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The paper attempts to bridge the gap between semantics and the conceptualization and teaching of grammar at secondary school exemplarily concerning German demonstratives dies- and jen-. I show that existing accounts of these demonstratives in reference grammars and school books are far from being satisfactory, whilst at least for dies-, if not for jen-, there exist comprehensive linguistic analyses. I adapt these to offer a semantic analysis for jen- using corpus data from modern German with pronominal and adnominal jen-, and propose a didactically applicable category of 'shared mental space' of the speaker and the hearer for the demonstratives: I argue that speakers use demonstrative reference to anchor the referent inside resp. outside their and the hearers' shared mental space.
Eine korpuslinguistische Untersuchung mit umfassender Analyse der häufiger vorkommenenden Adverbbildungsmuster des Deutschen legt nahe, dass die Sättigung des internen Argumentplatzes eines ursprünglich relationalen Ausdrucks eine wichtige Rolle bei der Adverbproduktion spielt (Brandt 2020). Eine genauere Betrachtung der Unterschiede zwischen -ermaßen- vs. -erweise-Adverbien deutet auf eine grammatische Unterscheidung zwischen Satzadverbien und Adverbien der Art und Weise: Im Fall von -ermaßen erfolgt die Sättigung über Token-Reflexivität, während der interne Slot von -erweise- Bildungen über häufigere und möglicherweise expansive Mechanismen geschlossen wird. Darüber hinaus fördert die pleonastische Qualität von Bildungen auf der Basis gerundivaler Partizipien die Produktivität von -erweise Adverbien.
Der Beitrag thematisiert einen in der Forschung bislang kaum beachteten Parameter für grammatische Variation im Standard: die Arealität. Im ersten Teil folgen Begriffsklärungen, zunächst zum Terminus areal (mit einer Stellungnahme zur Debatte um das Deutsche als plurizentrische bzw. pluriareale Sprache), dann zu der Frage, wie Standard als Gebrauchsstandard definiert werden kann und in welcher Relation dazu der Terminus Kodex steht. Danach wird mit Blick auf das Projekt „Variantengrammatik des Deutschen“ aufgezeigt, wie areale grammatische Variation im Deutschen empirisch zu beschreiben ist. Der letzte Teil präsentiert Fallbeispiele, anhand derer sich das Erfassen von Varianten - von der Recherche in einem areal ausgewogenen Korpus bis zu ihrer Kodifikation in den Gebrauchsstandards des Deutschen - nachzeichnen lässt.
Aufbauende Operationen
(1997)
Der vorliegende Band enthält die Beiträge eines Kolloquiums am Institut für Deutsche Sprache, Mannheim, in dem das komplexe und moderne Werk sowie das systematische Arbeiten Johann Christoph Adelungs gewürdigt wurde. Die Beiträger und Beiträgerinnen des Bandes stellen das kulturgeschichtliche Denken Adelungs, sein lexikographisches Werk, seine grammatischen, orthographischen und stilistischen Arbeiten unter spezifischen Fragestellungen dar: Adelungs durch Herder inspiriertes Verständnis von Kulturgeschichte bildet gleichsam das Prinzip seiner Arbeit. In Beispielen wird die Adelung-Rezeption beschrieben ebenso wie die Bedeutung seines Werks für heutige sprachhistorische Forschung. Dass Adelung mit seinen Arbeiten in Spannungsfelder einzuordnen ist, machen diejenigen Beiträge deutlich, die ihn als Traditionalisten und als Vertreter der beginnenden Moderne zeigen, als Sprachgelehrten mit präskriptiven und deskriptiven Anliegen, als konservativen Denker und Aufklärer zugleich. Insgesamt gibt dieser Band einen Überblick über die Komplexität von Adelungs Schaffen und über den Stand der Forschung.
This study builds on a large body of work on the use of linguistic forms for requests in social interaction. Using Conversation Analysis / Interactional Linguistics, this study explores the use of two recurrent linguistic formats for requesting in spoken German – simple interrogatives ('do you do ..?') and kannst du VP? ('can you do..?') interrogatives. Based on a corpus of video-recorded, naturally occurring data of mundane data, this study demonstrates one of the interactional factors that is relevant for the choice between alternative interrogative request formats in spoken German – recipient's embodied availability before and during the request initiation. It is shown that simple interrogatives are used to request an action from a recipient who is either available or involved in their own project, which, however, does not have to be suspended or interrupted for the compliance with the request. In contrast, kannst du VP? interrogatives occur in environments in which the recipient is already engaged in a project that must be suspended in order to grant the request.
Die Terminologielehre(speziell die Terminologielehre nach Eugen Wüster)liefert eine Basis und Methoden für terminologische Anwendungen in der Praxis. Viele Unternehmen und Institutionen richten ihr Terminologiemanagement danach aus. Nach einer kurzen Vorstellung der entsprechenden Ziele und Prozesse werden wichtige Typen von Begriffssystemen dargestellt, und es wird aufgezeigt, welche positiven Effekte das Erarbeiten von Begriffssystemen auf die Qualität der Terminologiearbeit hat. Als nächster inhaltlicher Schwerpunkt werden Möglichkeiten und Besonderheiten der Terminologieverwaltung unter besonderer Berücksichtigung der Eintragsmodellierung in terminologischen Datenbanken erörtert. Den Abschluss der Betrachtungen bildet die Zusammenführung der zwei Bereiche: Welche Optionen stehen für die Repräsentation von Begriffssystemen in Terminologieverwaltungssystemen zur Verfügung bzw. können dort umgesetzt werden?
Besser als gedacht
(2021)
Das grammatische Wissen von Lehramtsstudierenden ist besser als gedacht. Im Basisartikel (s. Döring/Elsner in diesem Band) wird darauf verwiesen, dass Studien zeigten, dass bei Studierenden zu Studienbeginn das grammatische Wissen nicht in dem gewünschten Maße vorhanden ist und dass auch die universitäre Lehre keinen Ausgleich dieser Defizite bewirken muss. Dennoch bleibt die Frage, ob das, was in den Studien gemessen wird, nicht eher dem terminologischen Wissen entspricht, was bei Studienbeginn nicht vorhanden sein muss, weil der Grammatikunterricht viel zu lang zurückliegt und im Studienverlauf genau diese Termini entweder keine Rolle spielen oder kritisch diskutiert werden, sodass die Fragen auch nicht mehr so einfach beantwortet werden können. Hinter diesen Studien steckt doch letztlich die Frage, welcher Wissensbestand und welcher Wissenszuwachs gemessen werden soll und ob die verwendeten Methoden das geeignete Mittel darstellen. Daher möchten wir in diesem Kommentar aufzeigen, in welcher Weise unserer Meinung nach Lehramtsstudierende solide grammatische Kenntnisse aufweisen (können), in welcher Hinsicht epistemische Überzeugungen von Lehrenden einen Einfluss haben können und welche Aspekte in der unversitären Lehre (im Bereich der Grammatik) zusätzlich berücksichtigt werden sollten, um einen nachhaltigeren Lernerfolg zu ermöglichen. Dies ist durchaus als optimistischer Beitrag zu verstehen, insofern als sich die universitäre Hochschullehre für Lehramtsstudierende im Bereich der Grammatik im positiven Sinne auf den Weg gemacht hat.
