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Komposition als Element nominaler Integration passt zum Sprachtyp des Deutschen. Diese Technik wird in verschiedenen Texttypen in unterschiedlicher Weise genutzt und funktional ausdifferenziert. Zweigliedrige Komposita prägen den alltäglichen Wortschatz. Die Erfahrung damit und ihre formale Offenheit bilden den Grund für spezifische Ausweitungen des Gebrauchs. Das wird gezeigt an der die Öffnung der Muster im literarischen Bereich, dann an der Interaktion von Kompositionstypen im Hinblick auf größtmögliche Explizitheit in juristischen Texten und letztlich an der Mischung von alltäglicher Klassifikation in gängigen Komposita und textfunktionaler Kondensierung in einem Sachtext.
Anhand der Rückmeldungen auf eine Umfrage unter den Mitgliedern der Organisation EFNIL (European Federation of National Institutions for Language) wird in diesem Artikel erfasst, wie die orthographische Norm in den Staaten Europas etabliert und vermittelt wird. Es wird unter anderem beleuchtet, welche Prinzipien bei der Erstellung der Norm angewandt werden, in welchen Teilen der Gesellschaft die Regeln gelten, wie sie an die Öffentlichkeit vermittelt werden, inwieweit sie eingehalten werden, ob es alternative Normen gibt, und mit welchen Mitteln Veränderungen im Sprachgebrauch erfasst und berücksichtigt werden.
Die normgerechte Kommasetzung ist im Deutschen deklarativ und sehr elegant von Beatrice Primus (1993, 2007) erfasst worden. Sie bindet Kommas primär an syntaktische Konzepte wie ‚Satzgrenze‘ und ‚Subordination‘. Nun gibt es allerdings ein Komma, das sich nicht ins System fügen will, das aber immer häufiger wird: das Vorfeldkomma wie in Gegen so eine starke Übermacht, konnten die deutschen Truppen nichts mehr ausrichten. Dieser Beleg stammt aus einer rezenten Abiturarbeit. Hier wird – entgegen den geltenden Rechtschreibregeln – das Vorfeld der Sätze mit einem Komma abgetrennt; es handelt sich um systematische Abweichungen von der Norm. Wir können die Faktoren, die ihre Verteilung steuern, empirisch gut erfassen. Weit weniger klar ist, ob diese Beobachtungen theoretische Konsequenzen haben sollten, und wenn ja, welche. Das soll in diesem Beitrag diskutiert werden, neben einigen anderen Problemfällen, die die Empirie der Theorie beschert.
Das Ziel des Beitrages ist es, die Orthografiereform 1996–2006 in den Entwicklungsprozess der deutschen Rechtschreibung seit der Herausbildung der Einheitsorthografie einzuordnen, ihre Stellung in diesem Prozess zu kennzeichnen und ihre Ergebnisse zu benennen. Ausgehend von einer Charakterisierung der besonderen Merkmale der Orthografie als Norm der Schreibung sowie des Begriffes Orthografiereform, werden zunächst die Endphase der Herausbildung der deutschen Einheitsorthografie und ihr Abschluss durch die Orthografiereform von 1901 beschrieben. Dem folgt die Darstellung der Besonderheiten der deutschen Orthografieentwicklung im 20. Jahrhundert bis zum Jahr 1996. Ein wichtiger Bestandteil des Beitrages ist dann die Herausarbeitung der Grundlagen und Bestimmungsfaktoren einer Orthografiereform unter heutigen Bedingungen und die Anwendung dieser Grundsätze auf den Prozess der Entstehung und Umsetzung der Orthografiereform 1996–2006. Abschließend werden die Ergebnisse dieses Prozesses in vier Punkten zusammengefasst die auch gleichzeitig die Bedeutung dieser Sprachlenkungsmaßnahme in der deutschen Orthografiegeschichte kennzeichnen.
What is the subject of German linguistics? This seemingly simple question has no obvious answer. In the ZGL’s first issue, the editors required contributions to cover the whole of the German language and to be theoretically sound but application-orientated, whereas the current ZGL-homepage defines the German language of present and history in all its differentiations as its subject matter.
Looking through the fifty volumes of ZGL, three relationships can be identified as presumably enlightening the role of language, in particular the German language: language and mind; language and language use; language and culture. Though of a different systematic type, language and data should be added as an increasingly important pairing for conceptualizing language. On this basis, I also discuss the position of linguistic studies of the German language, mirrored in the ZGL-volumes, between social, cultural and natural sciences, as well as the corresponding epistemic approaches – like explaining vs. understanding.
