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"damit sie mich verstehen" : Genese, Verfahren und recipient design einer narrativen Performance
(2009)
Kultur ist nicht nur zu einem Schlüsselbegriff der Geisteswissenschaften geworden, sondern wird auch entterminologisiert als Alltagsbegriff benutzt. In diesem Beitrag wird untersucht, wie der Ausdruck Kultur (einschließlich Derivationen und Komposita) in der mündlichen Interaktion verwendet wird. Auf Basis von 82 Instanzen im Korpus FOLK des IDS Mannheim wurde festgestellt, dass der Ausdruck von SprecherInnen in zumeist semiformellen bis formellen Interaktionstypen benutzt wird. Es findet sich ein breites Spektrum unterschiedlicher, teils ineinander übergehender Bedeutungen, welches dem der wissenschaftlichen Literatur der Kulturtheorie ähnlich ist. Dabei lassen sich jeweils relevante Kernbedeutungen identifizieren, mit denen mehr oder weniger vage assoziierte Bedeutungen verbunden sind. Kultur zeigt sich als kontroverser Begriff: Die Referenz von Kultur, die Wertung und seine Relevanz als Erklärungsressource sind häufig umstritten.
Anhand einer konversationsanalytischen Untersuchung wird eine unter männlichen Jugendlichen weit verbreitete Praktik aggressiven Sprechens, das sog. gissen“, dargestellt. Die Untersuchung der sequenziellen Organisation, der Teilnehmerkonstellation und der spezifischen semantischen und gestalterischen Eigenschaften von ,Diss-Scquenzen‘ zeigt, dass,Dissen1 zur spielerischen Herabsetzung des Opponenten vor einem w-groi/p-Publikum abzielt. Dabei zeigt sich eine charakteristische Doppelstruktur von Spaß und Ernst: Entgegen der offiziellen Modali- sierung der Aktivität als unernst, stellt ,Dissen* ein prominentes Verfahren zur Verhandlung von Charakter, Status und moralischen Ansprüchen in jugendlichen peer-groups dar.
Physische oder psychische Schädigung und die Erfahrung von Hilflosigkeit sind zwei Grundvoraussetzungen für Traumatisierung. Hilflosigkeit ist ein Zustand extrem reduzierter Agency im Angesicht von Gefahr und drohender Schädigung. Wenn Erzähler Gewalterfahrungen darstellen, beinhaltet dies nicht nur die Darstellung reduzierter Agency, sondern auch die Auseinandersetzung damit, wie Gewalt motiviert war: Wer war verantwortlich für die Gewaltausübung? Wie schuldhaft war sie? Gab das erzählte Selbst Anlass zu gewalttätigen Reaktionen? Da Fragen nach Verantwortung, Schuld und Absicht zentral für das Erleben und die Bewältigung von Gewalterfahrungen sind, ist die Frage, wie Agency zugeschrieben wird, grundlegend für die Analyse von Erzählungen traumatischer Gewalterfahrungen. Lucius-Hoene (2012) hat aufgezeigt, dass Agency im Erzählen auf verschiedenen Ebenen relevant wird. Die vorliegende Untersuchung befasst sich mit der Ebene der narrativen Darstellung der Gewalterfahrung, d.h. der Darstellung von Opfer- und Täterschaft, Macht und Hilflosigkeit, Schuld und Rechtfertigung von Gewalt. Nach einer kurzen Einführung in soziologische, philosophische und linguistische Konzepte von Agency werden zwei Typen von Erzählungen physischer Gewalterfahrungen kontrastiert. Die Untersuchung konzentriert sich auf die narrativen Praktiken der Zuschreibung von Schuld und Verantwortung.
Analytikerwissen, Teilnehmerwissen und soziale Wirklichkeit in der ethnographischen Gesprächsanalyse
(2013)
Anglizismen in Skatermagazinen : zur Behandlung jugendkultureller Medien im Deutschunterricht
(1998)
In sprachpragmatischen und Argumentationstheorien wird Aufrichtigkeit als normative Kommunikationsbedingung veranschlagt, deren Erfülltheit jedoch nur sehr begrenzt verhandelbar sei. Im Gegensatz dazu wird in diesem Beitrag anhand eines Gesprächsbeispiels untersucht, welche Relevanz Gesprächsteilnehmer Aufrichtigkeit beimessen, mit welchen Argumenten sie Aufrichtigkeit verhandeln und welche Funktionen die Argumente und Relevanzsetzungen im Hinblick auf den Gesprächszweck und die Handlungsorientierungen der Interaktanten haben. Die gesprächsanalytischen Resultate deuten darauf hin, daß zwischen erfahrungsbezogenen und strikt mentalistischen Kriterien für Aufrichtigkeit zu unterscheiden ist und daß der interpretativen Haltung des Rezipienten eine theoretisch bislang unterschätzte Rolle für die Beurteilung und Kommunikationsrelevanz der Aufrichtigkeit eines Kommunikators zukommt. Die empirische Untersuchung zeigt, daß die Thematisierung von Aufrichtigkeit eine mächtige rhetorische Ressource der Gesprächssteuerung darstellt. Ihre rhetorische Wirksamkeit beruht nicht darauf, daß Aufrichtigkeit eine faktisch konstitutive Kommunikationsbedingung ist, sondern verdankt sich der Tatsache, daß Aufrichtigkeit ein zentraler Wert einer alltagsweltlich dominanten mentalistischen Kommunikationsideologie ist, die sich in den normativen Bestimmungen von sprachpragmatischen und Argumentationstheorien reflektiert.