Blogg Dir deinen Urlaub nach Tunesien! Zur Erläuterung des Musters [VImp PROPReflexivDat NPAkk]
(2020)
In diesem Beitrag soll das Muster [VImp PROPReflexivDat NPAkk] semantisch und syntaktisch erläutert werden. Dieses Muster, das semantisch mit Verben des Erwerbens wie anschaffen korreliert, wird auch im Zusammenhang mit Kommunikationsverben wie bloggen und facebooken sowie mit dem Kontaktverb rubbeln belegt. Mithilfe des Konzeptes der Koerzion bzw. der semantischen Anpassung soll das Kovorkommen des erwänhten Musters mit diesen Verben beschrieben und erklärt werden. Als empirische Quelle dient das Korpus für das Deutsche 2012 und 2014 aus den Corpora from the Web. Die vorliegende Untersuchung ist im Rahmen meiner Dissertationsarbeit zum Thema Argumentstruktur und Bedeutung medialer Kommunikationsverben des Deutschen und des Spanischen im Sprachvergleich durchgeführt worden.
Coronaparty, Jo-jo-Lockdown und Mask-have – Wortschatzerweiterung während des Corona-Stillstands
(2021)
Der Beitrag erläutert die Grundideen und Potenziale einer konsequenten hypermedialen Informationsvernetzung im WWW. Dazu werden Verfahren der automatischen Hyperverknüpfung vorgestellt, die Rolle der Sprachtechnologie in diesem Zusammenhang diskutiert und die Bedeutung der XML-Standards für die Verwirklichung einer dichten Hypervernetzung erklärt.
Von der Frühen Neuzeit bis ins 20. Jahrhundert sind Fremdwörter im Deutschen Gegenstand unterschiedlicher Diskurse:
- eines sprachstrukturellen Diskurses, in dem grammatische und lexikalische Fragen in Bezug auf Fremdwörter erörtert werden (Definition von Fremdwörtern; ihre Eingliederung in das System des Deutschen; ihre Funktion, Bezeichnungslücken zu schließen);
- eines sprachideologischen Diskurses, in dessen Kontext der Fremdwortpurismus in seiner kulturpatriotischen bis nationalistischen Begründung fallt (Reinheit als Sprachqualität; Behauptung der Gefahrdung sprachlicher und kultureller Identität durch das Fremde);
- eines sprachpädagogischen und sprachsoziologischen Diskurses, der auf die Korrelation von Bildung und Fremdwortbeherrschung abhebt und auf der Annahme einer Korrelation von sprachlichen mit kognitiven Fähigkeiten beruht (Fremdwörter als Träger neuer Ideen vs. Fremdwörter als Barrieren des Zugriffs auf Wissen);
- eines sprachpflegerischen Diskurses, der 1. Fragen der rhetorisch-stilistischen Gestaltung von Sprache durch Fremdwörter thematisiert und 2. das Problem einer kommunikativen Ethik aufgreift (Fremdwörter als Ausdruck von Pseudogelehrtheit oder oberflächlicher Modernität verhindern die Deckung von Wort und Sache und gefährden die Aufrichtigkeit des Gesprächs mit dem Anderen).
Der Beitrag will auf der Basis eines Corpus grammatischer, sprachtheoretischer, rhetorisch-stilistischer, sprachkritischer und anderer Schriften Aspekte des Konzepts des Fremdworts für die neuhochdeutsche Zeit skizzieren.
Grammis ist eine Online-Plattform des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache, die Forschungsergebnisse, Erklärungen und Hintergrundwissen zur deutschen Grammatik präsentiert. Das Angebot zielt einerseits auf linguistische Laien, die sich für grammatische Phänomene interessieren; andererseits auf die Fachöffentlichkeit, indem es aktuelle wissenschaftliche Meilensteine des IDS dokumentiert. Für beide Nutzungsgruppen werden im Beitrag exemplarische Inhalte vorgestellt. Weiterhin sollen erste Ergebnisse einer explorativen Nutzungsstudie sowie jüngere technische Neuerungen vorgestellt werden.
Ausgehend von fundamentalen Einsichten konversationsanalytischer
Interaktionsforschung zum zentralen Stellenwert, den leibliche Kopräsenz und wechselseitige Wahrnehmung für die Ausgestaltung unserer interaktiven Praktiken besitzen, untersucht der Beitrag deiktische Praktiken in der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht. Deixis – verbales und gestisches Zeigen für einen Anderen – kann phylo- und ontogenetisch (Tomasello 2003, 2006, 2008) als privilegierte Schnittstelle zwischen Interaktion und Grammatik, zwischen Sprache, menschlichen Körpern, Objekten, Wahrnehmung und Raum betrachtet werden. Auf der Grundlage eines breit angelegten Videokorpus unterschiedlicher Genres werden deiktische Zeigehandlungen als situierte, körpergebundene Praktiken analysiert und systematisch auf transsituative Gemeinsamkeiten und Unterschiede befragt. Die Ergebnisse der empirischen Analysen zur demonstratio ad oculos (dem Zeigen auf Sichtbares, Bühler 1965) und zur Deixis am Phantasma (dem Zeigen auf Unsichtbares, ebd.) werden in einen übergreifenden theoretischen Modell integriert. In dem multimodalen Modell wird Deixis als situierte, die interaktiven, kognitiven und perzeptorischen Ressourcen aller Beteiligten mobilisierende Praxis gemeinsamer Aufmerksamkeitsfokussierung begriffen (Stukenbrock 2015b).
Der inhumane Dativ
(2013)
Der Beitrag vertritt die These, daß grammatische Integration von Fremdwörtern zwar ständig stattfindet, daß sie aber nicht verstanden werden kann als eine einsinnige Bewegung auf das Kernsystem hin. Auch die Feststellung, das Kernsystem ändere sich unter dem Einfluß der Peripherie, reicht nicht aus. Vielmehr scheinen sich durch die Aufnahme großer Mengen fremder Wörter strukturelle Epizentren herauszubilden, die einerseits stabil sind, andererseits als fremd erkennbar bleiben. Thematisiert wird die Fremdwortintegration in Bezug auf die Wortstruktur, vor allem die phonologische und morphologische Struktur. Wie weit sie mit der syntaktischen Integration interagiert, kommt nur am Rande zur Sprache.
Wohlgeformte XML-Dokumente lassen sich als Bäume interpretieren und diese wiederum durch Grammatiken beschreiben. Dokumentgrammatiken weisen einige Besonderheiten auf, die sie von Grammatiken für natürliche Sprachen oder Programmiersprachen unterscheidet. Dieser Beitrag erläutert die Verarbeitungsmöglichkeiten, die aus der Nutzung von formalen Dokumentgrammatiken erwachsen.
Einzelsprachliche wissenschaftliche Grammatiken - nur von ihnen ist die Rede - haben eine ganze Reihe von Anwendungen außerhalb von universitärer Lehre und Forschung, die sich in ihrem Adressatenbezug niederschlagen sollten. Der folgende Beitrag möchte die Aufmerksamkeit auf solche Anwendungen richten, die das Verhältnis von Sprache, Sprachwissenschaft und Öffentlichkeit betreffen. An einschlägigen Beispielen wird vorgeführt, welche Art von grammatischem Wissen für welche dieser Anwendungen von Interesse sein kann. Das Plädoyer für einen Rückgriff auf grammatisches Wissen ist auch ein Plädoyer für eine bestimmte Art von Grammatik, wir nennen sie die 'funktionale'. Wir schreiben an ihr, indem wir Lösungen für außerhalb der Grammatikforschung auftretende Probleme anbieten.