Zum Verschmelzungsverhalten von definitem Artikel und Präposition in der Schriftsprache des Deutschen liegen bereits diverse Erkenntnisse vor, wohingegen die Kenntnislage für die gesprochene Sprache noch unzureichend ist. Die vorliegende Untersuchung widmet sich diesem Desiderat und analysiert Präposition-Artikel-Kombinationen anhand von Daten aus FOLK, um die linguistische Beschreibung dieser Struktur voranzutreiben. In der durchgeführten Korpusanalyse werden die Auftretenshäufigkeiten synthetischer und analytischer Präposition-Artikel-Kombinationen verglichen und Gebrauchsbesonderheiten auf syntaktisch-lexikalischer und pragmatischer Ebene herausgearbeitet.
In diesem Beitrag werden Ergebnisse einer Studie präsentiert, die im Rahmen meines Habilitationsprojektes zu Somatismen des Deutschen mit der Konstituente Hand durchgeführt wurde. Das Projekt insgesamt ist korpusbasiert, qualitativ orientiert und verfolgt im Kern semantische Interessen. Empirische Grundlage für die Studien ist das Schriftspracharchiv W des IDS (Institut für Deutsche Sprache). Ziel der insgesamt über 20 Projektstudien ist jeweils die korpusbasierte Beschreibung der Bedeutungsentfaltung phraseologischer Einheiten in der Verwendungsbreite und nicht die Reduktion auf die Übersetzung einer als eine Bedeutung oder gar DIE Bedeutung wiedergebenden Paraphrase in formalsprachliche oder formalsymbolische Beschreibungsabstraktionen. In die Breite zu gehen bedeutet, die beschreibungsmäßig häufig verborgenen, aber im konkreten Sprachgebrauch jeweils sich zeigenden semantischen Feinheiten der untersuchten Einheiten ins Zentrum der Analyse zu stellen. Dafür ist es notwendig, die jeweilige Einheit zunächst überhaupt zu identifizieren (über welche Einheit wird geredet) und ihre formseitigen Manifestationen zu erfassen (welche strukturellen Verfestigungen liegen vor). Anschließend werden über die Beschreibung der Kotexte dieser Einheiten in Belegkorpora die an formseitige Ausprägungen gekoppelten Pfade der Bedeutungsentfaltung - ausgehend von einer ermittelten Ausgangsbedeutung - nachgezeichnet. Auf diese Weise können auch Bedeutungsaspekte eingeholt werden, die als bloße Konnotationen oder Modifikationen zu randständig, als Kernbedeutung zu unhandlich und als semantischer Mehrwert zu uneigenständig konzipiert sind. Es handelt sich um wesentliche Bedeutungszüge der untersuchten Einheiten und Aufgabe der Studien ist es, diese Aspekte durch Kopplung an verschiedene formseitige Ausprägungen gebrauchsangemessen erfassen und beschreiben zu können.
Communication of stereotypes in the classroom: biased language use of German and Turkish adolescents
(2014)
Little is known about the linguistic transmission and maintenance of mutual stereotypes in interethnic contexts. This field study, therefore, investigated the linguistic expectancy bias (LEB) and the linguistic intergroup bias (LIB) among German and Turkish adolescents (13 to 20 years) in the school context. The LEB refers to the general phenomenon of describing stereotypes more abstractly. The LIB is the tendency to use language abstraction for in-group protective reasons. Results revealed an unmoderated LEB, whereas the LIB only occurred when foreigners were in the numerical majority, the classroom composition was perceived as a learning disadvantage, or the interethnic conflict frequency was high. These findings provide first evidence for the use of both LEB and LIB in an interethnic classroom setting.
Post-field syntax and focalization strategies in National Socialist political speech. This paper deals with a syntactic feature of spoken German, i.e. post-field filling, and with its occurrence in one specific discourse type – political speech – throughout one significant period of the history of German language – National Socialism. This paper aims at pointing out the communicative pragmatic function of right dislocation in the NS political speech on the basis of some collected examples.
