungen in den Fokus. Dabei zeigt sich, dass die Klienten teilweise über ein (kulturell) anderes Rahmenwissen verfügen und sich daher Divergenzen hinsichtlich des Verständnisses des Kommunikationstyps ‚Vernehmung‘ zwischen Beamten und Klienten auftun.
GraphVar ist ein Korpus aus über 1.600 Abiturarbeiten, die zwischen 1917 und 2018 an einem niedersächsischen Gymnasium geschrieben wurden. Das Hauptinteresse beim Aufbau bestand in der Beschreibung graphematischer Variation und ihrer Entwicklung über die Zeit. Leitend war die Frage, was Schreiberinnen und Schreiber eigentlich tatsächlich machen bzw. gemacht haben – und zwar unbeeinflusst von technischen Hilfsmitteln oder Schluss- und Endredaktion, aber unter vergleichbaren Bedingungen. Das Korpus bietet somit ein Fenster auf den unverfälschten Schreibgebrauch von Abiturientinnen und Abiturienten im Laufe der Zeit. Zum jetzigen Zeitpunkt sind 1.618 Arbeiten transkribiert, linguistisch annotiert und über eine ANNIS-Instanz erreichbar (graphvar.unibonn.de, Stand: 8.8.2023). Im Sommer 2022 konnten weitere 1.600 Arbeiten zwischen 1900 und 2021 an einem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen digitalisiert werden. Neben schriftlinguistischen Fragestellungen ist das Korpus prinzipiell auch für syntaktische, morphologische und lexikalische Fragestellungen geeignet; auch didaktische Untersuchungen sind möglich, genau wie kulturwissenschaftliche.
Exploration und statistisch valide Analysen annotierter Textkorpora helfen bei der induktiven Aufdeckung systematischer Schreibgebrauchsmuster. Umgekehrt lassen sich – deduktiv – Vorgaben der kodifizierten Norm (amtliches Regelwerk) quantitativ überprüfen. Wir präsentieren eine Methodik für die empirisch informierte Beschreibung orthografisch motivierter Phänomene, gehen auf prototypische Fälle ein und werfen ein Schlaglicht auf Fallstricke der Korpusnutzung für die Orthografieforschung. Abschließend skizzieren wir Funktionen und Wirkungsweisen aggregierender Visualisierungen für die Forschungskommunikation am Beispiel des amtlichen Wörterverzeichnisses.
Redeeinleiter sind sprachliche Ausdrücke unterschiedlicher Wortarten, die relativ zur Redewiedergabe in Voran-, Mittel- oder Nachstellung stehen und eine direkte oder indirekte Redewiedergabe einleiten. Dadurch sind Redeeinleiter sehr vielfältig, womit sie sich als Untersuchungsgegenstand einer Analyse zur lexikalischen Vielfalt von Teilwortschätzen eignen.
Als Datengrundlage der vorliegenden Untersuchung dienen die manuell annotierten direkten und indirekten Redeeinleiter des Redewiedergabe-Korpus. Dieses setzt sich aus fiktionalen und nicht-fiktionalen Textausschnitten, die zwischen 1840–1920 veröffentlicht wurden, zusammen. Ziel der Analyse ist es, zu ermitteln, wie sich der Teilwortschatz der direkten und der der indirekten Redeeinleiter in ihrer lexikalischen Vielfalt voneinander unterscheiden und wie diese Unterschiede zu begründen sind. Dafür wird ein Set an quantitativen Methoden erarbeitet mit dem die lexikalische Vielfalt von Teilwortschätzen bestimmt werden kann und das in zukünftigen Untersuchungen zur lexikalischen Vielfalt als Standardrepertoire herangezogen werden kann.
Für die spezifischen Bedürfnisse der Schreibbeobachtung wurde das Orthografische Kernkorpus (OKK) als virtuelles Korpus in DeReKo entwickelt. Mit derzeit rund 14 Mrd. Token deckt es den Schriftsprachgebrauch in den deutschsprachigen Ländern im Zeitraum von 1995 bis in die Gegenwart ab. Der Zugriff über die Korpusanalyseplattform KorAP erlaubt nicht nur die Nutzung verschiedener Annotationen, sondern über die API-Schnittstellen auch die Einbindung in diverse Auswertungsumgebungen wie RStudio über den RKorAPClient und macht es so für zahlreiche Analyse- und Visualisierungsmöglichkeiten zugänglich.
Diese Monografie setzt sich neu mit Laiengedanken zur deutschen Sprache auseinander. Mit einem kleinen, aber aussagekräftigen Korpus von rund 480 schriftlichen Äußerungen muttersprachlicher und nichtmuttersprachlicher Laien zwischen 1992 und 2023 fokussiert sie sich durch viele Detailanalysen erstens auf Themen, die Laien bewegen, zweitens auf Argumente, die Laien zur Bekräftigung ihrer Ansichten anführen, und drittens auf Ausdruckstopoi, mit denen Laien argumentieren.
