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♀ ☺ = ♂ ☺? Oder: Das Gelächter der Geschlechter 2.0: Emojigebrauch in der WhatsApp-Kommunikation
(2020)
Praktiken des 'doing', 'undoing' und 'indexing' von Gender finden sich auch in der computervermittelten Kommunikation, und es ist zu erwarten, dass sie sich dort ganz besonders im Gebrauch von Emojis niederschlagen. Zu erwarten ist dies, weil Emojis ein wichtiges Mittel zur Hervorbringung von Nähe, Emotionalität und Gruppenzugehörigkeit sind, und Gender ist ein Parameter, der bei diesen Aspekten eine Rolle spielt. In dem vorliegenden Beitrag soll auf der Basis der Mobile Communication Database 2 (MoCoDa2), einer Datenbank mit WhatsApp-Interaktionen, aus quantitativer und qualitativer Perspektive gefragt werden, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sich im Emojigebrauch von Männern und Frauen finden lassen.
Der Beitrag beleuchtet die seit den Anfängen der Fachgeschichte geführte Debatte um die Positionierung der Sprachwissenschaft zur bzw. in der Gesellschaft mit Blick auf die Frage, inwieweit das Fach eine Deutungshoheit in sprachreflexiven Fragen beanspruche, beanspruchen könne oder solle. Es werden vier Strategien diskutiert, mit denen versucht wurde und wird, einen solchen Anspruch in der Gesellschaft zu proklamieren bzw. zu zementieren. Vor dem disziplinären Hintergrund der soziolinguistisch-sprachanthropologischen Sprachideologieforschung, die auch linguistische Positionen unter Sprachideologien fasst, werden die sprachwissenschaftlichen Positionierungsversuche dabei als diskursiv gerahmte, aber kontextsensitive Manöver in einem ‚Kampf um sprachideologische Deutungshoheit‘ verstanden.
In diesem Beitrag soll ein Nachschlagewerk zur arealen Variation in der Grammatik des Deutschen kurz vorgestellt werden: die in Form eines Online-Wikis erschienene „Variantengrammatik des Standarddeutschen“. Sie ist das Hauptergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit der Projektgruppe „Variantengrammatik“ unter der Leitung der Autorin und der Autoren dieses Beitrags. Für das Projekt wurde ein areal gewichtetes und annotiertes Korpus erstellt, das aus Lokal- und Regionalteilen der Online-Ausgaben von 68 regional verbreiteten Zeitungen besteht. Die ausgewählten Zeitungen sind nach fünfzehn Arealen des zusammenhängenden deutschsprachigen Raums unterteilt. Das tokenisierte, lemmatisierte und nach Wortarten annotierte Gesamtkorpus, auf das sich die Variantengrammatik stützt, umfasst ca. 600 Millionen Wörter.
Die historische Variation als eine der zentralen Variationsdimensionen der Sprache ist gekennzeichnet durch große Variantenvielzahl, Fluktuation der Häufigkeit und zeitliche Überlagerung unterschiedlich alter Muster, aber auch durch Distributionsverschiebungen von Varianten. Sie weist enge Bezüge zur synchronen Mikro- und Makrovariation auf. Die Muster historischer Variation stellen zudem wichtige Argumente für die grammatiktheoretische Analyse dar. Die Spezifik und Dynamik historischer Variation wird exemplarisch anhand der Entwicklung der Vergleichskonstruktionen in der Geschichte des Deutschen veranschaulicht, die durch den Komparativzyklus, d.h. wiederholte Distributionsverschiebungen der Vergleichspartikeln von Äquativ- zu Komparativvergleichen gekennzeichnet ist.