Nach einem kurzen Überblick über die heutige sprachökologische Situation in Lettland möchte ich dabei auf die Rolle der deutschen Sprache in verschiedenen Bereichen der lettischen Gesellschaft eingehen. Komplettiert wird der Überblick über die deutsche Sprache im heutigen Lettland durch einige Überlegungen zu Maßnahmen, die die Situation zugunsten des Deutschen ändern könnten.
Im Streit um Migration soll der Gebrauch von Disclaimern in erster Linie ein positives Bild des Produzenten liefern oder wenigstens Ansprüche auf die Berechtigung seiner kritischen Stellungnahme erheben, ohne dass der Produzent als Rassist abgestempelt wird. Im vorliegenden Beitrag werden die Ergebnisse einer Fallstudie über den Gebrauch eines solchen Disclaimers in Deutschland und in Italien zusammengefasst, nämlich von „Ich bin kein Rassist, aber“ und seiner italienischen Entsprechung „Non sono razzista, ma“. Es wird gezeigt, (i) wie diese Disclaimer zum Ausdruck ausländerkritischer Stellungnahmen verwendet werden und (ii) wie ihre Verwendung in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.
This article examines how the most frequent imperative forms of the verb to show in German (zeig mal) and Czech (ukaž) are deployed in object-centred sequences. Specifically, it focuses on smartphone-based showing activities as these were the main sequential environments of show imperatives in the datasets investigated. In both languages, the imperative form does not merely aim to elicit a responsive action from the smartphone holder (such as making the device available) but projects an individual course of action from the requester’s side in the form of an immediate visual inspection of the digital content. This inspection is carried out as part of a joint course of action, allowing the recipient to provide a more detailed response to a prior action. Therefore, this specific imperative form is proven to be cross-linguistically suited to technology-mediated inspection sequences.
In this paper we present Trendi, a monitor corpus of written Slovene, which has been compiled recently as part of the SLED (Monitor corpus and related resources) project. The methodology and the contents of the corpus are presented, as well as the findings of the survey that aimed to identify the needs of potential users related to topical language use. The Trendi corpus currently contains news articles and other web content from 110 different sources, with the texts being collected and linguistically annotated on a daily basis. The corpus complements Gigafida 2.0, a 1.13-billion-word reference corpus of standard written Slovene. Also discussed are the ways in which the corpus will be integrated into various lexicographic projects, helping not only in the identification of neologisms but also in monitoring changes in already identified language phenomena.
L’équipe de Lyon étudie la façon dont les ressources plurilingues sont mobilisées dans des activités collaboratives au sein du travail d’équipe. La démarche analytique est inspirée de l’Analyse Conversationnelle d’emprunte ethnomethodologique, et considère comme centrale la relation entre ressources plurilingues et organisation située des usages linguistiques et des pratiques sociales. Ces deux aspects sont réflexivement articulés, les ressources plurilingues étant modelées par leur contexte d’utilisation, et les activités étant mutuellement contraintes et structurées par les ressources disponibles.
Genau tritt im aktuellen Sprachgebrauch nicht nur in seiner klassischen Bedeutung als Adjektiv oder Adverb auf, sondern wird auch als Fokus- bzw. Gradpartikel sowie Gesprächspartikel verwendet. Bisherige Beschreibungen haben sich nur in geringem Maße und unter Verwendung heterogener Begriffe mit seinem interaktionalen Gebrauch auseinandergesetzt. In diesem Beitrag werden mit Hilfe eines sequenziellen und multimodalen Ansatzes verschiedene interaktionale Verwendungen von genau in Videoaufnahmen deutscher Alltagsgespräche untersucht. Ausgehend von seiner Funktion als Gradpartikel wird genau sowohl als redebeitragsinterne Bestätigungspartikel in Wortfindungsprozessen als auch als responsive Bestätigungspartikel eingesetzt. Da genau häufig das Ende eines Verstehensprozesses bzw. einer Wissensverhandlung markiert, könnte allgemeiner die Bezeichnung des Intersubjektivitätsmarkers in Erwägung gezogen werden. Aus dem responsiven, bestätigenden Gebrauch heraus entsteht eine stärker sequenzschließende und sequenzstrukturierende Funktion von genau, woraus sich auch der zunehmende Gebrauch dieses Lexems als rein diskursstrukturierende Partikel innerhalb eines Redezugs erklären könnte.