Dieser Beitrag berichtet nicht nur über „Neues vom heutigen Deutsch“, sondern auch „vom alten Deutsch“, das bislang nicht gehoben wurde. Tief in grammatische Strukturen eingelassen verstecken sich (historische) Geschlechterkonzepte, die weit über das hinausgehen, was die Linguistik zu eindimensional unter Sexus versteht. Vielmehr geht es um Gender, um Geschlechterordnungen, die Frauen und Männern ihre sozialen Plätze zuweisen. Zuwiderhandlungen werden durch grammatische Devianzen und ‚Fehlklassifikationen‘ geahndet. Dabei werden die beiden Nominalklassifikationen des Genus (die Tunte, das Weib) und der Deklinationsklasse (die Vögte vs. die Strolche) analysiert. Als Drittes werden syntaktisch verfestigte Sprachgebrauchsmuster in Gestalt von Binomialen beleuchtet. Als gehärtete Folgen koordinierter Personenbezeichnungen kodieren sie geschlechterhierarchische Rangfolgen (Mann und Frau, Mama und Papa) und erweisen sich dabei ebenfalls als Reflexe von Sozial- und Geschlechterordnungen: Männer treten dabei (immer noch) vor Frauen, Mütter aber zunehmend vor Väter und vor allem Mamas vor Papas.
This study explores the interdependence of qualitative and quantitative analysis in articulating empirically plausible and theoretically coherent generalizations about grammatical structure. I will show that the use of large electronic corpora is indispensable to the grammarian's work, serving as a rich source of semantic and contextual information, which turns out to be crucial in categorizing and explaining grammatical forms. These general concerns are illustrated by the patterns of use of Czech relative clauses (RC) with the non-declinable relativizer co, by taking a set of existing claims about these RCs and testing their accuracy on corpus material. The relevant analytic categories revolve around the referential type of the relativized noun, the interaction between relativization and deixis, and the semantic relationship between the relativized noun and the proposition expressed by the RC. The analysis demonstrates that some of the existing claims are fully invalid in the face of regularly attested semantic distinctions, while others are more or less on the right track but often not comprehensive or precise enough to capture the full richness of the facts. 1
To reach even language users not acquainted to the use of grammars the Institut für Deutsche Sprache in Mannheim (Germany) looked for new ways to handle grammatical problems. Instead of confronting users with abstractions frequent difficulties of German grammar are introduced in form of exemplary questions like „Which form should be used or preferred: Anfang dieses Jahre or Anfang diesen Jahres? Looking through the long list of such questions even laymen may find solutions of grammatical problems they might not be able to formulate as such.
Die Nutzung von Korpora hat die Grammatikforschung in den letzten Jahren wirkungsvoll vorangebracht und birgt immer noch großes Potenzial. Korpora vermitteln Einsichten in den Sprachgebrauch und ermöglichen es, auch Phänomenen auf die Spur zu kommen, die in der Grammatikografie bisher unbeachtet blieben. Die Beiträge zur Dritten Internationalen Konferenz Grammatik und Korpora (Mannheim 2009) thematisieren zum einen korpusgestützte grammatische Untersuchungen zu verschiedenen Sprachen, zum anderen übereinzelsprachlich ausgerichtete methodologisch-korpuslinguistische Ansätze. Einblicke in laufende Forschungsvorhaben runden den Band ab, der sowohl für Grammatiker mit Interesse an korpuslinguistischen Methoden als auch für Korpuslinguisten gedacht ist, die grammatiktheoretische Fragen nicht ignorieren wollen.
grammis ist ein wissenschaftlich basiertes Online-Informationssystem zur deutschen Grammatik und Orthografie, das Erklärungen und Hintergrundwissen für Sprachinteressierte und Deutschlernende weltweit bietet. Neben genuin grammatischen Themen enthält es auch für das Rechtschreiblernen gewinnbringende Inhalte. Im vorliegenden Beitrag werden seine orthografischen Komponenten veranschaulicht und aktuelle Neuerungen im Zusammenhang mit seiner Integration in eine im Entstehen befindliche digitale Vernetzungsinfrastruktur für die Bildung erläutert.
Grammatik und Variation im Spannungsfeld von Sprachwissenschaft und öffentlicher Sprachreflexion
(2017)
Der Beitrag bezieht systematische und funktionale Faktoren zur Erklärung grammatischer Variation aufeinander, indem er ausgehend von der Annahme eines rekursiven Systems mit konfligierenden Teilsystemen ‚System‘ als Möglichkeitsraum für (funktional ausdifferenzierte) Variation versteht. Inwiefern die vom System bereitgestellten Möglichkeiten grammatischer Variation im Sprachgebrauch genutzt werden, diskutiert der Beitrag anhand der lexikographischen Praxis der Erfassung von grammatischer Variation im Dudenband 9 „Richtiges und gutes Deutsch“. Mit diesem Material werden nicht nur zentrale Bereiche grammatischer Variation rekonstruiert, sondern auch Zentralbereiche grammatischer Variation mit diasystematischen Variationsdimensionen korreliert.
The paper provides a survey about grammatical variation in German and discusses the consequences for grammar books: How can they describe systematic differences between several varieties as well as the core system of German as an individual language? Proceeding from the differentiation between extra- and intralinguistic explanations for grammatical variation and from theoretic considerations on the notion of 'system' the paper discusses different possibilities of modeling the relationship between system and variation. It argues for a modular concept with a core system that provides the option of internal variation and modular systems that contain grammatical phenomena which are specific for certain varieties.
Der Blick auf die Syntax und generell auf die Grammatik ist traditionell aszendent, 'von unten nach oben' gerichtet: Einer Wortgrammatik folgt eine Satzgrammatik und dieser eventuell eine Textgrammatik. Doch wir schreiben und sprechen weder in Wörtern noch in Sätzen, sondern wir produzieren Texte und Gespäche. Deshalb musste auch der diametral entgegengesetzte Blick, der zu einer deszendenten Grammatik fuhrt, möglich sein. Eine solche Grammatik liegt mit der Grammatischen Textanalyse (= GTA), einer funktionalen Syntax des Gegenwartsdeutschen vor, die das grammatische System 'von oben nach unten' - von der Text- (Textglieder) über die Satz- (Satzglieder) zur Wortgruppenebene (Wortgruppenglieder) - modelliert. Im Beitrag werden Grundlagen und Leitbegriffe der GTA vorgestellt und an ausgewählten Phänomenen exemplifiziert.
Für die mediale Dimension grammatischer Variation spielt die Unterscheidung von Gespräch und Text eine wichtige Rolle. Implizit wird dabei die Kategorie Text mit schriftlich realisierter Sprache und die Kategorie Gespräch mit mündlich realisierter Sprache identifiziert. Diese Zuordnung wird in Anbetracht der mediatisierten, hypermedialen Präsentations- und Kommunikationsformen im Internet zunehmend fragwürdig. Der Beitrag zeichnet die Diskussion um die varietätenlinguistische Einordnung der internetbasierten Kommunikation nach und führt das Oppositionspaar „textorientiert“ vs. „interaktionsorientiert“ ein, das es ermöglicht, auf der schriftlichen (medial graphischen) Ebene zwischen zwei Konstellation zu unterscheiden, in denen nähesprachliche Sprachmerkmale gehäuft auftreten: (1) Das interaktionsorientierte Schreiben in der internetbasierten Kommunikation und (2) die fingierte Mündlichkeit in literarischen Texten, die dem textorientierten Schreiben zuzuordnen ist. Am Fallbeispiel der interaktiven Einheit HM wird illustriert, wie frei verfügbare Korpusressourcen genutzt werden können, um die Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Interferenzen zwischen der Verwendungen interaktiver Einheiten in Gespräch, Text und internetbasierter Kommunikation zu untersuchen.
