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Orthographie
(2024)
Ausgehend von den Ergebnissen des letzten IQB-Bildungstrends (2021) zu den orthographischen Kompetenzen von Grundschüler:innen fragt der Beitrag nach Stellenwert und Funktion der Orthographie vor dem Hintergrund der Anforderungen, die an die sprachliche Bildung von Schüler:innen gestellt sind. Orthographie und orthographische Kompetenzen werden funktional im Bereich des Schreibens und einer zu entwickelnden Schreibkompetenz verortet. Wichtig ist dabei der Blick auf die Schreibflüssigkeit. Sie ist grundlegend für die anforderungsreichen Prozesse des Textschreibens. Ausgehend von Befunden neuerer Studien betrachten wir das Verhältnis von Orthographie und Schreiben und daraus resultierende Anforderungen an den schulischen (Recht-)Schreiberwerb.
Gemäß Lehrplänen scheint der Rechtschreiberwerb nach der Sekundarstufe I weitgehend abgeschlossen. Aber auch auf der Sekundarstufe II, ja sogar an Universitäten verstoßen die Schreibenden gegen die gültigen Regeln. Dabei können Lernende auf diesen Stufen durch die Auseinandersetzung mit dem System der Orthografie ein besseres Verständnis für die Normen entwickeln. Ein explorativer, konstruktivistischer Ansatz eröffnet neue Perspektiven, orthografische Probleme zu untersuchen und zu verstehen. Es wird gezeigt, wie Regeln durch gezielte Aufträge selbstständig entdeckt werden können und mit welchen Strategien sich das Sprachbewusstsein durch und für die Orthografie vertiefen lässt. Ein solcher explorativer Zugang erweitert das Wissen über Rechtschreibung und fördert die korrekte Verwendung der Schriftsprache.
Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Rechtschreibung von Maturantinnen und Maturanten in einem österreichischen Deutschmaturatext-Korpus. Es werden Ergebnisse aus einer quantitativen und qualitativen Untersuchung dieses Lernerkorpus präsentiert. Diese haben gezeigt, dass die Rechtschreibleistungen in den untersuchten österreichischen Maturaarbeiten besser sind als in der (medialen) Öffentlichkeit angenommen, dabei jedoch bestimmte Fehlerschwerpunkte hervorstechen. Signifikante Unterschiede in Hinblick auf Leistungen bei Orthographie und Zeichensetzung bestehen zudem zwischen stift- und computergeschriebenen Arbeiten.
A constructicon, i.e., a structured inventory of constructions, essentially aims at documenting functions of lexical and grammatical constructions. Among other parameters, so-called constructional collo-profiles, as introduced by Herbst (2018, 2020), are conclusive for determining constructional meanings. They provide information on how relevant individual words are for construction slots, they hint at usage preferences of constructions and serve as a helpful indicator for semantic peculiarities of constructions. However, even though collo-profiles constitute an indispensable component of constructicon entries, they pose major challengers for constructicographers: For a constructicographic enterprise it is not feasible to conduct collostructional analyses for hundreds or even thousands of constructions. In this article, we introduce a procedure based on the large language model BERT that allows to predict collo-profiles without having to extensively annotate instances of constructions in a given corpus. Specifically, by discussing the constructions X macht Y ADJP (‘x makes Y ADJ’, e.g. he drives him crazy) and N1 PREP N1 (e.g., bumper to bumper, constructions over constructions), we show how the developed automated system generates collo-profiles based on a limited number of annotated instances. Finally, we place collo-profiles alongside other dimensions of constructional meanings included in the German Constructicon.
Das Rechtschreiben ist digital automatisierbar. Ist der Orthographieerwerb dann noch notwendig für den Aufbau einer bildungssprachlichen literalen Kompetenz? Der Beitrag fragt nach den Zusammenhängen zwischen der Orthographie und den sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten, die für das Schreiben und Lesen von Texten gebraucht werden. Argumente und Forschungsergebnisse zu drei konkurrierenden Hypothesen zu diesem Zusammenhang werden vorgestellt und diskutiert: Entlastungsthese, Bewusstheitsthese, Literalisierungsthese. Auf der Grundlage der Literalisierungsthese wertet der Beitrag den Orthographieerwerb als nicht substituierbare Komponente einer Sprachkompetenz, die den Umgang mit Texten ermöglicht.
Das Schriftsystem ist ein System und es zeigen sich Folgen, wenn Schreibungen gegen den Schreibusus geändert werden. Exemplarisch wird dies erstens an der Veränderung des Verbsuffixes -iren zu -ieren im Nachgang der Rechtschreibreform von 1876 und zweitens der Veränderung von Gruppen wie im Allgemeinen in der Reform von 1996 gezeigt. Beide verursachen unbeabsichtigte Folgefehler. Wie systematisch manche Variation und damit auch mancher Fehler ist, wird sowohl am Komma vor Vergleichssätzen als auch an Fehlern in der Getrennt- und Zusammenschreibung gezeigt. Das Statut des Rechtschreibrates besagt, dass bei der Weiterentwickung des Amtlichen Regelwerks die ständige Beobachtung der Schreibentwicklung, die Klärung von Zweifelsfällen, die Erarbeitung und die wissenschaftliche Begründung von Vorschlägen zur Anpassung des Regelwerks an den allgemeinen Wandel der Sprache im Vordergrund stehen. Das ist zu begrüßen, weil viele Zweifel bei den Zweifelsfällen grammatische und nicht orthographische Ursachen haben.
