Deutsche Sprache. Zeitschrift für Theorie, Praxis, Dokumentation
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Der folgende Kurzbericht hat in meinen Augen weniger die Funktion, die einzelnen Beiträge anzusprechen, als vielmehr die, gewisse vertretene Tendenzen dadurch herauszuarbeiten, daß die Referate der Sektion inhaltlich gruppiert und mit denen des letzten Kolloquiums verglichen werden. Die Berechtigung, ja Notwendigkeit eines solchen Vorgehens ergibt sich schon daraus, daß sechs der gehaltenen Referate sich — in weiterem Sinne — unter logischformale Semantik gruppieren lassen und die Darstellung formalsemantischer Systeme bereits im Rahmen der 20-minütigen Kolloquiumsvorträge problematisch ist — auf Berichtsform reduziert, scheint es mir dann völlig sinnlos zu sein, mehr zu bieten als eine Andeutung, die das Interesse für eine Lektüre des Beitrages wecken soll; eine Publikation der Akten des Kolloquiums ist geplant. Unter der Rubrik ‘logisch-formale Semantik’ lassen sich einordnen die Beiträge von Abraham, Frosch, König, Pinkal und Rieger sowie mein eigener. Bereits innerhalb dieser Rubrik zeigt sich, was auch für die gesamte Sektion Semantik und für das Kolloquium überhaupt gilt (sieben Sektionen!): eine gemeinsame Basis der Linguisten, eine Menge gemeinsamer Prämissen scheint im Moment nicht vorhanden zu sein; die Pluralität der Ansätze und Methoden triumphiert. Dadurch geht der Workshop-Charakter des Kolloquiums in zunehmendem Maße verloren, da sich jeder Teilnehmer gezwungen sieht, zunächst seine Prämissen auszubreiten, bevor er überhaupt zu inhaltlichen Aussagen Vordringen kann. Mir scheint hier ein Problem zu liegen, von dessen Lösung das Weiterbestehen des Linguistischen Kolloquiums in seiner bisherigen Form des offenen Marktes mit 20-Minuten-Vorträgen entscheidend abhängt.
Die sprachlichen Veränderungen der letzten 20 Jahre sind von zwei Zeitabschnitten gekennzeichnet, die in Bezug auf die Wortschatzentwicklung unterschiedlicher nicht hätten sein können: Der erste, kurze, ist von der Wendezeit – mit auffälligem, meist nur vorübergehendem Lexemwandel – und dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik – mit dem Verschwinden bzw. Austausch des größten Teils des DDR-typischen Wortschatzes – geprägt. Der zweite, wesentlich längere Abschnitt ist von der Entwicklung im vereinigten Deutschland mit einem im Vergleich unauffälligen, weil kontinuierlichen Wortschatzwandel bestimmt.
Im Beitrag werden ausgewählte semantische und syntaktische Eigenschaften von AcI-Konstruktionen bei Wahrnehmungsverben im Deutschen, Italienischen und Ungarischen anhand einer Korpusanalyse dargestellt. Dabei wird in erster Linie auf Eigenschaften eingegangen, denen in der bisherigen Forschung wenig Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Das Hauptziel ist, syntaktische Eigenschaften der Konstruktion aufzudecken, die sich von den Eigenschaften von Sätzen mit einer weniger markierten syntaktischen Struktur unterscheiden. Des Weiteren wird auch auf den Grammatikalisierungsgrad der Konstruktion in den einzelnen Vergleichssprachen eingegangen.
Bestimmte adsubstantivisch verwendete Demonstrativa verfügen – über die deiktische und phorische hinaus – über eine so genannte anamnestische Gebrauchsweise. Diese Verwendung wird in der Literatur häufig vernachlässigt, obwohl sie nach mehreren Autoren (z.B. Diessel, Himmelmann) den Ausgangspunkt der Grammatikalisierung der Demonstrativa bildet. Im vorliegenden Aufsatz wird einerseits nachgeprüft, ob und inwieweit die in der einschlägigen Literatur beschriebenen allgemeinen Charakteristika der anamnestischen Demonstrativa für das Deutsche und das Ungarische zutreffen. Andererseits werden auch die Eigenschaften der indefiniten Gegenstücke der anamnestischen Demonstrativa in beiden Vergleichssprachen anhand von Korpusbeispielen untersucht. Zum Schluss wird auch auf die möglichen Grammatikalisierungswege der Demonstrativa eingegangen.
