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18
Die Analyse prosodisch-phonetischer Ressourcen stand neben morpho-syntaktischen, lexiko-semantischen und diskurspragmatischen von Anfang an im Mittelpunkt interaktional-linguistischer Forschung. In den letzten Jahren sind darüber hinaus visuell wahrnehmbare Phänomene zunehmend Gegenstand interaktional-linguistischer Beschreibungen von Kommunikationssituationen geworden.
Der vorliegende Sammelband enthält neun Untersuchungen, die auf Korpora von Alltagsgesprächen oder institutionellen Interaktionssituationen (Unterricht und Parlamentsdebatten) in unterschiedlichen Sprachen (Deutsch, Englisch, Mandarin) beruhen. Die Beiträge zeigen, welchen Anteil unterschiedliche semiotische Ressourcen – interpretiert in ihrer holistischen Gestalt – an der Organisation sozialer Interaktionen haben. Der Band trägt somit dazu bei, die Rolle multimodaler Ressourcenbündel in ihrer Situiertheit, Prozesshaftigkeit und Kontextsensitivität für die Durchführung kommunikativer Aufgaben besser zu verstehen.
16
Multiethnolektale Sprechweisen von Jugendlichen sind in mittel- und nordeuropäischen Ländern nicht nur ein Thema soziolinguistischer Forschung, sie werden auch in der Öffentlichkeit viel diskutiert. Trotz der großen Aufmerksamkeit, die das Thema auf sich zieht, gibt es für das Deutsche nur wenige Untersuchungen, die die linguistischen Phänomene auf ausreichender empirischer Basis beschreiben und auswerten. In der vorliegenden Korpusstudie wird die Sprache von Jugendlichen aus Stuttgart analysiert. Im Zentrum der Untersuchung stehen multiethnolektale Syntagmen, bei denen Artikel, Präpositionen und Pronomen nicht verwendet werden. Die Forschungsergebnisse basieren auf über 6.000 Einzelbelegen aus Audiodaten, die im Rahmen von informellen Interviews in den Stadtteilen Stuttgart-Nord, Bad Cannstatt und Hallschlag entstanden sind.
Die Funktion und der Gebrauch von Artikeln, Präpositionen und Pronomen im autochthonen Deutschen werden detailliert beschrieben, bevor anhand von umfangreichen syntaktischen und semantischen Analysen die sprachlichen Bedingungen herausausgearbeitet werden, unter denen die Jugendlichen die multiethnolektalen Strukturen verwenden. Gestützt werden diese Auswertungen durch Aussagen über die Häufigkeit der grammatischen Varianten in den verschiedenen syntaktisch-semantischen Kontexten. Eine multivariate Analyse bindet zudem außersprachliche Faktoren, beispielsweise den Einfluss der verschiedenen Familiensprachen, mit ein und zeigt, welche Variablen die Verwendung der multiethnolektalen Syntagmen steuern. Darüber hinaus liefern Auswertungen und Beobachtungen zum situativen Gebrauch wichtige Forschungsergebnisse zur multiethnolektalen Sprachvariation.
11
Mit den Methoden der Interaktionalen Linguistik und der Konversationsanalyse untersucht die vorliegende Arbeit syntaktische Ko-Konstruktionen im gesprochenen Deutsch, wobei der Fokus auf Vervollständigungen eines zweiten Sprechers vor einem möglichen syntaktischen Abschlusspunkt liegt. Auf der Basis von 199 Ko-Konstruktionen aus informellen Interviews und Tischgesprächen leistet die Arbeit eine erste umfassende Analyse der gemeinsamen Konstruktion einer syntaktischen Gestalt durch zwei Sprecher im Deutschen.
Die Struktur der Ko-Konstruktionen wird in einem ersten Schritt über die Basisoperationen der Online-Syntax, Projektion und Retraktion, beschrieben. Im Fokus steht hier die Frage, an welchen Projektionen sich der zweite Sprecher orientiert, wobei sowohl syntaktische und prosodische als auch semanto-pragmatische Aspekte in die Analyse miteinbezogen werden. In einem zweiten Schritt wird die zeitliche und sequenzielle Organisation der Ko-Konstruktionen detailliert herausgearbeitet. Ein Schwerpunkt liegt hier auf einer genauen Darstellung und Analyse der verschiedenen Handlungsoptionen des ersten Sprechers nach der ko-konstruierten Vervollständigung.