Die Monografie ist Ideengeber vor allem für linguistische, soziolinguistische, psychologische und gesellschaftspolitische Projekte zum Laiendiskurs im öffentlichen Raum, speziell für Projekte zu brisanten, aktuell heftig diskutierten Themen wie Antirassismus und Gendern, für Projekte zu Anglizismen, für Projekte zu Sprachwandel, Sprachverfall, Sprachpflege und Sprachpurismus, für Projekte zu Jugendsprache und Generation sowie für Projekte zur Sprache als Herrschaftsinstrument.
Das Beispiel ist seit der Antike ein zentraler Gegenstand der abendländischen Diskussion. In dieser ersten umfassenden Monographie zur Linguistik des Beispiels wird deshalb eine interdisziplinäre Perspektive entfaltet, in der Ansätze aus Rhetorik, Philosophie, Pädagogik und Psychologie sowie linguistischen Ansätze zur Beispielforschung behandelt werden. Die sprachwissenschaftliche Beschäftigung mit Beispielen blieb bisher jedoch ein Randphänomen, obwohl Praktiken der Beispielverwendung in der Alltagskommunikation allgegenwärtig sind.
Orientiert an ›grounded theory‹, linguistischer Hermeneutik und Handlungssemantik wird hier ein Beispielbegriff erarbeitet, demzufolge das Beispielverwenden eine komplexe Form sprachlichen Handelns und eine fundamentale menschliche Denkbewegung darstellt, die darin besteht, einen Konnex zwischen Besonderem und Allgemeinem zu konstituieren. Hierauf basierend werden Beispiele anhand eines umfangreichen Korpus von Gesprächsdaten analysiert und kommunikative Muster, sprachliche Realisierungsformen sowie Funktionen des Beispielverwendens in der Interaktion herausgearbeitet.
Datensatz Schwache Maskulina
(2023)
Der Datensatz enthält eine Sammlung von 1.156 Substantiven (mit wenigen Ausnahmen Maskulina), die sich im Korpusgrammatik-Untersuchungskorpus (Bubenhofer et al. 2014), basierend auf dem Deutschen Referenzkorpus DeReKo (Kupietz et al. 2010, 2018), Release 2017-II, unmittelbar nach einem Beleg für die Akkusativ- oder Dativform des unbestimmten Artikels ( einen / einem ) mindestens einmal mit der “schwachen” Endung -(e)n belegen lassen (z.B. einen Aktivisten , einem Autoren ). Einzelheiten zur Datenerhebung in Weber & Hansen (2023).
Funktionsverbgefüge stehen seit jeher in der Sprachkritik, die sich nun auch auf digitale Räume ausbreitet. Vertreten wird dort die These, Funktionsverbgefüge und ihre entsprechenden Basisverben seien äquivalent und könnten in allen Kontexten durch die verbalen Entsprechungen ersetzt werden. Dies kann durch die vorliegende korpusbasierte und textlinguistische Studie am Beispiel des Gefüges Frage stellen widerlegt werden. Anhand eines extensiven Datenmaterials aus den Wikipedia-Artikel-Korpora des IDS zeige ich die semantischen, grammatischen und textlinguistischen Unterschiede zwischen dem Basisverb und dem Funktionsverbgefüge im Gebrauch auf, die sich in der Anreicherung, Verdichtung, Perspektivierung, Gewichtung und Wiederaufnahme von Informationen im Text manifestieren.
Dieser Werkstattbericht zeigt anhand verschiedener korpusbasierter Ressourcen, wie Fragen zu sprachlichen Phänomenen, die für Sprachlernende nicht oder nur unzureichend dokumentiert sind, empirisch beantwortet werden können. Besonderes Augenmerk wird dabei auf OWIDplusLIVE gelegt. Hierbei handelt es sich um ein Werkzeug zur tagesaktuellen Analyse von Token (einzelne Wortformen/Lemmata) und Bi-/Trigrammen (zwei bzw. drei direkt aufeinander folgende Token). Über eine Anbindung an KorAP können zudem Belege aus dem DeReKo (Deutsches Referenzkorpus) abgerufen und analysiert werden.