In diesem Beitrag steht die sprachliche Konstitution von Eigengruppen und mit diesen assoziierten Partnergruppen im Vordergrund, deren zentrale Sprachgebrauchsmuster gezeigt werden. Der Beitrag basiert auf Auswertungen der im Projekt „Heterogene Widerkulturen: Sprachliche Praktiken des Sich-Widersetzens von 1933 bis 1945“ erstellten manuellen, soziopragmatisch orientierten Annotationen von 140 Widerstandstexten sowie auf korpuslinguistischen Auswertungen des Gesamtkorpus (554 Texte). Es soll gezeigt werden, dass eine linguistische Auseinandersetzung mit dem Gegenstand Ergebnisse der Widerstandsgeschichte produktiv vertiefen kann. So lässt allein schon die Betrachtung des pronominalen Referierens Schlüsse auf die sozialkulturelle Bindung der Widerstandsakteur/-innen zu.
„Die vo hinge füüre“ – Sprachspott in der Nordwestschweiz am Beispiel der Velarisierung von mhd. nd
(2020)
Der vorliegende Aufsatz untersucht interdialektalen Sprachspott exemplarisch anhand des lautlichen Phänomens der Velarisierung von mhd. nd zu [ŋ]. Es wird einerseits mithilfe einer qualitativen Auswertung von metasprachlichen Laienkommentaren gezeigt, wie Sprachspott von Betroffenen wahrgenommen wird, und andererseits anhand von quantitativen Auswertungen der tatsächliche Sprachgebrauch des verspotteten Merkmals dargestellt. Daraus geht hervor, dass insbesondere junge Pendler/-innen den Sprachspott als negativ empfinden – und es sind denn auch vor allem die jungen Pendler/-innen, die die niedrigsten Velarisierungswerte in der Abfrage verzeichnen. Die Ergebnisse der Untersuchung liefern Evidenz dafür, dass nicht etwa das alleinige Vorkommnis von Sprachspott das Sprachverhalten beeinflusst, sondern dass die individuelle Einstellung der Betroffenen zum erlebten Spott ausschlaggebend ist für das jeweilige Sprachverhalten.
Ziel des Beitrags ist es, in einer explorativen Untersuchung zu ermitteln, ob und wie in Deutschland und in Polen geschlechtergerechter Sprachgebrauch praktiziert wird. In beiden Gesellschaften wird derzeit mit den einschlägigen Verfahren noch experimentiert. Die feministische Presse spielt dabei eine Vorreiterrolle. Der Beitrag ist in drei inhaltliche Teile gegliedert. Der erste Teil schildert in knapper Form die Entwicklung in der sprachlichen Markierung von Sexuszugehörigkeit und -differenz, wie sie in der deutschen und der polnischen Gesellschaft in der Nachkriegszeit stattgefunden hat. Der zweite Teil befasst sich mit den sprachstrukturellen Grundlagen für die Möglichkeiten des ›Genderns‹ in beiden Sprachen. Hier werden sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede nachgewiesen. Der dritte Teil ist einer kleinen empirischen Studie gewidmet. Es werden Publikationen in erster Linie der feministischen Presse beider Länder aus der jüngsten Zeit auf ihren Umgang mit geschlechterdifferenzierender Sprache hin untersucht.
Sprache und Totalitarismus
(1964)
Gegenstand ist eine vergleichende empirische Korpusstudie zur Bedeutung des Ausdrucks geschäftsmäßig im (bundesdeutschen) Gemeinsprach- und juristischen Fachsprachgebrauch. Die Studie illustriert an einem aktuellen Fall strittiger Wortdeutung (hier zu § 217 StGB) die Möglichkeiten computergestützter Sprachgebrauchsanalyse für die Auslegung vor Gericht und die Normtextprognose in der Rechtsetzung.
Grammatik und Variation im Spannungsfeld von Sprachwissenschaft und öffentlicher Sprachreflexion
(2017)
Der Beitrag bezieht systematische und funktionale Faktoren zur Erklärung grammatischer Variation aufeinander, indem er ausgehend von der Annahme eines rekursiven Systems mit konfligierenden Teilsystemen ‚System‘ als Möglichkeitsraum für (funktional ausdifferenzierte) Variation versteht. Inwiefern die vom System bereitgestellten Möglichkeiten grammatischer Variation im Sprachgebrauch genutzt werden, diskutiert der Beitrag anhand der lexikographischen Praxis der Erfassung von grammatischer Variation im Dudenband 9 „Richtiges und gutes Deutsch“. Mit diesem Material werden nicht nur zentrale Bereiche grammatischer Variation rekonstruiert, sondern auch Zentralbereiche grammatischer Variation mit diasystematischen Variationsdimensionen korreliert.
