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Texten als Dienstleistung : Sprachwissenschaftler schreiben die besseren Gebrauchsanweisungen
(1998)
Sprachwissenschaftler kooperieren mit der Pharmaindustrie? Ja, und zwar mit großem Erfolg, denn: linguistisches Wissen ist eine begehrte Ware. In diesem Artikel wollen wir über unsere Zusammenarbeit mit einem großen Unternehmen aus dem Bereich der Medizintechnik für Diabetiker berichten. Wir haben dieses Unternehmen in den letzten Jahren beraten, wie seine Produktmanager optimale Gebrauchsanweisungen herstellen können. Wir haben aber nicht nur Leitfäden und Gutachten verfasst, sondern auch mehrere Handbücher für Blutzuckermessgeräte und Beipackzettel für Messstreifen selbst geschrieben.
Das Institut für Deutsche Sprache (IDS) hat die Aufgabe, die deutsche Sprache in ihrem gegenwärtigen Gebrauch und in ihrer neueren Geschichte zu erforschen und zu dokumentieren. Seine Forschungsarbeiten stützen sich auf umfangreiche Korpora geschriebener Texte, auf Aufnahmen gesprochener Äußerungen und - soweit wie möglich - auch auf Beobachtungen der Bedingungen des konkreten Sprachgebrauchs. Zu den Bedingungen des Sprachgebrauchs in einem weiten Sinn gehören auch die Meinungen und Einstellungen, die Menschen zu ihrer eigenen Sprache und zu den Sprachen oder dem Sprachgebrauch anderer Menschen und Gruppen haben. In Deutschland verbreitete Sprachmeinungen und -einstellungen wurden vom IDS im Winter 1997/98 mit einer Repräsentativumfrage erkundet. Durchgeführt wurde die Erhebung von der Gesellschaft für Marketing, Kommunikations- und Sozialforschung, GFM-GETAS, in Hamburg.
Kommunikation gewinnt in allen gesellschaftlichen Bereichen eine immer größere Bedeutung. Auf den Begriff gebracht wird dies mit dem Stichwort der ›Versprachlichung der Gesellschaft‹. Auch in der Wirtschaft wächst das Bewusstsein dafür, dass die Produktion von Waren und das Erbringen von Dienstleistungen mit vielfältigen kommunikativen Prozessen verbunden sind und dass der Anteil von Kommunikation im Rahmen wirtschaftlicher Leistungen immer größer wird. Kommunikation hat sich zu einer zentralen Produktivkraft entwickelt, und entsprechend wird Kommunikationsfähigkeit für Management und Mitarbeiter auf allen Ebenen zunehmend zur Schlüsselqualifikation. Die Sprachwissenschaft, zu deren Gegenstand die Analyse von Kommunikationsprozessen und die Verbesserung von Kommunikationsfähigkeit gehört, hat lange Zeit die Wirtschafts- und Unternehmenskommunikation ignoriert und dieses Gebiet Psychologen, Betriebswirtschaftlern und Kommunikationstrainern überlassen. Erst mit der neuen Forschungsrichtung der Gesprächsanalyse, die Strukturen und Probleme von Gesprächen aus allen Bereichen der Gesellschaft untersucht, ist auch die Wirtschaft wieder ins Blickfeld der Sprachwissenschaft gerückt. Sehr schnell war dabei klar, dass man keine Aussagen über die Wirtschaftskommunikation machen kann (und dass es auch keine Fachsprache der Wirtschaft gibt) – dazu sind Wirtschaft und Unternehmen zu vielgestaltig –, sondern dass einzelne Gesprächsformen untersucht werden müssen, die unternehmensübergreifend vorkommen.
Deutsch ist keine isolierte Sprache. Seine heutige Gestalt ist von anderen europäischen Sprachen beeinflusst. Eine jahrhundertelange Auseinandersetzung mit antikem, italienischem, französischem und schließlich englischem Weltverständnis bescherten uns mit einem abendländischen Begriffsgefüge auch einen gemeinsamen Wortschatz, der sich vielfach von griechischen und lateinischen Wurzeln ableitet und willkommene Brücken zu anderen Sprachen baut. Diesem »lessico intellettuale europeo« (so der Titel eines europäischen Langzeitprojekts) verdankten frühere Bildungseliten die Leichtigkeit gegenseitigen Verständnisses in einem durchaus polyphonen europäischen Diskurs, in dem kulturelle und sprachliche Identitäten im nationalen und regionalen Rahmen gewahrt waren. So soll es auch in einem vereinigten Europa bleiben. Ein demokratisches Europa beruht auf der Akzeptanz unterschiedlicher Kulturräume bei gleichzeitiger Anerkennung allgemeinverbindlicher Diskursregeln. Funktionieren kann das nur, insoweit es gelingt, Mehrsprachigkeit zu verallgemeinern. Hier kommen auf die nationalen Sprachinstitute in Europa neue Aufgaben zu.