Eine am Gebrauch orientierte Sprachbeschreibung ist auch in der Grammatik mit sprachlicher Variation und mit Veränderungen des Gebrauchs konfrontiert. Anhand dreier Beispiele aus dem zentralen Bereich der deutschen Grammatik soll gezeigt werden, dass sich in der Variation, die man dort beobachtet, eine funktionale Nutzung des vorhandenen Inventars darstellt. Diese funktionale Nutzung ist dadurch gekennzeichnet, dass seltenere und daher synchron auffälligere Konstruktionen für spezifische Funktionen genutzt werden. Der Genitiv ist tatsächlich aus formalen Gründen seiner Morphologie auffällig. Er ist nicht vom Dativ unterschieden beim Femininum, doppelt markiert bei den starken Maskulina und Neutra und nur beschränkt bildbar im Plural. Diese Eigenheiten beschränken seine Nutzung als normaler Kasus. Gerade aber die auffällige Markierung mit dem Element {-(e)s} hat dazu geführt, dass der Genitiv nun zur Anzeige genereller Abhängigkeit genutzt wird, und zwar als Genitivattribut wie als unmarkierte Form bei einer Gruppe von Präpositionen (wie ‚dank‘, ‚trotz‘, ‚wegen‘, ‚entlang‘ usw.). Beim zweiten Fall, dem Verhältnis von starken und schwachen Verben, zeigt sich, dass der Übergang von der starken zur schwachen Flexion, die erkennbar den Normalfall im morphologischen System darstellt, gerade häufige und in ihrer Bedeutung grundlegende Verben (wie ‚geben‘, ‚nehmen‘ usw.) nicht betrifft, so dass die starke Flexion als Markierung für solch einen zentralen Status gelten kann. Der dritte Punkt hängt damit zusammen: das Ausgreifen der ‚würde‘-Form als Konjunktiv II (auch bei gut markierten starken Verben) ist so im größeren Zusammenhang der Nutzung von Klammerformen zu sehen.
Grammatische Variation ist der Sprache inhärent und auch aus dem Standarddeutschen nicht wegzudenken. Man beobachtet, dass ein und dieselbe grammatische, semantische oder pragmatische Funktion mit unterschiedlichen grammatischen Mitteln realisiert wird, und umgekehrt, dass eine grammatische Struktur unterschiedliche Funktionen ausüben kann. Die Variation kann mit grammatikinternen Faktoren, grammatikexternen Parametern wie Medium oder Textsorte und außersprachlichen Dimensionen wie Zeit oder Raum korrelieren. In diesem Band werden zunächst verschiedene Perspektiven auf Variation fokussiert wie die historische, die laienlinguistische, die lernerorientierte, die geographische oder die medienorientierte Sicht. Im Weiteren wird in exemplarischen Studien gezeigt, wie grammatische Variation mit Methoden der Korpus-, Computer-, Psycho- und Neurolinguistik empirisch erschlossen wird. Schließlich werden ausgewählte Variationsphänomene aus den Bereichen Phonologie, Morphologie und Syntax analysiert, und es wird demonstriert, wie sich die aktuelle Grammatikforschung zwischen der immer weiter gehenden Spezifizierung von Variationsgründen und der Annahme der freien Variation sowie zwischen Empirie und Theorie hin- und herbewegt.
In this paper we present work in developing a computerized grammar for the Latin language. It demonstrates the principles and challenges in developing a grammar for a natural language in a modern grammar formalism. The grammar presented here provides a useful resource for natural language processing applications in different fields. It can be easily adopted for language learning and use in language technology for Cultural Heritage like translation applications or to support post-correction of document digitization.
Ein multilinguales linguistisches Begriffssystem wird in Form einer Datenbank implementiert, die dem Benutzer den semasiologischen und onomasiologischen Zugriff erlaubt, ihn also zu einem gegebenen Terminus den Begriff und seine Definition und zu einem gegebenen Begriff die Termini in den beteiligten Sprachen finden lässt. Die Mehrfachzuordnung von Begriffen zu Termini ist dabei auf interlingualer Ebene nicht wesentlich verschieden von der Situation in einer monolingualen Ontologie. Für die Normierung einer interlingualen Ontologie werden Grundsätze zur Bildung von Begriffen und von Termini vorgeschlagen. Zwischen den Begriffen bestehen eine Menge von vordefinierten konzeptuellen Relationen, die sie in systematische Beziehungen zueinander setzen und es sowohl dem Verwalter ermöglichen, das System konsistent zu halten, als auch dem Benutzer, im Begriffssystem zu navigieren.
Introduction
(2023)
Conversation is usually considered to be grammatically simple, while academic writing is often claimed to be structurally complex, associated primarily with a greater use of dependent clauses. Our goal in the present paper is to challenge these stereotypes, based on the results of large-scale corpus investigations. We argue that both conversation and professional academic writing are grammatically complex but that their complexities are dramatically different. Surprisingly, the traditional view that complexity is realized through extensive clausal embedding leads to the conclusion that conversation is more complex than academic writing. In contrast, written academic discourse is actually much more ‘compressed’ than elaborated, and the complexities of academic writing are realized mostly as phrasal embedding rather than embedded clauses.
Aus der etwas apophtegmatischen Formulierung des Titels lässt sich die Behauptung ableiten, eine Grammatik der politischen Sprache gebe es nicht. Das kann nun dreierlei heißen: Zum ersten könnte gemeint sein, es gebe keine politische Sprache - womit sich die Frage nach ihrer Grammatik a fortiori erübrigt. Weniger voraussetzungsreich und daher unmittelbar plausibler erscheint ein Verständnis, nach der es zwar eine politische Sprache gebe, diese aber keine eigene Grammatik habe. Vielleicht ist auch die dritte Lesart nur eine spezifischere Interpretation dieser zweiten Lesart: Es sei gar nicht so wichtig, was der Terminus „politische Sprache“ genau bedeute und was ihm in einer wahrscheinlichen Wirklichkeit entspreche. Auf jeden Fall sei sprachliches Interagieren im politischen Raum ein Spezialfall öffentlichen Agierens (unter spezifischen gesellschaftlichen/politischen Konstellationen) insgesamt und zeige daher entsprechende grammatische Präferenzen. Wir wollen in diesem Beitrag Argumente für diese letzte Position versammeln.
Das Thema "Konnektoren" stößt in letzter Zeit sowohl in funktionalen als auch in formalen Arbeiten auf großes Interesse. Das Hauptanliegen des vorliegenden Bandes besteht aus dem Bemühen, einen weiten Blickwinkel anzubieten - sowohl hinsichtlich des theoretischen Rahmens, in dem die einzelnen Beiträge entstanden sind, als auch der Auswahl der Schwerpunkte: Er vereint breit angelegte theoretische Beiträge mit solchen, die sich vorwiegend mit einer semantischen Gruppe von Konnektoren auseinandersetzen. Den Schwerpunkt bilden hierbei Kausalkonnektoren. Darüber hinaus widmen sich einzelne Beiträge den Temporalkonnektoren und Adverbkonnektoren aus verschiedenen Perspektiven oder untersuchen Konnektoren sprachvergleichend in unterschiedlichen Kontexten.
Dabei zielen alle Beiträge trotz verschiedenartiger Theorieansätze darauf ab, verschiedene Klassen von Konnektoren in einer Weise zu analysieren, die in einer operationalisierbaren Methode etwa im DaF-Bereich angewendet werden.
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit dem Gebrauch von konnektintegrierbaren Konnektoren im gesprochenen Deutsch. Die Analyse wird am Beispiel der Adverbkonnektoren deshalb und deswegen als Korrelate zum Subjunktor weil und ausgehend von theoretischen Prämissen aus der traditionellen Grammatik und aus der Gesprächsforschung durchgeführt. Der Gebrauch der genannten Konnektoren wird innerhalb einer Auswahl von Korpusdaten gesprochener Sprache beobachtet, die mehrere verschiedene Gattungen der alltäglichen bzw. der institutionellen Kommunikation umfasst.
