Sprachpolitik
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Hochsprache und Sprachnorm. Kritische Bemerkungen zu einer sprachwissenschaftlichen Verfahrensweise
(1971)
In der sprachenpolitischen Entwicklung Mitteleuropas beginnt das 20. Jahrhundert mit aggressiven Wirkungen des preußisch-deutschen Sprachnationalismus, der besonders seit der „konservativen Wende von 1878/79“ (Wehler) zur Legitimierung und Emotionalisierung des neuartigen 'Reichsnationalismus' mit zunehmender Unterdrückung und Verdrängung von Minderheitensprachen sprachimperialistisch wurde, mit Parallelerscheinungen in Österreich-Ungarn. Der Nationalsozialismus führte diese Sprachenpolitik verschärfend weiter mit dem Ergebnis einer (nicht nur sprachenpolitischen) Katastrophe. Äußerer Widerstand gegen deutschen Sprachimperialismus äußerte sich in der Kriegs- und Nachkriegszeit in der Schweiz als stärkere Distanzierung vom 'Hochdeutsch'-Sprechen, in Luxemburg als Etablierung einer eigenen Nationalsprache, weltweit allgemein als Rückgang von Deutsch als Minderheiten-, Fremd- und Wissenschaftssprache, vor allem in westlichen Ländern. Seit der späteren Nachkriegszeit gibt es zur Schadensbegrenzung Ansätze zur Überwindung des monolingualen deutschen Sprachstolzes: Akzeptanz von Englisch als weltweite Verkehrssprache, kooperatives bilinguales Sprachenrecht für (traditionelle) Minderheiten, Bemühungen um mehr 'Begegnung' mit Nachbarsprachen.
Die wechselhafte politische Geschichte deutsch-polnischer Beziehungen prägt die unterschiedlichen Einstellungen der Polen gegenüber den Deutschen. Einbrüche von 1772 (Beteiligung Preußens und Österreichs an der Teilung Polens), vom Ende des 19 Jhs. (Germanisierungspolitik in preußisch besetzten Gebieten) und vor allem von 1939 mit dem Höhepunkt der Polenfeindlichkeit, den die nationalsozialistische 'Polenpolitik' darstellt (Verbot der polnischen Sprache, Schließung polnischer Gotteshäuser, Verknechtung, Verfolgung und Ermordung) haben dennoch keine Abwehr der deutschen Kultur durch die Polen bewirkt. Die erstaunliche Öffnung Polens und positive Einstellung den Deutschen gegenüber – die keine umgekehrte Entsprechung hat - drückt sich gleich nach Kriegsende aus (bereits 1945 wurde z.B. an polnischen Universitäten die polnische Germanistik (wieder-)aufgebaut und der Deutschunterricht an Schulen wiedereingeführt). Die heutige Stellung des Deutschen in Polen (Deutsch wird in allen Schultypen und auf allen Bildungsebenen von insgesamt etwa 4 Mill Polen gelernt) entspricht der des Deutschen in Mitteleuropa, die zeigt, daß Deutsch auf dem Weg zu einer euroregionalen Verkehrssprache ist. Dabei ist das Interesse am Deutschen nicht nur wirtschaftlich begründet, sondern vor allem in der Aufbewahrung einer positiven deutschen Tradition im kollektiven Gedächtnis der Polen (und der Mitteleuropäer überhaupt). Aufgaben für die mit der deutschen Sprache Beschäftigten sind u.a., den positiven Prozeß zu stützen, besonders auf der Ebene Mensch zu Mensch, sowie die Vermittlung kulturspezifischen Wissens.