Morphologie
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Sprachliche Zweifelsfälle kommen auf allen linguistischen Ebenen vor. Ihre Einordnung erfolgt zumeist nach Systemebene, nach Entstehungsursache oder nach lexematischer Struktur. Sprachlicher Zweifel kann auch nach intra- und interlingualen Aspekten unterschieden werden. Stehen zwei oder mehrere lexikalische Varianten zur Verfügung, kann es zu Unsicherheiten bezüglich des angemessenen Gebrauchs kommen. Nicht nur Muttersprachler*innen sind mit Schwierigkeiten konfrontiert, Zweifelsfälle stellen auch ein Problem bei der Fremdsprachenproduktion dar.
Dieser Band beschränkt sich auf lexikalisch-semantische, flexivische und wortbildungsbedingte Zweifelsfälle und führt interessierte Leser*innen in Fachliteratur und Nachschlagewerke ein. Er streift Fragen der Sprachdidaktik, der Fehler- und Variationslinguistik, denn die Auseinandersetzung mit typischen Zweifelsfällen zeigt auch das Spannungsfeld zwischen allgemeinem Usus und kodifizierter Norm, zwischen Gegenwart und Wandel, zwischen Dynamik, sprachlichem Reichtum und erlernter Bildungstradition.
„Actual words are of theoretical interest” (Audring 2021: 3). Unter Zugrundelegung dieser gebrauchsbasierten Prämisse geht der vorliegende Beitrag der Frage nach, wie sich die Nominalkomposition im Deutschen auf der Basis sprachlicher Massendaten als Konstruktionsfamilie, d.h. als ein hierarchisches Netzwerk von Konstruktionen unterschiedlichen Abstraktionsgrads, beschreiben lässt. Der Beitrag knüpft in theoretischer Hinsicht an Booijs (2010) „Construction Morphology” an, geht jedoch insofern über diese hinaus, als versucht wird, deren Grundannahmen auch auf automatisch erhobene sprachliche Massendaten anzuwenden. Konkret wird mit einem Inventar von rund 185.000 Zusammensetzungen aus zwei simplizischen Nomen gearbeitet, die systematisch aus dem Deutschen Referenzkorpus (DeReKo) (vgl. Leibniz-Institut für Deutsche Sprache 2007) extrahiert und im Anschluss (semi)automatisch weiterverarbeitet wurden.
Morphophonological asymmetries in affixation concern systematic correlations between morphological properties of affixes (e.g. combination with bound versus free stems, position relative to stem (suffixes versus prefixes)) and their phonological properties (e.g. stress behaviour). The arguably most insightful approach to capturing relevant asymmetries invokes a notion of affix coherence, first introduced by Dixon in connection with his work on Yidiɲ, a nearly extinct language spoken in Northern Australia. This notion is based on a categorical division of affixes into ones that integrate into the phonological word of the stem and ones that do not. The integration of affixes is envisioned as being fully determined by phonological and morphological structure in a given language and verifiable by diagnostics relevant to phonological word domains (primarily the syllable and the foot structure). The assumption of two types of prosodic domains characterized by integrated versus non-integrated affixes is manifest in consistent asymmetries that pertain to morphophonological, phonological, and phonetic rules. This consistency constitutes compelling evidence for the structure-based analysis of the impact of various affixes on derived words, as opposed to alternative approaches to capturing these effects by associating affixes with diacritics (morpheme versus word boundary, class 1 versus class 2, stratum 1 versus stratum 2). The present entry aims to demonstrate, mostly on the basis of data from Germanic languages, the breadth of the empirical evidence in support of a fundamental role of affix coherence. Moreover, it aims to draw attention to the various implications of affix coherence for modeling relevant generalizations, in particular the necessary reference to a level of phonological representation characterized by a specific degree of abstractness (‘phonemic’).
Der vorliegende Beitrag vergleicht die Verwendung der anglizistischen Nomination old school und der nativen Entsprechung Alte Schule im Hip-Hop-Subkorpus des Songkorpus (Schneider 2020). Dieser Vergleich erfolgt auf zwei Ebenen: Zum einen wird die diskurs-spezifische Verwendung anhand eines adaptierten Analyse-Frameworks für Hip-Hop-Texte von Androutsopoulos und Scholz (2002) untersucht, zum anderen wird der syntaktische und morphologische Gebrauch in den Deutschraptexten analysiert. Dabei zeigt sich, dass es jeweils spezifische Verwendungstendenzen auf diskursiver Ebene gibt, die wesentlichsten Unterschiede aber in der syntaktischen und morphologischen Verwendung auftreten, allen voran in der höheren Produktivität der anglizistischen Nomination. Es wird dafür argumentiert, dass sich dies unter anderem auf sprachstrukturelle bzw. wortformale Spezifika des Englischen zurückführen lässt, wie den nicht vorhandenen Flexionssuffixen der Adjektive. Damit werden die in der Anglizismenforschung etablierten Überlegungen zu Verwendungsgründen um eine simple, aber gegebenenfalls folgenreiche Beobachtung ergänzt, die sich vor allem bei den sprachökonomischen Ansätzen einordnen lässt. Schließlich wird darüber auf diskursiver Ebene wiederum auch ein Bezug zu terminologischen Vorteilen hergeleitet: Trotz flexibler Verwendung wird das schriftliche Abbild bei Wortbildungen geschont (Oldschoolstyle, Oldschool-Aufnahmen, Oldschooler), was für die Wiedererkennbarkeit des Diskurselements – neben der zusätzlichen Auszeichnung durch die Eigenschaft ‚fremdsprachig‘ – zuträglich sein könnte.
Im Zentrum dieses Beitrags steht die Analyse kreativer Wortbildungsprodukte in Songtexten. Der Fokus liegt somit bewusst auf solchen Wortbildungen, die nicht den Weg ins Lexikon finden, sondern gerade aufgrund ihres okkasionellen Charakters einen erhöhten Grad an Expressivität aufweisen, der dann gezielt für die spezifische kreative Qualität von Songtexten genutzt wird.
Solche okkasionellen komplexen Wörter, die sich in theoretischer Hinsicht innerhalb der Domäne der ‚Extravagant Morphology‘ verorten lassen, werden über das Kriterium der Wortlänge aus dem Songkorpus herausgefiltert und im Anschluss hinsichtlich ihrer formalen sowie semantisch-pragmatischen Besonderheiten analysiert. Im Vordergrund steht dabei die Frage, wodurch die Kreativität der insgesamt 183 Bildungen des Untersuchungskorpus getriggert wird. Die Analyse zeigt, dass expressive Effekte in Songtexten offenbar sowohl durch die Verwendung markierter Wortbildungsmuster als auch durch den Rückgriff auf ‚auffällige‘ Lexik erzeugt werden. Zum einen ist der Anteil markierter Wortbildungsmuster wie der Phrasenkomposition und anderer phrasaler Wortbildungen gegenüber klassischen Textsorten wie Zeitungstexten deutlich erhöht. Zum anderen wird durch die Verwendung einer umgangssprachlichen, vulgären, brutalen oder poetischen Lexik, aber auch mit unmarkierten Wortbildungsmustern wie der prototypischen Determinativkomposition, Aufmerksamkeit erregt. Insgesamt erweist sich das Songkorpus dabei als wahre Fundgrube für kreative Wortbildungsprodukte.