Gegenstand dieses Beitrags ist die Entwicklung des graphentheoretischen Analysetools Laniakea, das zur Visualisierung von Phänomenen und Veränderungen in terminologischen Netzwerken entwickelt wurde. Wir führen theoretische Grundlagen, Designentscheidungen und technische Details der Implementierung des Tools aus. Darüber hinaus wird auch eine Beschreibung von Erfahrungen im Fokus des Beitrages stehen, die bei der Anwendung von Laniakea bei der Überarbeitung der terminologischen Ressourcen des Grammatischen Informationssystems grammis, gesammelt wurden.
Mögliche Erklärungshorizonte für grammatische Variation in Übersetzungen können durch kontrastive Unterschiede sowie Textsortenkonventionen für die involvierten Sprachen hergeleitet werden. Weiterhin ausschlaggebend sind die vom Übersetzer verwendeten Übersetzungsstrategien, wie Simplifizierung und Explizierung, die mit Methoden der Korpuslinguistik und der Translationsprozessforschung untersucht werden können. Letztere betreffend liefert das Eyetracking Hinweise auf Problemstellen im Ausgangstext; das Keylogging lässt Rückschlüsse auf die Problemlösestrategien im Zieltext zu. Durch die Triangulation der gewonnenen Produkt- und Prozessdaten kann einerseits der ganzheitliche Übersetzungsprozess und andererseits die Produktion der grammatischen Variation empirisch aufgearbeitet werden.
Für die Grammatikschreibung des Deutschen ist die Negation eine Herausforderung. Das betrifft schon das Inventar der Negationsausdrücke wie nicht, kein oder niemand. In welchem Verhältnis stehen sie zueinander, und wann wird welcher Negationsausdruck gewählt? Die Negationspartikel nicht kann in den meisten Sätzen unterschiedliche Stellungen einnehmen, womit subtile Bedeutungsunterschiede einhergehen. Welchen genauen syntaktischen Status nicht hat, ist bis heute umstritten. Die Negation interagiert auch eng mit der Informationsstruktur, die unter anderem durch Intonation und Akzentuierung ausgedrückt wird. Die Intonation negierter Äußerungen und ihre Auswirkungen auf die Bedeutung werden in diesem Buch besonders gründlich behandelt. Schließlich sind zur Bedeutung der Negation selbst noch wichtige Fragen zu klären, unter anderem die, welche semantischen Objekte überhaupt negiert werden können und was genau durch ihre Negation bewirkt wird.
Das Buch versucht eine Gesamtschau der Grammatik der Negation im Deutschen, die für Fachwissenschaftler, für Studierende und für allgemein Sprachinteressierte, etwa für Lehrende des Deutschen als Mutter- und Fremdsprache, zugänglich sein soll. Die begrifflichen und methodischen Voraussetzungen aller Teile werden leserfreundlich eingeführt. Dadurch ist das Buch auch als Lehrwerk für die Gebiete Syntax, Informationsstruktur und Satzsemantik des Deutschen im Linguistikstudium verwendbar.
Aktueller Sprachwandel wird am deutlichsten an Wörtern erfahren, die als 'Fremdwörter' frisch aus anderen Sprachen übernommen, aus vorhandenen 'Wortbausteinen' neu gebildet werden, aus vorhandenen und fremden Elementen in neuer Weise zusammengesetzt sind oder in alter Form, aber neuer Bedeutung in Umlauf kommen. Auch wertende Meinungen zu Sprachveränderungen beziehen sich meist auf Wörter, die von den einen als unverständlich, hässlich oder überflüssig abgelehnt werden, von den anderen als reizvolle oder praktische Neuerungen in den eigenen Sprachgebrauch übernommen werden.
Die Beiträge dieses Bandes behandeln die Veränderungen, Kontinuitäten und Brüche in der aktuellen Entwicklung des deutschen Wortschatzes und die in der medialen Öffentlichkeit erkennbare Wahrnehmung des Sprachwandels, einschließlich kritischer Bewertungen der Neuerungen. Das Thema wird unter folgenden Aspekten untersucht:
• Der Fremdwortbegriff in der deutschen Sprachgeschichte
• Integration und Stigmatisierung von Fremdwörtern früher und heute
• Grammatische Integration von Fremdwörtern
• Neuere Entwicklungen in der Wortbildung
• Einfaches und Komplexes im deutschen Wortschatz
• Typen von Anglizismen im Deutschen
• Internationalismen im deutschen Wortschatz
• Fremdwörterbücher und Sprachwirklichkeit
• Neologismen der 90-er Jahre
• Neues im Wortschatz der Werbung
• Neues im Wortschatz der elektronischen Kommunikation
• Wortbezogene Sprachkritik in Deutschland
• Zur aktuellen Anglizismendiskussion in den deutschsprachigen Ländern
Innerhalb der generativen Theorien in Chomskys Tradition spielt das Lexikon während der letzten zwanzig Jahre eine zunehmend wachsende Rolle. Dies ist nicht zuletzt auf das Projektionsprinzip zurückzuführen. Es besagt, dass lexikalische Einheiten ihre semantischen und syntaktischen Grundzüge in allen relevanten Repräsentationen in der Grammatik beibehalten (Chomsky 1981). Die Grammatik wird in dieser Sichtweise als lexikalisch getrieben aufgefasst. Es ist deshalb auffallend, dass phraseologische Einheiten in der generativen Grammatik nur eine untergeordnete Rolle spielen, schlicht deshalb weil solche Einheiten als lexikalisch betrachtet werden. Dieser Vortrag geht zuerst auf einige theoretische Debatten ein, in denen der Status von phraseologischen Einheiten behandelt wird. Sodann wird gefragt, welche Funktion diese innerhalb einer generativen Sprachtheorie einnehmen können. Im Zentrum steht eine generative Theorie des Lexikons und das Problem, wie eine solche Theorie möglicherweise die syntaktischen Eigenschaften phraseologischer Einheiten erklären könnte.
This paper deals with a specific type of lexeme, namely binary preposition-noun combinations containing temporal references like am Ende [at (the) end] or für Sekunden [for seconds]. The main characteristic of these combinations is the recurrent internal zero gap. Despite the fact that the omission of the determiner can often be explained by grammatical rules, the zero gaps indicate a higher degree of lexicalization. Therefore, we interpret these expressions as minimal phraseological units with holistic meanings and functions. The corpusdriven exploration of typical context patterns (e.g. using collocation profiles and the lexpan slot filler analysis) shows that a) even such minimal expressions are based on semi-abstract schemes and b) temporal expressions can also fulfill modal or discursive functions, usually with fuzzy borders and overlapping structures. In the case of modalization or pragmatization one can regard such PNs as distinct lexicon entries.
Prosodische Morphologie
(2022)
Der korpuslinguistische Ansatz des Projekts »Korpusgrammatik« eröffnet neue Perspektiven auf unsere Sprachwirklichkeit allgemein und grammatische Regularitäten im Besonderen. Der vorliegende Band klärt auf, wie man korpuslinguistisch nach dem Standard fragen kann, wie die Projektkorpora aufgebaut und in einer Korpusdatenbank erschlossen sind, wie man in einem automatischen Abfragesystem der Variabilität der Sprache zu Leibe rückt und sie sogar messbar macht, schließlich aber auch, wo die Grenzen quantitativer Korpusanalysen liegen. Pilotstudien deuten an, wie der Ansatz unsere grammatischen Horizonte erweitert und die Grammatikografie voranbringt.
