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Ausgehend von fundamentalen Einsichten konversationsanalytischer
Interaktionsforschung zum zentralen Stellenwert, den leibliche Kopräsenz und wechselseitige Wahrnehmung für die Ausgestaltung unserer interaktiven Praktiken besitzen, untersucht der Beitrag deiktische Praktiken in der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht. Deixis – verbales und gestisches Zeigen für einen Anderen – kann phylo- und ontogenetisch (Tomasello 2003, 2006, 2008) als privilegierte Schnittstelle zwischen Interaktion und Grammatik, zwischen Sprache, menschlichen Körpern, Objekten, Wahrnehmung und Raum betrachtet werden. Auf der Grundlage eines breit angelegten Videokorpus unterschiedlicher Genres werden deiktische Zeigehandlungen als situierte, körpergebundene Praktiken analysiert und systematisch auf transsituative Gemeinsamkeiten und Unterschiede befragt. Die Ergebnisse der empirischen Analysen zur demonstratio ad oculos (dem Zeigen auf Sichtbares, Bühler 1965) und zur Deixis am Phantasma (dem Zeigen auf Unsichtbares, ebd.) werden in einen übergreifenden theoretischen Modell integriert. In dem multimodalen Modell wird Deixis als situierte, die interaktiven, kognitiven und perzeptorischen Ressourcen aller Beteiligten mobilisierende Praxis gemeinsamer Aufmerksamkeitsfokussierung begriffen (Stukenbrock 2015b).
Dependens
(2016)
Dependenzrelation
(2016)
Die Preußische Akademie der Wissenschaften zu Berlin hat im Jahr 1906 auf Bitte der deutschen Regierung die Verantwortung für die Arbeiten zur Vollendung des Deutschen Wörterbuchs von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm übernommen. Im Jahr 1929/30 hat sie die Berliner Arbeitsstelle gegründet. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieses lexikographische Grundlagenwerk in den Jahrzehnten der Spaltung Deutschlands, aber in enger Gemeinschaft einer Berliner und einer Göttinger Arbeitsstelle zum Abschluss gebracht. Schon in den fünfziger Jahren entschlossen sich die Akademien in Berlin und Göttingen, „zunächst“ die völlige Neubearbeitung der ältesten Teile des Werks, die die Brüder Grimm zwischen 1852 und 1863 noch selbst erarbeitet hatten, vorzunehmen. Diese Neubearbeitung ist inzwischen nahezu abgeschlossen. Umso deutlicher zeigt sich aber nun, dass auch die übrigen Teile dringend der Neubearbeitung bedürfen. Das Jahrhundertwerk der Brüder Grimm, ihre wichtigste gemeinsame sprachwissenschaftliche Leistung, heute in der ganzen Welt täglich von Tausenden im Internet benutzt, Fundament der gesamten neueren deutschen Wortforschung, kann seine Aufgabe nur erfüllen, wenn es nicht als Museumsstück bewundert, sondern in gründlich erneuerter Form als aktuelles Auskunftsmittel fortgeführt wird. In dieser Situation war die Schließung der Berliner Arbeitsstelle im Dezember 2012 das falsche Signal.
Dieser Beitrag ist ein Argument für die Subsumption grammatischer Analyse sprachlicher Formen unter die Analyse kommunikativer Praktiken. Er beschreibt zunächst ein Phänomen, das regelmäßig beschreibende Handgesten begleitet (der Sprecher blickt auf die eigene, gestikulierende Hand) und diskutiert dann sprachliche Einheiten (Wörter und Konstruktionen) in vier Sprachen (Deutsch, Japanisch, Ilokano und US-Englisch), die ebenfalls regelmäßig mit beschreibenden Handgesten verbunden sind und diese gleichsam in die Struktur der sprachlichen Äußerung integrieren bzw. das Bindeglied einer bimodalen Beschreibung bilden. Man kann diese bimodalen Gebilde als sprachspezifische Konstruktionen fassen, aber ebenso als Sedimente zunächst sprachunabhängiger Praktiken, die sich spezifischer einzelsprachiger Ressourcen bedienen. Demgegenüber lassen sich gestische Beschreibungen selbst in der Regel nur als improvisierende Realisierungen von Praktiken (gestischen Beschreibungsmethoden) auffassen, nicht aber als Formen in einem je schon existierenden Formsystem. Wie neue sprachliche Formen durch die Rekonfiguration kommunikativer Praktiken sedimentiert werden und wie Form und Praktik einander bedingen, wird am Beispiel des neuen US-Englischen verbum dicendi ‚be like‘ illustriert.