Gerade die Sprache der Journalisten hat eine kritische Reflexion bitter nötig. Denn – hierin den Juristen ähnlich – haben auch Journalisten eine Definitionsmacht über die soziale Wirklichkeit. Vor allem transportieren sie die Sprache der Politiker, die nicht selten „riskante" Begriffe durch Schönfärberei semantisch verschleiert. Oder sie schaffen eine eigene sprachliche Realität, die dann die Perspektive des „kritischen" Beobachters spiegelt. Anhand zahlreicher Beispiele, die vorwiegend den Tageszeitungen entnommen sind, untersucht der Verfasser Sprach-Modismen und Sprach-Verschiebungen aller Art, die zugleich S inn-Verschiebungen sind. Und er ruft die Linguisten auf, die selten gewordene Selbstkritik der Journalisten bei diesen Entschleierungen zu unterstützen. „Denn wir sitzen gemeinsam in dem Sprach-Boot, das alles mögliche darf – nur nicht untergehen."
Der vorliegende Beitrag untersucht das Herstellen von Graffitis sowie diese selbst in einer praxistheoretischen Perspektive. Er stützt sich dabei exemplarisch auf Mannheimer Graffitis aus den Jahren 1998 bis 2014. Die Kultur des Szene-Graffiti markiert in ihren spezifischen Formen - den Artefakten und den (sprachlichen) Praktiken - einen eigenen kulturellen Bereich. Gezeigt wird, dass das Herstellen von Graffitis eine schriftsprachliche, auf Namen konzentrierte Praktik ist, dass aber die (Schrift-)Bildlichkeit im Vordergrund steht. Es wird einerseits die Ausführung der Praktik in ihren sozialen und körperlich-handwerklichen Aspekten dargestellt, andererseits werden Graffitis in ihren (schrift-) sprachlichen, graphostilistischen sowie bildlichen Eigenschaften beschrieben und dabei als Artefakte der Praktik perspektiviert. Diskutiert wird auch die Frage der Intentionalität der Praktik. Argumentiert wird, dass das Herstellen von Graf- fitis eine Praktik darstellt, deren Intentionalität wesentlich in der Reaktion auf einen „Aufforderungscharakter“ (Waldenfels 2000, S. 374) liegt, den die Praktik selbst miterzeugt.
Der Beitrag untersucht korpuspragmatisch am Beispiel der Präpositionalphrasen mit gegen Varianten der Gegenwehr in der Zeit des Nationalsozialismus. Im Vordergrund stehen Flugblätter, Programmschriften und Zeitungsartikel, die unter den Bedingungen von Verfolgung, Exil oder Desertation kollaborativ verfasst wurden. Eine Spur zu diesen Dokumenten, die die Heterogenität und die Konfliktlinien des Widerstands auf Textebene widerspiegeln, legt die Korpusauswertung mithilfe der soziopragmatischen Annotationen aus dem Paderborner HetWik-Projekt. Methodisch werden gegen-Phrasen anhand ihrer Füllerprofile und Kollokatoren einzelnen Handlungsmustern zugeordnet. Im Ergebnis zeigt sich der Solidarisierungseffekt von situativ verfestigten Kollokationen sowie eine (selbst)kritische Reflexion von NS-Feindschaften.
Viele deutschsprachige Germanisten, hieß es in der Einladung zu dieser Jahrestagung, „haben einen Hang zur Binnenperspektive, zur Betrachtung der deutschen Sprache und Literatur aus der Sicht der ‚Eigentümer‘ […]. Diese eingeschränkte Sicht auf die Sprache lässt sich durch den Blick von außen […] erweitern und relativieren.“ Diesem Ziel näherten sich die fünfzehn Referentinnen und Referenten aus unterschiedlicher Richtung, wobei jedoch nicht unbedingt sprachstrukturelle, sprachvergleichende oder sprachdidaktische Fragen im Zentrum des Interesses stehen mussten, sondern auch sprach(en)politische Probleme das Referat dominieren konnten.