Kognitive Pretests oder auch kognitive Interviews sind semi-standardisierte Interviews, die durchgeführt werden, um Einblick in die kognitiven Prozesse zu bekommen, die Befragte beim Beantworten von Fragen durchlaufen, und wie sie zu ihrer Antwort kommen. Innerhalb der sozialwissenschaftlichen Umfrageforschung werden kognitive Interviews insbesondere zu zwei Zwecken eingesetzt: (a) in der Fragebogenentwicklung und (b) in der Übersetzung von Fragebögen. Im Rahmen der Fragebogenentwicklung wird durch Interviews mit Befragten der Zielpopulation versucht, Hinweise auf unterschiedlichste Frageprobleme zu erhalten. So kann man beispielsweise herausfinden, wie Befragte bestimmte Wörter oder Begriffe verstehen, wie schwierig oder einfach sie eine Frage finden oder wie sie ihre Antwort auf eine Frage bilden. In der Übersetzung von Fragebögen kann man beispielsweise untersuchen, ob eine übersetzte Frage so verstanden wird wie die entsprechende Frage in der Ausgangssprache oder welche gewünschten bzw. unerwünschten Konnotationen bestimmte Übersetzungen haben. Innerhalb der Orthographieforschung ließe sich diese Methode auf die Entwicklung von Kriterien zur Festlegung von Rechtschreibregeln oder zur Prüfung ihrer Akzeptanz anwenden: In kognitiven Interviews eingesetzte Techniken wie „Probing“, also gezieltes Nachfragen, oder Lautes Denken könnten genutzt werden, um zu prüfen, wie Rechtschreibregeln angewendet werden oder wie sie zielgruppenspezifisch und nutzungsfreundlich ausgestaltet werden müssten, damit sie größtmögliche Akzeptanz in weiten Teilen der Bevölkerung finden. So könnte man intuitive Entscheidungen bei Worttrennung oder Getrennt- und Zusammenschreibung untersuchen.
Die normgerechte Kommasetzung ist im Deutschen deklarativ und sehr elegant von Beatrice Primus (1993, 2007) erfasst worden. Sie bindet Kommas primär an syntaktische Konzepte wie ‚Satzgrenze‘ und ‚Subordination‘. Nun gibt es allerdings ein Komma, das sich nicht ins System fügen will, das aber immer häufiger wird: das Vorfeldkomma wie in Gegen so eine starke Übermacht, konnten die deutschen Truppen nichts mehr ausrichten. Dieser Beleg stammt aus einer rezenten Abiturarbeit. Hier wird – entgegen den geltenden Rechtschreibregeln – das Vorfeld der Sätze mit einem Komma abgetrennt; es handelt sich um systematische Abweichungen von der Norm. Wir können die Faktoren, die ihre Verteilung steuern, empirisch gut erfassen. Weit weniger klar ist, ob diese Beobachtungen theoretische Konsequenzen haben sollten, und wenn ja, welche. Das soll in diesem Beitrag diskutiert werden, neben einigen anderen Problemfällen, die die Empirie der Theorie beschert.
Die Anforderungen an gegenwartssprachliche Wörterbücher beinhalten, bei der Aufbereitung der lexikalischen Informationen in Stichwortartikeln die lemmabezogenen Korrektschreibungen adäquat zu berücksichtigen. Die dazugehörigen Arbeitsgänge in der Redaktion des Digitalen Wörterbuchs der deutschen Sprache (DWDS) reichen von der Ansetzung der Nennformen in allen ggf. zulässigen orthographischen Varianten über die Anlage von Verweisen auf die einschlägige Bezugsnorm bis zur Dokumentation ausgewählter Korpusbelege mit gebrauchsfrequenten Abweichungs- und Falschschreibungen. Als besondere Herausforderungen für die lexikographische Praxis erweisen sich regelmäßig Lücken und Interpretationsspielräume in der amtlichen Regelung sowie die bei Belegrecherchen in den DWDS-Textquellen zutage tretenden Diskrepanzen zwischen orthographischer Norm und Schreibusus.
Das Ziel des Beitrages ist es, die Orthografiereform 1996–2006 in den Entwicklungsprozess der deutschen Rechtschreibung seit der Herausbildung der Einheitsorthografie einzuordnen, ihre Stellung in diesem Prozess zu kennzeichnen und ihre Ergebnisse zu benennen. Ausgehend von einer Charakterisierung der besonderen Merkmale der Orthografie als Norm der Schreibung sowie des Begriffes Orthografiereform, werden zunächst die Endphase der Herausbildung der deutschen Einheitsorthografie und ihr Abschluss durch die Orthografiereform von 1901 beschrieben. Dem folgt die Darstellung der Besonderheiten der deutschen Orthografieentwicklung im 20. Jahrhundert bis zum Jahr 1996. Ein wichtiger Bestandteil des Beitrages ist dann die Herausarbeitung der Grundlagen und Bestimmungsfaktoren einer Orthografiereform unter heutigen Bedingungen und die Anwendung dieser Grundsätze auf den Prozess der Entstehung und Umsetzung der Orthografiereform 1996–2006. Abschließend werden die Ergebnisse dieses Prozesses in vier Punkten zusammengefasst die auch gleichzeitig die Bedeutung dieser Sprachlenkungsmaßnahme in der deutschen Orthografiegeschichte kennzeichnen.