23
Seit der Migrationswelle 2015 steht Deutschland der gesellschaftspolitischen Herausforderung gegenüber, hunderttausende Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Erfolgreiche Kommunikation am Arbeitsplatz stellt dabei eine Barriere dar, die es durch Verständnissicherung und Interaktionskompetenz zu überwinden gilt.
Diese empirische interaktionslinguistische Arbeit untersucht mittels der multimodalen Gesprächsanalyse die Verständnissicherung in Interaktionen am Arbeitsplatz. Anhand von Reparatursequenzen werden im ersten Analyseteil der Arbeit Praktiken der Integration von Geflüchteten im Prozess der Verständnissicherung untersucht und Unterschiede zwischen l1- und l2-Sprechern herausgestellt. Im zweiten Teil erfolgt eine longitudinale Studie, welche die Entwicklung der Reparatursequenzen der l2-Sprecher fokussiert, um aufzuzeigen, wie sich ihre Interaktionskompetenz und somit auch ihre Partizipation und Integration während ihres Beschäftigungsverhältnisses entwickelt.
22
Lexikalische Diskurspartikeln wie ‚gut‘, ‚schön‘, ‚genau‘, ‚richtig‘, ‚klar‘ etc. mit Äquivalenten in anderen Wortklassen (z.B. als Adjektive) und einem inhärenten semantischen Gehalt sind ein häufiges Phänomen in der gesprochenen Sprache. In ihrem vielfältigen, feinnuancierten Gebrauch tragen sie maßgeblich zur Organisation von Gesprächen bei. Der Fokus dieser empirischen interaktionslinguistischen Untersuchung liegt auf der detaillierten Beschreibung des Formen- und Funktionsspektrums sowie der Verwendungspraktiken von ‚gut‘ und ‚schön‘. Dabei werden funktionale, sequenzielle, prosodische und kombinatorische Regelhaftigkeiten aufgezeigt sowie das Verhältnis zwischen ‚gut/schön‘ und ihren Pendants als Adjektiven diskutiert. Die Verwendungsmerkmale und -bereiche der Diskurspartikeln werden zudem mit prädikativen Formen mit ‚gut/schön‘ verglichen, um die Spezifika und Leistungsfähigkeit von lexikalischen Diskurspartikeln aufzuzeigen und die Formate im Hinblick auf Pragmatikalisierung zu diskutieren.
21
Die Untersuchung von Positionierungsaktivitäten zur diskursiven Herstellung sozialer Identität blickt auf eine lange Tradition zurück und wird innerhalb der Sprachwissenschaft hauptsächlich in der gesprächsanalytischen Erzählforschung angewendet. Im Rahmen eines sozialkonstruktivistischen Ansatzes geht die Positionierungstheorie von einer dynamischen Konstitution von Identität aus.
Bisher fehlte es noch an einer systematischen Betrachtung von interaktiven Positionierungsaktivitäten, die sich mit der Realisierung und Aushandlung von Positionierungen in Alltagsgesprächen befasst. Hier setzt diese Arbeit an: Im Rahmen eines interaktionslinguistischen Ansatzes werden Positionierungspraktiken systematisch in vorwiegend nicht-narrativen Kontexten betrachtet. Auf der Grundlage empirischer Analysen liefert die Untersuchung neue Einblicke in die interaktive Konstitution von Identität, ihre sequenziellen Regelhaftigkeiten, Erwartungsstrukturen sowie in das Verhältnis von Selbst- und Fremdpositionierung.