Interindividuelle Unterschiede bei der Verarbeitung sprachlicher Strukturen haben bei experimentellen Untersuchungen zur Sprachverarbeitung mittels neurobasierter Verfahren lange Zeit keine oder bestenfalls eine untergeordnete Rolle gespielt. Während individuelle Verarbeitungsstrategien in Abhängigkeit von experimentellen Faktoren (z.B. Aufgabenstellung) relativ gut belegt sind (z.B. probandenspezifisches strategisches Verhalten bei der Verarbeitung von semantischen Relationen; Roehm et al. 2007), wurde der Einfluss von Variation in der Grammatik des Standarddeutschen in Korrelation zu Hirnprozessen bisher kaum berücksichtigt. In diesem Beitrag werde ich auf der Basis dreier EEG-Experimente aus unterschiedlichen Bereichen (Synästhesie, semantische Relationen, Auxiliarselektion bei intransitiven Verben) Beispiele für Verarbeitungskorrelate interindividueller Variation vorstellen und diskutieren.
Sachen charakterisieren
(2014)
Das Schriftsystem ist ein System und es zeigen sich Folgen, wenn Schreibungen gegen den Schreibusus geändert werden. Exemplarisch wird dies erstens an der Veränderung des Verbsuffixes -iren zu -ieren im Nachgang der Rechtschreibreform von 1876 und zweitens der Veränderung von Gruppen wie im Allgemeinen in der Reform von 1996 gezeigt. Beide verursachen unbeabsichtigte Folgefehler. Wie systematisch manche Variation und damit auch mancher Fehler ist, wird sowohl am Komma vor Vergleichssätzen als auch an Fehlern in der Getrennt- und Zusammenschreibung gezeigt. Das Statut des Rechtschreibrates besagt, dass bei der Weiterentwickung des Amtlichen Regelwerks die ständige Beobachtung der Schreibentwicklung, die Klärung von Zweifelsfällen, die Erarbeitung und die wissenschaftliche Begründung von Vorschlägen zur Anpassung des Regelwerks an den allgemeinen Wandel der Sprache im Vordergrund stehen. Das ist zu begrüßen, weil viele Zweifel bei den Zweifelsfällen grammatische und nicht orthographische Ursachen haben.
Words originating from shortening, including acronyms and clippings, constitute a treasure trove of insight into phonological grammar. In particular, they serve as an ideal testing ground for Optimality Theory (OT) and its view of grammar as an interaction of markedness constraints, which express (dis-) preferences regarding phonological structure in output forms, and faithfulness constraints, which require output forms to correspond to input structure (Prince and Smolensky 1993). This is because shortenings are characterised by a sharply diminished role of faithfulness, allowing for markedness constraints to make their force felt (“The Emergence of the Unmarked”). This article aims to demonstrate the heuristic value of shortening data for testing the OT model and for shedding light on various controversies in German phonology. A particular concern is to draw attention to the need for properly sorting the shortening data, to identify influences on phonological structure due to internal domain boundaries or to special correspondence effects potentially obscuring the view on the maximally unmarked patterns.
Silbenkurzwort
(2022)
Recent typological studies have shown that socio-linguistic factors have a substantial effect on at least certain structures of language. However, we are still far from understanding how such factors should be operationalized and how they interact with other factors in shaping grammar. To address both questions, this study examines the influence of socio-linguistic factors on the number of dedicated conditional constructions in a sample of 374 languages. We test the number of speakers, the degree of multilingualism, the availability of a literature tradition, the use of writing, and the use of the language in the education system. At the same time, we control for genealogical, contact, and bibliographical biases. Our results suggest that the number of speakers is the most informative predictor. However, we find that the association between the number of speakers and the number of dedicated conditional constructions is much weaker than assumed, once genealogical and contact biases are controlled for.
Die Beiträge behandeln das Dreiecksverhältnis zwischen der Sprachwissenschaft, ihrem Forschungsgegenstand Sprache und der sprachinteressierten Öffentlichkeit. Neben Linguisten, die den Öffentlichkeitsbezug ihrer Forschungen erörtern, beteiligen sich an der Diskussion auch Fachleute aus Literaturwissenschaft, Schule, Journalismus, Verlagswesen, Politik und Werbewirtschaft. Leitfragen sind:
• Wie sieht die Öffentlichkeit Sprache, und was erwartet sie von der Linguistik, falls sie etwas erwartet?
• Wie sieht die Linguistik ihre Forschungen im Hinblick auf die Öffentlichkeit?
• Welche Wirkungen hat die neuere Linguistik in der Öffentlichkeit schon gezeigt?
• Wie kann der Gegensatz zwischen öffentlichem Bedarf an praxisrelevanter Sprachforschung und den Bedenken vieler Linguisten gegenüber vorschnellen Verwertungserwartungen überwunden werden?
Ergänzt wird der Band durch einen Bericht über die aktuellen Arbeiten des Instituts für Deutsche Sprache.
When searching large electronic corpora of the German language, one finds variation at structurally critical points of the grammatical system. Two examples from the grammar of the noun phrase show that in certain cases this variation helps to ensure the function of a standard language, so that a certain amount of variation belongs to a realistic idea of a standard language. This is shown on the one hand by techniques of expanding the central adjective vocabulary and on the other hand by the choice of morphological alternatives in the area between determiners and attributive adjectives
Standardisierte statistische Auswertungen von Korpusdaten im Projekt "Korpusgrammatik" (KoGra-R)
(2017)
Wir zeigen anhand dreier Beispielanalysen, wie das im IDS-Projekt „Korpusgrammatik“ entwickelte Auswertungstool KoGra-R in der quantitativlinguistischen Forschung zur Analyse von Frequenzdaten auf mehreren linguistischen Ebenen eingesetzt werden kann. Wir demonstrieren dies anhand regionaler Präferenzen bei der Selektion von Genitivallomorphen, der Variation von Relativpronomina sowie der Verwendung bestimmter anaphorischer Ausdrucke in Abhängigkeit davon, ob sich das Antezedens im gleichen Satz befindet oder nicht. Die in KoGra-R implementierten statistischen Tests sind für jede dieser Ebenen geeignet, um mindestens einen ersten statistisch abgesicherten Eindruck der Datenlage zu erlangen.
In Adjektivreihungen ohne Determinierer ('in neuem korpuslinguistisch-em/-en Licht') und in Fügungen aus Pronominaladjektiv und attributivem Adjektiv ('mancher ausbildend-er/-e Betrieb') treten Schwankungen zwischen Parallel- und Wechselflexion auf, die von einem komplexen Zusammenspiel verschiedener grammatischer und außergrammatischer Faktoren beeinflusst werden. Auf der Basis einer explorativen Korpusstudie werden im vorliegenden Beitrag zunächst einschlägige Einflussgrößen identifiziert und deren Effektstärken geschätzt. Im Anschluss wird gezeigt, dass entgegen bisherigen Annahmen nach Pronominaladjektiven keine allgemeine Tendenz zur schwachen Flexion vorliegt, sondern mit Ausnahme des Kontextes Dat. Sg. Mask./Neutr. diachron eine Ausbreitung der Parallelflexion (stark/stark) beobachtbar ist.