Der Titel des Beitrags vereinigt häufige typologische Einordnungen des Deutschen, die, wenn sie nicht interpretiert werden, einander widersprechen:
1. Deutsch ist eine S(ubjekt)0(bjekt)V(erb)-Sprache/eine OV-Sprache.
2. Deutsch ist eine der germanischen Verbzweitsprachen.
3. Deutsch ist eine Sprache mit freier Wortstellung.
4. Deutsch ist eine Scramblingsprache.
Im ersten Teil gehe ich zunächst auf die beiden Einordungen, die die Verbposition betreffen, ein und zeige, daß die dem eingeleiteten Nebensatz entsprechende SOV- oder OV-Reihenfolge bei Annahme eines nach links regierenden Verbs im Deutschen sinnvollerweise ab grundlegend angesehen werden kann, während die den germanischen Verbzweitsprachen eigene Anordnung des finiten Verbs nach einer maximalen Konstituente ab abgeleitet betrachtet werden muß. Im zweiten Teil wird gezeigt, wie die sich aus der Vergabe der semantischen Rollen (Thetarollen) des Verbs nach links ergebende hierarchische Struktur auf die lineare Folge im Mittelfeld deutscher Sätze abgebildet wird und wie man sich Umordnungen dieser Reihenfolge (oft ab Scrambling bezeichnet) bei Berücksichtigung von Skopusverhältnissen (z.B. der Negation/Affirmation) sowie von Kontextbedingungen und speziellen Topikalisierungen vorstellen kann und wieso sie eingeschränkt – also nicht völlig frei – sind.
This article explores how close one can come to a cultural-scientific perspective on the basis of a constitution-analytical methodology. We do this on the basis of a comparison of the celebration of Totensonntag in Zotzenbach (Southern Hesse) and Sarepta (Wolgograd). In both places, there are protestant churches that perform this ritual to commemorate the dead on this “Sunday of the Dead” as a part of their church service. Our scientific interest lies in the reconstruction of the rituality produced during the in situ execution. In both services, the names of the deceased are read out and a candle is lit for each deceased person. In Zotzenbach the priest reads out the names and an assistant ignites the candles for the deceased, whereas in Sarepta the bereaved are responsible for this. Since the ritual is organised in very different ways in terms of architecture-for-interaction (statically in Zotzenbach, spatially dynamic in Sarepta), we can reconstruct two completely different models of rituality: a demonstrative one (Zotzenbach) and a participative one (Sarepta). The demonstrative model works on the basis of a finely tuned coordination between the two church representatives and is aimed at a dignified execution. The model in Sarepta is not suitable for the production of formality due to its participatory structure. Here, however, the focus is also on the aspect of socialization, which goes beyond the church service and offers the Russian-German worshipers the opportunity to situationally constitute as a culturally homogeneous group.
Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Beobachtung, dass bestimmte Verwendungsweisen der deutschen Sprache zwar grammatisch und lexikalisch richtig sind, aber dennoch in einem bestimmten Kontext für einen Muttersprachler merkwürdig klingen und gewöhnlich nicht gebraucht werden. Man findet diese Formen der Variation zum Beispiel bei sehr fortgeschrittenen Lernern des Deutschen und auch in Übersetzungen, die sich der Originaltreue verpflichtet sehen. In dem Beitrag soll gezeigt werden, dass Abweichungen dieser Art auf eine Komponente unseres sprachlichen Wissens verweisen, die man als Prinzipien der Informationsorganisation bezeichnen kann. Es wird argumentiert, dass solche sprachspezifischen Prinzipien, die sich u.a. auf Informationswahl, Perspektivensetzung und Kohärenzmuster beziehen, aus Eigenschaften der einzelsprachlichen Grammatik abzuleiten sind. Gezeigt werden soll dies am Beispiel von empirischen Daten zum Ausdruck von Bewegungsereignissen und zum Textaufbau in unterschiedlichen Sprachen und in Lernersprachen.