18
In this paper we examine the composition and interactional deployment of suspended assessments in ordinary German conversation. We define suspended assessments as lexicosyntactically incomplete assessing TCUs that share a distinct cluster of prosodic-phonetic features which auditorily makes them come off as 'left hanging' rather than cut-off (e.g., Schegloff/Jefferson/Sacks 1977; Jasperson 2002) or trailing-off (e.g., Local/Kelly 1986; Walker 2012). Using CA/IL methodology (Couper-Kuhlen/Selting 2018) and drawing on a large body of video-recorded face-to-face conversations, we highlight the verbal, vocal and bodily-visual resources participants use to render such unfinished assessing TCUs recognizably incomplete and identify six recurrent usage types. Overall, the suspension of assessing TCUs appears to either serve as a practice for circumventing the production of assessments that are interactionally inapposite, or as a practice for coping with local contingencies that render the very doing of an assessment problematic for the speaker. Data are in German with English translations.
19
Unter dem Schlagwort ‚Kiezdeutsch‘ wurde in den letzten zehn Jahren intensiv über die Herkunft des deutschen Multiethnolekts diskutiert, der von Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund genutzt wird. Handelt es sich bei den typischen Merkmalen um altersgebundene Stilisierungen? Oder avanciert die Jugendsprache zu einem neuen Dialekt des Deutschen? Einig war man sich bisher nur darin, dass der Multiethnolekt keine Fortsetzung der Lernermerkmale der Gastarbeitergeneration darstellt.
Ein Vergleich von sieben Merkmalen in über 50 Studien der letzten 50 Jahre lässt diese Prämisse fraglich erscheinen. Der vorliegende Band liefert eine Erklärung der Variation in der Morphosyntax, die mit den Schritten der Koinéisierung im Einklang steht und den kollektiven Sprachwechsel ins Deutsche berücksichtigt: Über mehrere Generationen und Lebensabschnitte erfolgt eine Weitergabe, Abnahme und Funktionalisierung der Merkmale, wobei ethnische Grenzen zunehmend verschwimmen.
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Modalverben gehören zu den hochfrequenten Verben des Deutschen und weisen in der gesprochenen Sprache eine hohe grammatische, semantische und funktionale Flexibilität auf. Die Studie befasst sich aus interaktionslinguistischer Sicht mit dem Verwendungsspektrum von Konstruktionen, in denen Modalverben “absolut”, das heißt hier: ohne infinites Vollverb, gebraucht werden. Es wird untersucht, welche Bedeutungen die Modalverben in Interaktionen haben bzw. welche Faktoren ihre Interpretation beeinflussen und inwiefern die jeweiligen Konstruktionen für spezifische sprachliche Handlungen und in speziellen interaktiven Kontexten verwendet werden.
Als entscheidend für die Analyse zeigen sich neben der signifikanten Medialitätsdifferenz auch Interaktivität, Online-Produktion und Gattungs- bzw. Registermerkmale wie Informalität. Die Studie demonstriert außerdem, dass die Modalverbkonstruktionen sehr unterschiedliche Grade von Schematizität, Spezifizität und (Nicht-) Kompositionalität aufweisen.
12
Interagierenden steht zur Anzeige und Aushandlung geteilten Wissens (‚common ground‘) eine Vielzahl sprachlich-kommunikativer Formen zur Verfügung. Am Beispiel der Modalpartikel ‚ja‘ und des mentalen Verbs ‚wissen‘ befasst sich die Studie mit Momenten in der Interaktion, in denen Interagierende einander erkennbar Wissen zuschreiben. Vorkommen dieser beiden Formen in drei Gesprächstypen werden konversationsanalytisch und interaktional-linguistisch untersucht. Dabei werden einerseits funktionale, argumentative, rhetorische, sequenzielle und beteiligtenbezogene Aspekte der einzelsprachlichen Praktiken herausgearbeitet und andererseits allgemeine Schlüsse zur interaktiv-sozialen Relevanz von Wissenszuschreibungen in der Interaktion gezogen, insbesondere in Hinblick auf die Anzeige und Aushandlung wissensmäßiger Rechte und Pflichten von Interagierenden. Die Studie zeigt, inwiefern es methodisch möglich und erkenntnisträchtig ist, einen mentalen Gegenstand wie Wissen konversationsanalytisch zu untersuchen.