Stilfragen
(1995)
Die 30. Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache vom 15. bis 17. März 1994 hatte sich die Aufgabe gestellt, den komplexen Phänomenbereich von "Stilistischem" in der Sprache unter mehreren Aspekten zu beleuchten und Anregungen für einen modernen, linguistisch fundierten Stilbegriff, vielleicht sogar für eine nutzbare Stilistik zu gewinnen. Die in diesem Band versammelten Beiträge nähern sich dem Phänomen Stil unter anderem nach folgenden Dimensionen und Aspekten:
Stil: deskriptiv und normativ
Stilphänomene nach sprachlichen Strukturebenen
Stilistica der gesprochenen und geschriebenen Sprache
Stilwandel
Stilsemiotik
Gesprächsstile
Sprachstil als soziales Merkmal
Stile in interkulturellen Begegnungen
Stil in der Übersetzung
Stile in der Gegenwartsliteratur
Stile in Wissenschaftstexten
Stil als Lehr- und Lerngegenstand
In der Syntaxtheorie gibt es verschiedene Ansätze, um die grammatische Variation zwischen Sprachen zu erfassen. Grundsätzlich lassen sich diese auch auf die grammatische Variation innerhalb einer Sprache anwenden, etwa bei der Beschreibung zweier Dialekte. Innersprachliche Variation weist aber Eigenschaften auf, die nahelegen, eine andere Modellierung vorzunehmen: Die Syntax der Sprache ist unterspezifiziert für die Strukturen, bezüglich derer Variation vorliegt. Sie erzeugt eine Menge von Konstruktionen, die allesamt zur passiven Kompetenz der Sprecher gehören. Im soziolinguistischen Regelsystem der Sprache können dann einige dieser Konstruktionen regionalen oder sozial konstituierten Sprechergruppen oder bestimmten Registern zugeordnet werden, und (nur) diese Zuordnung definiert Dialekte, Soziolekte oder Register. Die Syntax selbst sagt dazu nichts. Neben der Variation durch Auswahl aus einer Konstruktionsmenge liegt auch Variation vor, die aus unterschiedlicher Flexibilität im Umgang mit Konstruktionen resultiert, und - weil verarbeitungsbezogenen - nicht Gegenstand soziolinguistischer Etikettierungen sein kann.
Die meisten, wenn nicht alle natürlichen Sprachen kennen unterschiedliche Satzarten, die in ihrer grammatischen Form – z. B. Konstituentenfolge, verbale Modi, Vorkommen von Interrogativa, spezifischen Partikeln usw. – und/oder ihrer syntaktischen bzw. pragmatischen Funktion – Satzgliedwert; Aussage-, Frage-, Aufforderungsfunktion usw. – besondere Eigenschaften aufweisen. Eine weit verbreitete Intuition besagt, dass allen Satzarten über formale und funktionale Unterschiede hinweg etwas gemeinsam sein muss, das als satzartunabhängiger Bedeutungskern bestimmt werden kann. Dafür sind unterschiedliche Termini in Umlauf, unter denen der Propositionsbegriff eine prominente Rolle spielt. Der vorliegende Aufsatz betrachtet die Satzarten des Gegenwartsdeutschen. Im Anschluss an Wittgenstein, Frege und Lyons entwickelt er eine Begrifflichkeit, mit der die Bedeutungspotenziale von Satzarten beschrieben und verglichen werden können. Der Propositionsbegriff wird in Anlehnung an Lyons über die Möglichkeit einer Auswertung vor Wissenshintergründen und der darauf fußenden Bewertbarkeit hinsichtlich Wahrheit definiert. Es wird detailliert untersucht, welche Satzarten des Deutschen Propositionen in diesem Sinne ausdrücken müssen oder können und welche dies nicht können. Ferner werden formale Ausdrucksmittel identifiziert, die propositionale Lesarten von Sätzen erzwingen, nahelegen oder ausschließen. Es wird deutlich, dass der gewählte Propositionsbegriff nicht den gemeinsamen Bedeutungskern aller Satzarten erfassen kann. Als solcher wird eine weniger komplexe semantische Einheit bestimmt: die Beschreibung eines Sachverhalts.
Valenz und Dependenz. Theorie und Praxis. Festschrift für Professor Ulrich Engel zum 90. Geburtstag
(2018)
In our paper, we present a case study on the quality of concept relations in the manually developed terminological resource of grammis, an information system on German grammar. We assess a SKOS representation of the resource using the tool qSKOS, create a typology of the issues identified by the tool, and conduct a qualitative analysis of selected cases. We identify and discuss aspects that can motivate quality issues and uncover that ill-formed relations are frequently indicative of deeper issues in the data model. Finally, we outline how these findings can inform improvements in our resource’s data model, discussing implications for the machine readability of terminological data.
Basic grammatical categories may carry social meanings irrespective of their semantic content. In a set of four studies, we demonstrate that verbs—a basic linguistic category present and distinguishable in most languages—are related to the perception of agency, a fundamental dimension of social perception. In an archival analysis of actual language use in Polish and German, we found that targets stereotypically associated with high agency (men and young people) are presented in the immediate neighborhood of a verb more often than non-agentic social targets (women and older people). Moreover, in three experiments using a pseudo-word paradigm, verbs (but not adjectives and nouns) were consistently associated with agency (but not with communion). These results provide consistent evidence that verbs, as grammatical vehicles of action, are linguistic markers of agency. In demonstrating meta-semantic effects of language, these studies corroborate the view of language as a social tool and an integral part of social perception.
Das Theonym Gott für den christlichen Gott weist im Frühneuhochdeutschen eine Reihe ungewöhnlicher grammatischer Eigenschaften auf, die in diesem Beitrag korpusbasiert untersucht werden. Zum einen hat es sich von seiner appellativischen Herkunft emanzipiert, wie beispielsweise am fehlenden Artikel deutlich wird, zum anderen nutzt es aber das für einen Namen ungewöhnliche es-Flexiv im Genitiv (Pauls, Gottes) und tritt, wie unbelebte Appellative, als Genitivattribut dominant nachgestellt auf (Haus __ Gottes). In der Schreibung bildet sich die Doppelmajuskel <GOtt> heraus, die es bis ins 18. Jh. visuell von der übrigen Lexik abhebt. Damit weist das Theonym im Frühneuhochdeutschen eine Sondergrammatik auf, in abgeschwächter Form besteht sie bis heute fort. Der Beitrag argumentiert dafür, dass es sich um ein Resultat besonderer kommunikativer Relevanz handelt.
Terminologiearbeit im wirtschaftlichen Kontext geht von zwei Arbeitsphasen aus: einer umfassenden deskriptiven Phase, in der die Begriffsstruktur und der aktuelle Terminologiegebrauch erfasst, aber noch nicht bewertet werden, sowie einer präskriptiven Phase, in der der eigentliche Standardisierungseingriff erfolgt. In der Praxis wird die deskriptive Phase oft reduziert und der Schwerpunkt unmittelbar auf die Präskription gelegt. In unserem Beitrag diskutieren wir das Potenzial, das eine ausführliche deskriptive Terminologiearbeit zur Verbesserung der Wissenskommunikation im Rahmen des Wissensmanagements birgt. Am Beispiel eines wissenschaftlichen Projektes im Bereich Grammatik des Deutschen zeigen wir, wie diese eng an der Theorie orientierte Ausgestaltung der Deskription in der Praxis aussieht, welche Herausforderungen sie mit sich bringt und wie ihre Ergebnisse das Wissensmanagement unterstützen können.
Die Wörterbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft sind eine Fachwörterbuchreihe, die für 25 Bände geplant ist und in der aktuell ca. 12.000 Artikel online stehen. WSK-1 wird in zwei Teilbänden (Formenlehre, Syntax) von Stefan J. Schierholz und Pál Uzonyi herausgegeben. Es handelt sich um ein alphabetisches und teilbilingualisiertes terminologisches Fachwörterbuch, das als Adressaten in erster Linie Studierende sieht und bei der Textrezeption und fachbezogenen Informationen behilflich sein soll. Von insgesamt ca. geplanten 4500 Artikeln sind über 4000 Artikel bereits online erschienen.