In diesem Beitrag werden Möglichkeiten und Grenzen einer konversationsanalytischen Erforschung wortsemantischer Fragestellungen exploriert. Anhand der Verwendung des Ausdrucks „Freiheit“ in unterschiedlichen Phasen einer umweltpolitischen Diskussion wird gezeigt, wie Gesprächsteilnehmer durch metasemantische Aktivitäten die Bedeutung des Ausdrucks kontextsensitiv lokal jeweils neu und in konkurrierender Weise konstituieren. Aus der Fallanalyse werden Überlegungen zur Adäquatheit semantiktheoretischer Konzepte als Instrumente zur Rekonstruktion situierter Wortverwendung und zu möglichen Leistungen der Konversationsanalyse als Methodologie semantischer Untersuchungen entwickelt.
Authentizitätsrhetorik
(2000)
Authentizität hat bislang wissenschaftlich eine prominente Rolle als zentraler Kritik- und Zielbegriff normativer Subjekttheorien gespielt. Authentizität wird jedoch schon in der Alltagspraxis zur Beurteilung von Personen benutzt. Eine wesentliche Form ist dabei die Unterscheidung von „echten“ und „unechten“ Mitgliedern sozialer Kategorien, durch welche ein Verhältnis von Identität und Alte- rität innerhalb von Kategorien geschaffen wird. Die rhetorische Konstruktion solcher Unterscheidungen wird im Folgenden anhand von Medienerzeugnissen einer jugendlichen Subkultur analysiert. Authentizität wird also weder essentialistisch als Eigenschaft des Subjekts behandelt noch normativ als forscherseitiges Kriterium veranschlagt, sondern es wird rekonstruiert, wie sie zum Gegenstand kommunikativer Verhandlung wird. Dabei interessiert,
• mit welchen sprachlich-rhetorischen Strategien Alltagsakteure Authentizitätskriterien konstruieren und anwenden,
• welche Systematiken und Dilemmata der Zuschreibung von Authentizität sich mit unterschiedlichen Authentizitätskriterien verbinden,
• welche sozialen Funktionen die Ab- und Zuerkennung von Authentizität hat.
be-deuten: Vorwort
(2002)
Der Beitrag erkundet die Eignung der Construction Grammar als Rahmentheorie für eine Grammatik der gesprochenen Sprache. Ausgangspunkt der Construction Grammar sind zwei, gerade für gesprochene Sprache sehr häufig zutreffende Beobachtungen: Phrasen- und Satzstrukturen sind oft semantisch nicht kompositional; syntaktische Regeln sind meist nicht formal und allgemein, sondern nur von begrenzter, semantisch und lexikalisch restingierter Reichweite. Im Beitrag werden drei zentrale Thesen der Construction Grammar vorgestellt: Konstruktionen seien das umfassende, letzten Endes alle Aspekte sprachlicher Praxis integrierende Beschreibungsmodell für sprachliches Wissen; Langackers Symbolic Thesis, nach der Konstruktionen nicht rein formal sind, sondern stets auch eine eigene Semantik bzw. Pragmatik besitzen; das Usage-based Model, nach dem Prozesse der Routinebildung und der sukzessiven induktiven Schematisierung für den Erwerb und die Repräsentation von Konstruktionen maßgeblich sind. In Bezug auf diese drei Thesen werden Konvergenzen zwischen Ansätzen und Befunden der Gesprächsanalyse bzw. der Interaktionalen Linguistik diskutiert. Der Beitrag plädiert abschließend für eine Verknüpfung von sequenzanalytisch-interpretativen und korpuslinguistischen Methoden sowie für den Versuch der Integration kognitiver und interaktionaler Betrachtungsweisen.