Der Beitrag thematisiert einen in der Forschung bislang kaum beachteten Parameter für grammatische Variation im Standard: die Arealität. Im ersten Teil folgen Begriffsklärungen, zunächst zum Terminus areal (mit einer Stellungnahme zur Debatte um das Deutsche als plurizentrische bzw. pluriareale Sprache), dann zu der Frage, wie Standard als Gebrauchsstandard definiert werden kann und in welcher Relation dazu der Terminus Kodex steht. Danach wird mit Blick auf das Projekt „Variantengrammatik des Deutschen“ aufgezeigt, wie areale grammatische Variation im Deutschen empirisch zu beschreiben ist. Der letzte Teil präsentiert Fallbeispiele, anhand derer sich das Erfassen von Varianten - von der Recherche in einem areal ausgewogenen Korpus bis zu ihrer Kodifikation in den Gebrauchsstandards des Deutschen - nachzeichnen lässt.
Dieser Beitrag liefert eine Skizze eines gebrauchsbasierten integrativen soziokognitiven Modells des dynamischen Lexikons. Das Modell besteht aus drei Kernkomponenten: Handlungen in der aktuellen Sprachverwendung, kognitiven Prozessen und sozialen Prozessen. Die Komponenten des Modells werden zunächst einzeln beschrieben und dann zusammengefügt. Es wird gezeigt und anhand von zwei Beispielen illustriert, wie das Modell durch die systematische Beschreibung der Interaktion zwischen diesen Komponenten gleichzeitig Stabilität und Struktur sowie Variation und Wandel im Lexikon vorhersagt.
Die Universität als Vorbild/Spiegelbild/Zerrbild für Spracheinstellungen und Sprachgebrauch heute?
(2019)
Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, wie weit der mündliche Sprachgebrauch an der Universität und die damit verbundenen Spracheinstellungen Vorbild, Spiegelbild oder aber Zerrbild des alltäglichen Sprachgebrauchs und allgemeiner Spracheinstellungen sind. Aus heuristischen Gründen liegt der Fokus dabei auf Sprachformen jenseits des Standards, die üblicherweise nicht mit einem universitären Sprachgebrauch in Verbindung gebracht werden. Die Datenerhebung dokumentiert exemplarisch die Situation an der Universität Salzburg, die Auswertung kombiniert in einem Mixed-Methods-Ansatz quantitative und qualitative Methoden.
Für den öffentlichen Sprachgebrauch im Internet ist Facebook, das mit 15 Jahren zur älteren Generation von Social-Media-Sites zählt, nach wie vor hochrelevant. Im deutschsprachigen Raum ist es die am meisten genutzte Social-Media-Plattform (Newman et al. 2019). Zu den Diensten gehören unter anderem Facebook-Seiten (Pages), die von Unternehmen, Parteien, Medien und anderen Institutionen oder Individuen betrieben werden und als öffentliche Angebote prinzipiell auch von nicht bei Facebook angemeldeten Personen eingesehen werden können. Solche öffentlichen Facebook-Seiten sind als sites of engagement zwischen gesellschaftlichen Institutionen und Individuen reichhaltige Quellen für die linguistische Forschung.
Im Vergleich zu anderen Plattformen bietet Facebook aber nur einen eingeschränkten Zugriff auf diese öffentlichen Sprach- und Interaktionsdaten (Freelon 2018). Während beispielsweise für Twitter viele Tools zur Datensammlung existieren und auch die Plattform selbst eine ausgebaute Suchmaske bietet, erschweren die limitierten Suchmöglichkeiten der Facebook-Plattform und das fehlende Angebot von einfach nutzbarer Software linguistische Projekte in Forschung und Lehre. Gleichzeitig stellen sich neben den praktischen Fragen an vielen Stellen auch forschungsethische Fragen im Umgang mit Onlinedaten.