Im Folgenden werden die konzeptuelle Ordnung der Termini, die unterschiedlichen Artikeltypen (Synopse-, Einzel-, Verweisartikel), die Verweisstrukturen (uni-, bidirektional; Synonyme, Antonyme, inhaltlich-thematische Verweisungen, Mehrworttermini), die Abbildung der kognitiven Strukturen des Fachwissens, die Lernkomponenet des Bandes sowie der Artikelaufbau vorgestellt.
Der Beitrag bespricht in Abgrenzung zum vorherrschenden onomasiologischen Paradigma der Terminologielehre die Vor- und Nachteile einer semasiologischen Terminologiearbeit und -modelierung. Hierbei wird davon ausgegeangen, dass terminologische Einheiten diskursiv konstituiert werden und dass aus einer relationalen Beschreibung semasiologisch verstandener terminologischer Einheiten eine begriffsorientierte Beschreibung emergent hervorgeht. Zu diesem Zweck empfiehlt der Beitrag ein Prinzip der Zeichenorientierung, mit dem zudem die theoretische Beschreibung von terminologiestrukturierenden Beziehungstypen vereinheitlicht werden kann.
Der vorliegende Text unternimmt den Versuch, einen Beitrag zur grammatischen Analyse von Ellipsen zu leisten, indem kontextkontrollierte Ellipsen und Strukturellipsen konstruktionsgrammatisch verortet und interpretiert werden. In diesem Zusammenhang soll vor allem die Frage nach ihrem eventuellen Konstruktionsstatus im Mittelpunkt stehen. Wie sich zeigen wird, werden die beiden markanten Vertreter der Ellipsenwelt (Analepse und Strukturellipse) diesbezüglich unterschiedlich bewertet. Da der Phänomenbereich in beiden Hauptklassen eine Menge unterschiedlicher Formate und Typen umfasst (zu einem Überblick vgl. Hennig 2013: 447-448), kann die vorgelegte Analyse nur exemplarisch erfolgen und erhebt somit keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Dennoch soll sie der Bedingung der Generalisierbarkeit theoretischer Annahmen insofern gerecht werden, als die beiden Hauptklassen (Analepse und Strukturellipse) genauer untersucht werden, die m. E. zwei entgegengesetzte Eckpunkte des Spektrums möglicher Ellipsen darstellen und somit in analytischer Perspektive, so auch in der konstruktionsgrammatischen Theoriebildung aus meiner Sicht besondere Aufmerksamkeit verdienen.
Der Beitrag thematisiert die Märchenformel es war einmal unter konstruktionsgrammatischem Gesichtspunkt. Im Mittelpunkt der Überlegungen stehen zwei Fragen: a) Wie kann man es war einmal im Kontext seines Gebrauchs in Märchen beschreiben? b) Wie Lässt sich diese Märchenformel im Kontext anderer, mit ihr formal und/oder semantisch verwandter Konstruktionen mit es erfassen? Um die erste Frage zu beantworten, wird auf Merkmale der Textsorte ‚Märchen' sowie auf den Begriff des Erzählens zurückgegriffen. Damit im Zusammenhang wird in Anlehnung an die Terminologie in Feilke (1996) von textuell-pragmatischer Prägung gesprochen. Zur Klärung der zweiten Frage sollen vor dem Hintergrund syntaktischer Prägung abstraktere Konstruktionen mit es (Rhematisierungskonstruktionen, Präsentativkonstruktionen und das es impersonate) herangezogen und in Beziehung zu es war einmal gesetzt werden. Die Überlegungen von a) über b) führen zu der Annahme einer auf Ähnlichkeiten basierenden Konstruktionsfamilie mit es als Thetizitätsmarker.
Alphabetschriften von altverschrifteten Sprachen weisen Charakteristika auf, die es erlauben, von einer Typologie der Alphabetschriften zu sprechen. Als typologischer Parameter gilt der einer phonologischen, prosodischen, morphologischen und historischen ’Tiefe’. Die vorliegende Arbeit unternimmt es, typologische Eigenschaften des deutschen Schriftsystems zu benennen und an zwei Beispielen genauer zu explizieren. An der Umlautschreibung <a-ä> sowie der Verdoppelung von Konsonantgraphemen in Anglizismen wird gezeigt, wie phonologische und morphologische Struktureigenschaften von Wörtern bei der Schreibung interagieren. Typisch für das Deutsche scheint insgesamt zu sein, daß sich die Tiefe der Einzelparameter gegenseitig auf transparente Weise begrenzen. Eine erste Nutzanwendung besteht im Bezug auf Formulierungen des Reformvorschlages. Liegt die Orthographiereform typologisch richtig? Greift sie strukturelle Eigenschaften des Deutschen auf oder wird sie eher zu einer ’Deregulierung’ beitragen? Der Beitrag möchte zeigen, wie Fragen dieser Art fundiert bearbeitet werden können.
In Fachsprache 1–2/2011 Czicza and Hennig proposed a model that explains correlations between grammatical features and pragmatic conditions in communication in sciences. This model now serves as a basis for the practical analysis of the scientific degree of any written text. The authors present a method of analyzing written texts concerning the four parameters ‚economy’‚ precision’, ‚impersonalization’ and ‚discussion’. The method is being developed by the analysis of a prototypical scientific article on the one hand and a non-scientific text on the other hand. The two texts serve as the two poles of the scale of scientificity. Finally, the applicability of the model and its operationalization is being illustrated by the analysis of two examples of texts that are located between the two poles (one popular scientific text and one juridical teaching article).
Ausgehend von einschlägigen typologischen Parametern (Verbstellung, Kasusmarkierung, analytische und synthetische Konstruktion) werden Aspekte einer allgemeinen morphosyntaktischen Charakterisierung des Deutschen zur Diskussion gestellt. Die deutschen Klammerbildungen werden unter dem Aspekt links- und rechtsverzweigender Serialisierung betrachtet. Es wird dabei erwogen, die Verbalklammer im Hauptsatz als die Überlagerung einer zugrundeliegenden Verbendstellung durch eine pragmatische Satzartenmarkierung anzusehen. Das Verhältnis zwischen Morphologie und syntaktischen Regeln wird im Hinblick auf die ,,Konfigurationalitäts”-Diskussion erläutert. Sowohl bei Verbkonstruktionen als auch bei der Funktionskodierung im nominalen Bereich wird auf die Analytitizität/Synthetizität-Unterscheidung Bezug genommen. Im Rahmen dieser Parameter erscheint das Deutsche als ein sprachtypologischer „Mischtyp", der aber insgesamt durch weitgehende funktionale Konvergenz der typologisch unterschiedlichen Strukturen und Verfahren gekennzeichnet ist.
In diesem Beitrag soll ein Nachschlagewerk zur arealen Variation in der Grammatik des Deutschen kurz vorgestellt werden: die in Form eines Online-Wikis erschienene „Variantengrammatik des Standarddeutschen“. Sie ist das Hauptergebnis einer langjährigen Zusammenarbeit der Projektgruppe „Variantengrammatik“ unter der Leitung der Autorin und der Autoren dieses Beitrags. Für das Projekt wurde ein areal gewichtetes und annotiertes Korpus erstellt, das aus Lokal- und Regionalteilen der Online-Ausgaben von 68 regional verbreiteten Zeitungen besteht. Die ausgewählten Zeitungen sind nach fünfzehn Arealen des zusammenhängenden deutschsprachigen Raums unterteilt. Das tokenisierte, lemmatisierte und nach Wortarten annotierte Gesamtkorpus, auf das sich die Variantengrammatik stützt, umfasst ca. 600 Millionen Wörter.