Wer sprachliche zu kommunikativen Praktiken in Beziehung setzt, muss bekanntlich dem Umstand Rechnung tragen, dass die zur Bedeutungskonstitution gebrauchten sprachlichen Ressourcen semantisch und pragmatisch weit unbestimmter sind als die Bedeutungen, die an Interaktionsprozessen Beteiligte Äußerungen zuschreiben, die (u.a.) auf der Verwendung dieser sprachlichen Symbole beruhen. Fragt man vor diesem Hintergrund danach, wie die Kluft zwischen Sprache und Kommunikation in der Verständigung und Kooperation geschlossen wird, so kommen Probleme ins Blickfeld, die in der theoretischen Linguistik bislang in erster Linie auf handlungslogischer Grundlage bearbeitet werden. Der gegenwärtige „Practice turn“ bezieht seine Legitimation aus einer Kritik an (bestimmten) handlungstheoretischen Positionen, die individuelle (Zweck-)Rationaliät bzw. konventionell geteiltes (Regel-)Wissen – modellhaft – als hinreichende Voraussetzungen menschlicher Kommunikation begreifen. Dagegen gehen (bestimmte) Praxistheorien von der Annahme aus, dass Sozialität basal in einer interaktionalen „Infrastruktur“ (Schegloff 2012) gründet, auf deren Basis durch sprachliches und praktisches Tun in Verbindung mit komplexen kulturellen Verstehenshintergründen (Schatzki 2002) kommunikativer Sinn gleichermaßen reproduktiv wie stets dynamisch hergestellt wird. Der vorliegende Beitrag erprobt anhand von Daten aus einem laufenden DFG-Projekt über Foyer-Gespräche im Theater – speziell im Blick auf Bewertungen – die methodische Reichweite handlungslogischer und praxeologischer Herangehensweisen und erörtert im Kontext der linguistischen Pragmatik ihr Verhältnis zueinander.
Aufgrund der Tatsache, dass wir häufig Zweifel an Behauptungen von Gesprächspartnern, an Sachverhalten, an Wahrheitsgehalten von Aussagen etc. hegen, ist davon auszugehen, dass wir entsprechend über mehr oder weniger stark verfestigte interaktionale Praktiken des Anzeigens und des Behebens von Zweifeln verfügen, die Problemlösungsroutinen für die Bearbeitung von Zweifeln bereitstellen. Anhand einer empirischen Untersuchung von gesprochenem Alltagsdeutsch (ca. dreieinhalb Stunden Audiomaterial) soll versucht werden, exemplarisch solche Praktiken des Zweifelns im Deutschen zu beschreiben.
Kommunikative Gattungen in der Interaktion: Kulturelle und grammatische Praktiken im Gebrauch
(2016)
Das Konzept der kommunikativen Gattungen beschreibt alltägliche kommunikative Muster, an denen sich Sprecher/innen und Rezipient/innen bei der Produktion und Rezeption kommunikativen Handelns orientieren. In diesem Beitrag werden zwei Aspekte der Gattungsanalyse näher beleuchtet: 1. Unterschiedliche Kulturen zeichnen sich durch teilweise unterschiedliche Muster bzw. Gattungen zur Lösung ihrer kommunikativen Aufgaben aus. Kommunikative Muster und Gattungen, die in der einen Kultur auf bestimmte Weise realisiert werden, können in einer anderen Kultur fehlen oder divergent aktualisiert werden. 2. Die Verwobenheit kommunikativer Gattungen und grammatischer Musterbildung kommt zum einen darin zum Ausdruck, dass kommunikative Gattungen Kontexte für die Verwendung spezifischer grammatischer Konstruktionen darstellen; zum andern tragen grammatische Muster selbst wiederum zur Kontextualisierung spezifischer Gattungen bei. Diese reflexive Bezogenheit wird am Beispiel von „bipolaren Alternativfragen“ im Speed-Dating und „Dichten Konstruktionen“ in Alltagserzählungen genauer aufgezeigt.