Die MoCoDa 2 (https://db.mocoda2.de) ist eine webbasierte Infrastruktur für die Erhebung, Aufbereitung, Bereitstellung und Abfrage von Sprachdaten aus privater Messenger-Kommunikation (WhatsApp und ähnliche Anwendungen). Zentrale Komponenten bilden (1) eine Datenbank, die für die Verwaltung von WhatsApp-Sequenzen eingerichtet ist, die von Nutzer/innen gespendet und für linguistische Recherche- und Analysezwecke aufbereitet wurden, (2) ein Web-Frontend, das die Datenspender/innen dabei unterstützt, gespendete Sequenzen um analyserelevante Metadaten anzureichern und zu pseudonymisieren, und (3) ein Web-Frontend, über das die Daten für Zwecke in Forschung und Lehre abgefragt werden können. Der Aufbau der MoCoDa-2-Infrastruktur wurde im Rahmen des Programms „Infrastrukturelle Forderung für die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften“ vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefordert. Ziel des Projekts ist es, ein aufbereitetes Korpus zur Sprache und Interaktion in der deutschsprachigen Messenger-Kommunikation bereitzustellen, das speziell auch für qualitative Untersuchungen eine wertvolle Grundlage bildet.
Die Kernaufgabe der Projektgruppe des DWDS besteht darin, den in den Korpora enthaltenen Wortschatz lexikografisch und korpusbasiert zu beschreiben. In der modernen Lexikografie werden die Aussagen zu den sprachlichen Aspekten und Eigenschaften der beschriebenen Wörter und zu Besonderheiten ihrer Verwendung auf Korpusevidenz gestutzt. Empirisch können riesige Textsammlungen Hypothesen genauer oder ausführlicher belegen. Dabei wird deutlich, wie vielfältig Sprache im Gebrauch tatsachlich realisiert wird. Zu diesem Zweck bieten wir auf der DWDS-Plattform neben den zeitlich und nach Textsorten ausgewogenen Kernkorpora und den Zeitungskorpora eine Reihe von Spezialkorpora an, die hinsichtlich ihres Gegenstandes oder ihrer sprachlichen Charakteristika von den erstgenannten Korpora abweichen. Die Webkorpora bilden einen wesentlichen Bestandteil dieser Spezialkorpora.
Wie wirkt sich das Schreiben kürzerer Texte in interaktionsorienterter Online-Kommunikation langfristig auf das Schreiben und die Qualität monologischer Texte aus? Auf diese Frage geht der Beitrag ein und präsentiert dazu empirische Daten aus einer Korpus-Vergleichsstudie, in der die Verwendung ausgewählter Konnektoren in einem Facebook-Korpus quantitativ und qualitativ analysiert und mit der Verwendung in dialogischen Texten von Wikipedia-Diskussionsseiten einerseits und in monologischen Texten wie Zeitungskommentaren und Schulertexten anderseits verglichen wurde. Die Analysen fokussieren darauf, wie Konnektoren in Online-Texten eingesetzt werden, ob sich spezifische Online-Verwendungen etablieren und ob „Spuren“ typischer Online-Verwendungen auch in normgebundener Umgebung nachweisbar sind.
♀ ☺ = ♂ ☺? Oder: Das Gelächter der Geschlechter 2.0: Emojigebrauch in der WhatsApp-Kommunikation
(2020)
Praktiken des 'doing', 'undoing' und 'indexing' von Gender finden sich auch in der computervermittelten Kommunikation, und es ist zu erwarten, dass sie sich dort ganz besonders im Gebrauch von Emojis niederschlagen. Zu erwarten ist dies, weil Emojis ein wichtiges Mittel zur Hervorbringung von Nähe, Emotionalität und Gruppenzugehörigkeit sind, und Gender ist ein Parameter, der bei diesen Aspekten eine Rolle spielt. In dem vorliegenden Beitrag soll auf der Basis der Mobile Communication Database 2 (MoCoDa2), einer Datenbank mit WhatsApp-Interaktionen, aus quantitativer und qualitativer Perspektive gefragt werden, welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sich im Emojigebrauch von Männern und Frauen finden lassen.
Was macht eigentlich die Netzwerkforschung im Zusammenhang mit Beziehungen und deren Struktur in der digitalen Welt? Wie hängt Struktur und die Herausbildung von Kultur und Sprache zusammen? Obwohl Kultur noch mehr als Sprache umfasst, sind die Aushandlung von Kultur und die Anwendung von Kulturelementen kaum ohne Sprache vorstellbar. Sprache ist also integrativer Teil von Kultur - ohne Sprache keine Kultur. Die Herausbildung von Sprachkulturen ist wesentlicher Teil dieser Entwicklungen. Wenn wir nun auf den Zusammenhang von Netzwerken und Kultur schauen, so können wir feststellen, dass hier kaum eine Kausalität behauptet werden kann, sondern beides ist miteinander tief verwoben. Zunächst werden einige wichtige Aspekte der Netzwerkforschung exemplarisch angesprochen und mit eigener Forschung illustriert. Danach gehe ich auf einen Shitstorm ein, an dem ich einige Aspekte aus dem Anfangsteil noch einmal aufnehme.