„Andere Zeiten, andere Lehren". Sprach- und kulturgeschichtliche Betrachtungen zum Sprichwort
(2004)
Wie für andere Sprachen liegen für das Deutsche beachtliche Schriften über die Entwicklung der sprichwörtlichen Sprache von der Antike über die Bibel zum Mittelalter und über Jahrhunderte der Kulturgeschichte hinweg bis zur Neuzeit vor. Hier handelt es sich oft um ganz allgemeine menschliche Beobachtungen und Erfahrungen, die einen universellen Wert haben. Es gibt aber auch Sprichwörter, deren Weisheitsanspruch und Sprache (veraltete Wörter und Metaphern) nicht mehr in die neue Zeit passen. Während solche Texte schließlich aus dem Sprachgebrauch ausscheiden, kommen neue Sprichwörter mit modernen Sprachausdrücken, Metaphern und Bedeutungsinhalten hinzu, wobei es sich heutzutage zum Teil um Lehnübersetzungen aus dem Angloamerikanischen handelt. All dies wird an Hand einer Gruppe von Sprichwörtern erläutert, die sich mit dem Themabereich „Freiheit" befassen. Es geht um Sprichwörter, die sich bis auf die Antike („Die Gedanken sind frei"), die Bibel („Der Mensch denkt, Gott lenkt") und das europäische Mittelalter („Als Adam grub und Eva spann, wer war da ein Edelmann?") zurückführen lassen. Aus späteren Jahrhunderten kommen andere Sprichwörter wie etwa „(Stadt)Luft macht frei" sowie der furchtbare Missbrauch des Sprichwortes „Arbeit macht frei" zu diesem sprach- und kulturgeschichtlichen Überblick hinzu, der mit einer Diskussion des modernen amerikanischen Sprichwortes „Different strokes for different folks" mit seiner Gefahr der Relativierung des Freiheitsbegriffs und dessen Verhältnis zu deutschen Sprichwörtern abgeschlossen wird.
The internationally renowned conference of the European Association for Lexicography (EURALEX) has taken place every two years for the past 39 years. Last year’s conference, held July 12th–16th, 2022, marked EURALEX’s 20th edition, and more than 200 international participants gathered at Mannheim Palace to discuss current developments, learn about new projects, and present their own work — either in lexicography or in one of the many applied or neighboring disciplines such as corpus and computational linguistics.
Mit der Tagung zu Bauernkomödien des 17. Jahrhunderts verfolgten Markus Denkler (Münster) und Michael Elmentaler (Kiel) ein ungewöhnliches Konzept, das einen besonders intensiven wissenschaftlichen Austausch ermöglichte: Gemeinsame Textgrundlage für alle Beitragenden stellten zwölf hoch- und niederdeutsche Bauernkomödien aus dem 17. Jahrhundert (ca. 1593–1701) dar. Dabei handelt es sich um Dramen mit bäuerlichen Figuren, die eine komödiantische Ausrichtung haben und in Prosaform verfasst sind. Alle Vortragenden erhielten im Vorfeld Zugriff auf die Sammlung und entwickelten daraus in der Folge Fragestellungen für ihre Vorträge. Inhaltlich ergaben sich drei Blöcke. Zwei literaturwissenschaftliche Beiträge ordneten die Textsorte literatur- und kulturhistorisch ein. Daran schlossen sich ein umfangreicher Block zur historischen Dialogforschung und Pragmatik und ein etwas kürzerer zu historischer Varietätenlinguistik und Grammatik an.
Ausgehend von einschlägigen typologischen Parametern (Verbstellung, Kasusmarkierung, analytische und synthetische Konstruktion) werden Aspekte einer allgemeinen morphosyntaktischen Charakterisierung des Deutschen zur Diskussion gestellt. Die deutschen Klammerbildungen werden unter dem Aspekt links- und rechtsverzweigender Serialisierung betrachtet. Es wird dabei erwogen, die Verbalklammer im Hauptsatz als die Überlagerung einer zugrundeliegenden Verbendstellung durch eine pragmatische Satzartenmarkierung anzusehen. Das Verhältnis zwischen Morphologie und syntaktischen Regeln wird im Hinblick auf die ,,Konfigurationalitäts”-Diskussion erläutert. Sowohl bei Verbkonstruktionen als auch bei der Funktionskodierung im nominalen Bereich wird auf die Analytitizität/Synthetizität-Unterscheidung Bezug genommen. Im Rahmen dieser Parameter erscheint das Deutsche als ein sprachtypologischer „Mischtyp", der aber insgesamt durch weitgehende funktionale Konvergenz der typologisch unterschiedlichen Strukturen und Verfahren gekennzeichnet ist.