Unter Neologismen finden sich bedeutungsgleiche Ausdrücke (im weitesten Sinne Synonyme), die unter bestimmten Bedingungen sprachliche Unsicherheiten hervorrufen. Das liegt u. a. an ihrer semantisch-konzeptuellen Ähnlichkeit, an nicht abgeschlossenen Lexikalisierungsprozessen, aber es treten auch Zweifel auf, weil es Unterschiede zwischen der Allgemein- und der Fachsprache gibt. Für einige Neologismen ist es auch charakteristisch, dass mehrere morphologische Varianten gleichzeitig in den Wortschatz eintreten, sodass nicht immer klar ist, wann welche präferiert werden. Dass all diese Ausdrücke lexikalischem Wettbewerb und situationsgebundenen Gebrauchsbedingungen ausgesetzt sind und dass sie zu Zweifel führen können, wird in Onlineforen sichtbar. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, wie solche Paare/Gruppen korpusgestützt semantisch analysiert und wie sie in deskriptiven Wörterbüchern angemessen beschrieben werden können, um sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede für Nachschlagende sichtbar zu machen. Dazu werden konkrete Beispiele und ein gegenüberstellendes Wörterbuchdarstellungsformat für neologistische Synonyme vorgeschlagen.
Dieser Beitrag beschreibt die Prozesse der Datenerhebung, -aufbereitung und geplanten Veröffentlichung eines Teilkorpus des vom österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) finanzierten Spezialforschungsbereichs (SFB) „Deutsch in Österreich. Variation – Kontakt – Perzeption“ (FWF F060). Die Daten werden v. a. aus variationslinguistischer, kontaktlinguistischer wie auch perzeptionslinguistischer Perspektive analysiert, wofür eigene Tools entwickelt wurden, die – ebenso wie das Korpus selbst – mittelfristig der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden.
Der Beitrag skizziert die Genese und Komplexität des Konzepts ‚Usuelle Wortverbindung‘ (UWV) vor dem Hintergrund der korpuslinguistischen Wende. Die Möglichkeit, sprachliche Massendaten untersuchen zu können, erbrachte neue Einsichten in Hinblick auf Status, Form, Funktion, Festigkeit und Variabilität dieser zentralen Wortschatzeinheiten – gleichzeitig aber auch in Hinblick auf ihre Unschärfen und vielfachen Überlappungen. Eine der folgenreichsten Erkenntnisse ist, dass UWVs auf vorgeprägten Schemata und Mustern basieren und in ein komplexes Netz von Ausdrücken ähnlicher Art eingebettet sind. Für die Aneignung sprachlichen Wissens ist das Verstehen solcher primär funktionalen Musterbildungen elementar.
Einleitung
(2023)
Das Werk versteht sich als eine Darstellung der wichtigsten syntaktischen, prosodischen, semantischen und pragmatischen Eigenschaften kausaler und konditionaler Konnektoren des gesprochenen Deutsch.
Die Untersuchung formuliert notwendige theoretische Grundlagen und zeigt die komplexe Interaktion mehrerer Faktoren, die sich auf die Interpretation einer Äußerung auswirken. Empirische Daten belegen, dass die kontextuelle und pragmatische Interpretation der untersuchten Relationen stark mit ihren syntaktischen und prosodischen Mustern korreliert. Jedoch handelt es sich nicht um eine Eins-zu-eins-Beziehung, denn gleiche Lesarten können von kausalen und konditionalen Relationen unterschiedlich markiert sein. Anhand der Ergebnisse wird das Verhältnis zwischen Konditionalität und Kausalität diskutiert.
Poster des Text+ Partners Leibniz-Institut für Deutsche Sprache Mannheim präsentiert beim Workshop "Wohin damit? Storing and reusing my language data" am 22. Juni 2023 in Mannheim. Das Poster wurde im Kontext der Arbeit des Vereins Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) e.V. verfasst. NFDI wird von der Bundesrepublik Deutschland und den 16 Bundesländern finanziert, und das Konsortium Text+ wird gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – Projektnummer 460033370. Die Autor:innen bedanken sich für die Förderung sowie Unterstützung. Ein Dank geht außerdem an alle Einrichtungen und Akteur:innen, die sich für den Verein und dessen Ziele engagieren.
Gerd Hentschel gehört zu den Pionieren der heutigen Computerlexikografie und der IT-gestützten Korpuserschließung. Eine seiner ersten Zeitschriftenpublikationen, mit dem Titel Einsatz von EDV und Mikrocomputer in einem lexikographischen Forschungsprojekt zum deutschen Lehnwort im Polnischen (Hentschel 1983), befasst sich mit der Frage, wie - unter den damaligen technischen Vorzeichen - Forschungs- und Dokumentationsarbeiten zu polnischen Germanismen sinnvoll durch die Verwendung von Computern unterstützt werden können. Die besagten Arbeiten mündeten später in die Online-Publikation des Wörterbuchs der deutschen Lehnwörter in der polnischen Schrift- und Standardsprache (WDLP). Es ist aus heutiger Sicht bemerkenswert, mit welchen Beschränkungen die Arbeit mit dem Computer noch vor 40 Jahren zu kämpfen hatte. Aus gegebenem Anlass sei es gestattet, diesen Punkt etwas ausführlicher zu illustrieren.