Vorwort
(1993)
Dolf Sternberger, Gerhard Storz und W. E. Süskind, Herausgeber und Mitarbeiter der "Wandlung", schrieben die Beiträge zum "Wörterbuch des Unmenschen", kritische Betrachtungen über die deutsche Sprache im Jahrhundert des "totalen Staates", zum erstenmal zwischen 1945 und 1948 für diese Zeitschrift. Ergänzt und überarbeitet, wurden sie 1957 als Buch herausgegeben und gehören seitdem zu den bedeutendsten Untersuchungen über die Sprache und deren Mißbrauch in unserer Zeit.
In den Jahren 1985 bis 1995 hat in der Bundesrepublik Deutschland ein intensiver geschichtlicher Selbstdeutungsdiskurs stattgefunden, dessen Besonderheit darin besteht, daß es sich größtenteils um einen staatlichen Selbstverständigungsprozeß handelt, dessen Wurzeln sozusagen bis in die Embryonalphase der zweiten deutschen Republik zurückreichen. Es ging um das Verhältnis der Deutschen zum Nationalsozialismus und seinen bzw. ihren Verbrechen und um ihr Verhältnis zur geschichtlichen Zäsur vom 8. Mai 1945. Der Vortrag zeigt die wesentlichen Stationen des bereits 1945 einsetzenden Diskurses, in dessen Zentrum die Frage steht, ob sich Deutsche als Opfer des „Hitler-Terrorismus", d.h. von vornherein am 8. Mai 1945 als „Befreite“ fühlen oder interpretieren durften (wie es in der SBZ geschah), oder ob sie wegen ihrer Mitschuld (bzw. Kollektivschuld) als „besiegtes Volk", das eine „Niederlage" erlitten hatte, zu gelten hatten. Die Analyse zeigt die Diskrepanz von subjektiven Erlebniskategorien und politischen Interpretationen im Hinblick auf den 8. Mai 1945. Anhand der öffentlichen Interpretationen dieses Datums an den jeweiligen Jahrestagen ab 1955 wird versucht, den westdeutschen politischen Lernprozeß nachzuzeichnen, demzufolge sich die Deutschen angesichts ihrer Mitschuld am Nationalsozialismus nach dem 8. Mai 1945 als von außen Befreite verstehen durften und dürfen. Der oft verkürzte, als 'Streit über Befreiung oder Niederlage' wahrgenommene Diskurs ist situiert in einem Netz geschichtsdeutender Selbstinterpretationen, in dem es u. a. um Vokabeln wie 'Machtergreifung', 'Machtübernahme', 'Machtübergabe'; 'Kollektivschuld', 'Schuld', 'Mitschuld'; 'Reichskristallnacht', 'Reichspogromnacht', 'Pogromnacht'; 'Drittes Reich' und 'Viertes Reich'; 'Invasion' oder 'Landung der Alliierten' geht. Der Vortrag zeigt, wie sich in öffentlichen, zumal in staatlichen Diskursen über geschichtsinterpretierende Vokabeln die Kontroversen und sich wandelnden Bewertungen und Einstellungen zu unserer eigenen Geschichte artikulieren, wie also mit der öffentlichen Durchsetzung lexikalisch ‘autorisierter' Geschichten eine Herstellung und Modifikation unserer eigenen Geschichte einhergeht.
Language of Responsibility. The Influence of Linguistic Abstraction on Collective Moral Emotions
(2017)
Two experiments investigated the effects of linguistic abstractness on the experience of collective moral emotions. In Experiment 1 participants were presented with two scenarios about ingroup misbehavior, phrased using descriptive action verbs, interpretative action verbs, adjectives or nouns. The results show that participants experienced slightly more negative moral emotions with higher levels of linguistic abstractness. In Experiment 2 we also tested for the influence of national identification on the relationship between linguistic abstractness and emotional reactions. Additionally, we expanded the number of scenarios. Experiment 2 replicated the earlier pattern, but found larger differences between conditions. The strength of national identification did not moderate the observed effects. The results of this research are discussed within the context of the linguistic category model and psychology of collective moral emotions.