In HDK-1 und in HDK-2 werden Perfektpartizipien wie angenommen und vorausgesetzt in der ‚absoluten‘ Verwendung ohne Auxiliar als vollständig grammatikalisierte Konnektoren mit konditionaler Semantik behandelt. Zwar werden sie von semantisch unterschiedlichen Verben gebildet, in der Verwendung als Konnektor lassen sich aber zumindest hinsichtlich der Wahrheitsbedingungen kaum semantische Unterschiede mehr erkennen. Deutliche Unterschiede zeigen sich aber im Sprachgebrauch: Basierend auf einer groß angelegten Korpusstudie wird gezeigt, dass sich angenommen und vorausgesetzt stark unterscheiden hinsichtlich a) ihrer Präferenz für die Einbettung von V2- vs. dass-Nebensätzen, b) des präferierten Verbmodus im Nebensatz, c) der topologischen Präferenz des untergeordneten Satzes sowie d) der Kookkurrenz mit anderen Ausdrücken. Es wird versucht, diese Unterschiede mit einem pragmatisch-funktionalen Ansatz zu erklären.
Das von der Leibniz-Gemeinschaft geförderte Projekt „Lexik des gesprochenen Deutsch“(LeGeDe, Leibniz-Wettbewerb 2016, Förderlinie I: „Innovative Vorhaben“) nahm im September 2016 am Institut für Deutsche Sprache (IDS) seine Arbeit auf.1 Das Hauptziel ist die Erstellung einer korpusbasierten lexikografischen Online-Ressource zur Lexik des gesprochenen Deutsch auf der Grundlage von lexikologischen und gesprächsanalytischen Untersuchungen authentischer gesprochensprachlicher Daten. Als Kooperationsprojekt der Abteilungen Lexik und Pragmatik arbeiten Mitarbeiter/innen aus der Lexikologie, Lexikografie, Interaktionalen bzw. Gesprächslinguistik, Korpus- und Computerlinguistik und den Empirischen Methoden zusammen, wodurch sowohl aus der Sicht der Gesprochene- Sprache-Forschung als auch aus lexikografischer Perspektive eine innovative Form der Sprachbeschreibung entstehen soll.
Bedeutung und Standardinterpretation von Äußerungen mit negierten negativ-bewertenden Adjektiven
(2009)
Thema dieses Beitrags ist der Unterschied zwischen der Bedeutung und der Standard- oder „Default“-Interpretation von Äußerungen mit negierten lexikalischen bzw. un-präfigierten Antonymen graduierbarer Adjektive wie intelligent (z.B. X ist nicht dumm vs. X ist nicht unintelligent). Ausgehend von der Darstellung der Bedeutung und der Standardinterpretation der entsprechenden nicht-negierten Formen dieser Äußerungen (z.B. X ist dumm vs. X ist unintelligent) wird zunächst gezeigt, dass Äußerungen wie X ist nicht dumm und X ist nicht unintelligent sich im Hinblick auf das, was mit ihnen kodiert ist, unterscheiden: Äußerungen mit negierten lexikalischen Antonymen (X ist nicht dumm) umfassen sowohl den positiven als auch den neutralen Mittelbereich der jeweils relevanten Skala, solche mit negierten un-präfigierten Antonymen (X ist nicht unintelligent) hingegen nur den positiven Bereich. Die beiden Typen von Äußerungen unterscheiden sich aber auch im Hinblick auf ihre Standardinterpretation: Obwohl sie beide überlicherweise als ‚eher X‘ oder ‚ziemlich X‘ (z.B. ‚eher intelligent‘ oder ‚ziemlich intelligent‘) interpretiert werden, wird die mit den negierten, un-präfigierten Formen ausgedrückte Bewertung von Muttersprachlern (des Deutschen) häufig als positiver eingeschätzt als die Bewertung, die mit den negierten nicht-abgeleiteten Formen ausgedrückt wird.