Status und Gebrauch des Niederdeutschen 2016. Erste Ergebnisse einer repräsentativen Erhebung
(2016)
Wer versteht heute Plattdeutsch, und wer spricht es? Wer nutzt die plattdeutschen Medien- und Kulturangebote? Welche Vorstellungen verbinden die Menschen in Norddeutschland mit dem Niederdeutschen, und wie stehen sie zu ihrer Regionalsprache?
Diesen und weiteren Fragen widmet sich die vorliegende Broschüre mithilfe von repräsentativen Daten, die durch eine telefonische Befragung von insgesamt 1.632 Personen aus acht Bundesländern (Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein sowie Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt) gewonnen wurden.
Über den gemeinsamen Sprachgebrauch in Ost und West, seine Probleme und kreativen Möglichkeiten
(2009)
In dieser Arbeit über den neueren deutschen Sprachgebrauch in Ost und West soll nicht das Trennende betont werden, sondern das gemeinsame Spracherbe und seine Wirkung in der Gegenwart. Aber eine Beobachtung gegenüber vielen kritischen Stimmen aus West und Ost sei, in völlig unpolemischer Absicht, nicht verschwiegen: Zu viele sprachkritische Artikel aus der Bundesrepublik haben in der Vergangenheit von der aus Texten bekannten offiziellen Sprache der DDR-Machthaber zu direkt auf die wirklich gesprochene Sprache der Bevölkerungsmehrheit geschlossen, und zu viele DDR-Sprachwissenschaftler und Polemiker haben auf die westliche Kritik vor allem als Verteidiger des politischen Kurses der SED reagiert, aus welchen persönlichen Gründen auch immer. Gedruckt worden wären andere Meinungen in der DDR allerdings nicht, und der Karriere waren sie auch nicht förderlich. Trotzdem gilt: Die deutsche Sprache hat sich in Ost und West auf jeweils spezifische Weise weiterentwickelt, sie wurde aber nicht gespalten und funktionierte in Ost und West und - trotz spürbarer Unterschiede - zwischen Ost und West als gemeinsames Verständigungsmittel, wo immer sie dafür benutzt wurde. Zwischen den Begriffen „Sprachwandel“ und „Bezeichnungswandel“ muss sorgfältig unterschieden werden. Im kreativen Umgang mit dem gemeinsamen Deutsch haben sich Ost und West längst wieder zusammengefunden. Genauere Untersuchungen über das Alltags-deutsch in der DDR sind sehr zu wünschen, die Schaffung eines brauchbaren Korpus dafür ist im Nachhinein nicht einfach, sollte aber in Angriff genommen werden.
Chancen der Sprachkritik
(1985)
Die Sorge um die deutsche Sprache füllt Säle. Wer Sprachdummheiten anmahnt, kann sich des Beifalls jener sicher sein, die sich sprachlich überlegen sehen. Selten wird die Frage gestellt, welchen Status grammatische Regeln haben. Tatsächlich ist keineswegs klar, was als korrektes Deutsch gelten kann. Wie ist das Deutsche zu fassen? Wer bestimmt, was als korrekt gelten soll? Die 44. Jahrestagung des Instituts für Deutsche Sprache suchte zur Klärung solcher Fragen beizutragen. Der vorliegende Band dokumentiert, wie die deutsche Grammatik im Spannungsfeld von Regel, Norm und Sprachgebrauch auf der Tagung aufgearbeitet wurde: Zunächst stehen die theoretischen Aspekte der Problematik auf dem Prüfstand. Danach werden grammatische Normen und der Umgang mit diesen in der Öffentlichkeit fokussiert. Im nächsten Themenblock stehen grammatische Variation in ihrem Verhältnis zur Norm und konkrete Phänomene der Morphologie, Syntax und Prosodie zur Diskussion. Die Betrachtung des Grammatikunterrichts und der Grammatikschreibung vervollständigt das Bild, das durch einen Blick auf die Normativität in Frankreich zusätzlich in einen größeren Kontext gestellt wird. Der Band schließt mit einer Zusammenfassung der Podiumsdiskussion, welche den Schlusspunkt der Tagung bildete.