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Juristische Texte sind schwer zu verstehen, insbesondere – aber nicht nur – für juristische Laien. Dieser Band beleuchtet diese These ausgehend von linguistischen Verständlichkeitsmodellen und kognitionswissenschaftlichen Modellen der menschlichen Textverarbeitung. Anhand von Aufzeichnungen von Blickbewegungen beim Lesen, einem sogenannten Lesekorpus, werden umfangreiche statistische Modelle berechnet. Diese geben Auskunft über Fragen psycholinguistischer Grundlagenforschung auf der Wort-, Satz- und Textebene. Ferner wird untersucht, wie sich Reformulierungen auf den Verstehensprozess auswirken. Dabei stehen bekannte Komplexitätsmarker deutscher juristischer Texte im Fokus: Nominalisierungen, komplexe Nominalphrasen und syntaktisch komplexe Texte.
Umgang mit Termini
(1976)
Anhand eines Fallbeispiels wird gezeigt, dass in der praktischen Arbeit des EuGH Rechtsarbeit und Spracharbeit eng miteinander verflochten sind. Wenn es in einem strittigen Fall um die konkrete Ausarbeitung einer haltbaren Sachverhaltsbeschreibung geht, zeigt sich, dass die Rechtsarbeit und die Spracharbeit des Gerichts eigentlich identisch sind. In einem solchen Fall ist es für das Gericht nützlich und günstig, wenn es auf so viele sprachliche Formulierungen (auch in verschiedenen Sprachen) zurückgreifen kann wie möglich. Das Ziel ist, möglichst viele Interpretationen in Betracht zu ziehen, um das Urteil bestandssicher zu machen. In dieser Situation sind Vorschläge, das Sprachenspektrum, in dem der EuGH arbeitet, im Vorhinein und generell einzuschränken, kontraproduktiv.
Recht und Sprache stehen seit jeher in einer systematischen Verknüpfung. Die Epochenwende um 1500 begründet wichtige rechtliche und sprachliche Gegebenheiten, die bis in die Gegenwart wirksam sind. Ausgehend von der geschichtswissenschaftlichen Formel der ,Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen' werden die Veränderungen im Rechtssystem und in den Kommunikationsformen der Frühen Neuzeit als komplexe Transformation mittelalterlicher Vorstellungen dargestellt. Exemplarisch wird auf die sprachgeschichtlichen Konsequenzen der Rezeption des römischen Rechtes ebenso eingegangen wie auf die Veränderungen in der Wissensverteilung und die Stellung des Deutschen gegenüber dem Latein des Mittelalters wie des Humanismus.
Gegenstand ist eine vergleichende empirische Korpusstudie zur Bedeutung des Ausdrucks geschäftsmäßig im (bundesdeutschen) Gemeinsprach- und juristischen Fachsprachgebrauch. Die Studie illustriert an einem aktuellen Fall strittiger Wortdeutung (hier zu § 217 StGB) die Möglichkeiten computergestützter Sprachgebrauchsanalyse für die Auslegung vor Gericht und die Normtextprognose in der Rechtsetzung.
Terminology practice in companies and its methods evolved over the course of the years. This process can be seen as a broadening of methods rather than a paradigm change. Although this development led to an improvement in the practice, many crucial problems still remain unsolved. In this article I point out the open questions in the current methodology and argue why they are essential for the success of terminology projects. Also, I present how these questions can be addressed by embedding the terminology in a broader discourse of language management and social psychology.
Sprache, Recht und Öffentlichkeit - Gesellschaftliche Relevanz des Themas aus linguistischer Sicht
(2002)
In Zeiten des moralischen oder technischen Wandels werden die in der Allgemeinsprache sedimentierten bzw. aufgehobenen Werte und Grenzlinien fragwürdig, und der allgemeinsprachliche Diskurs gerät in Spannung zu den rechtsprachlichen Spezialdiskursen der Gesetzgebung und der Rechtsprechung. Was man sagt, was sagen wir, wann - im Hinblick auf die Abtreibungsproblematik oder das Klonen von Embryonen - „das Leben" oder „Leben" beginne, ab wann, sagt man, sagen wir, sei - im Hinblick auf die Organverpflanzung - „der Mensch tot"? Soll die gleichgeschlechtliche Partnerschaft eine „Ehe" genannt werden, sollten RU 486 und Viagra „Medikamente" oder „Tötungspille" bzw. „Lifestylepille" heißen? Über diese und ähnliche Sach- und Sprachfragen wird bei der Rechtsformulierung im Parlament und seinen Nebenorganen .parliert' oder bei der Rechtsprechung im Gericht das Urteil „im Namen des Volkes" (heißt das auch im Namen der Sprache des Volkes?) gesprochen. Was in solchen Brisanzphasen aus sprachwissenschaftlicher Perspektive augenscheinlich wird, soll an zwei Beispielen verdeutlicht werden: Einmal geht es um die in den frühen 80er Jahren beobachtbare Wandlung der Verwendung des Wortes Bullen (als Bezeichnung von Polizisten) vom beleidigenden Schimpfwort zur umgangssprachlichen Fremd- und Selbstbezeichnung (in Filmen des Schimanski-Genres bzw. in Ausdrücken wie Bullenballett, Bullenorden) und um die analoge Wandlung in der Rechtsprechung über dieses problematische „Sprachdelikt". Zum anderen geht es um den medien öffentlichen und parlamentarisch-öffentlichen Streit um die Artikulation eines neuen Grenzpunktes zwischen Leben und Tod im Hinblick auf die Organverpflanzung. Dabei besteht das sprachlich Dilemmatische dieses Problemverhalts darin, dass zum Zeitpunkt des Hirntodes der Mensch unter dem Gesichtspunkt des Schutzes durch das Grundgesetz „so tot wie nötig" und vom Standpunkt der Organspende aus „so lebendig wie möglich" sein soll. Immer handelt es sich auch um sprachliche Handlungen mit immensen gesellschaftlichen Folgen.
Fachsprachenerwerb, sprachliche Dressur und versteckte Wertungen in der deutschen Juristenausbildung
(2002)
1. Bestimmte Sprachformen werden in der deutschen Juristenausbildung in einem Maße eingeübt, dass die Bezeichnung Dressur berechtigt ist. Fachsprache in einem anspruchsvollen Sinn des Begriffs spielt dabei Nebenrolle.
2. Die starke Konzentration auf die Einübung bestimmter Wort- und Satzfolgen stehen in Gegensatz dazu, dass Wertungen von rhetorischer Stimmungsmache beeinflusst werden. Als Analyseinstrument sind Regeln der Eristik wichtig, aber wichtiger sind wohl rhetorische Mittel, die die Sprachwissenschaft untersuchen könnte. Die problematische Zusammenführung von Sprachreglementierung und Stimmungsmache ist in der Ausbildung nicht Thema.
3. An die Sprachwissenschaft wird der Appell gerichtet, sich mit der Sprache in der Juristenausbildung zu beschäftigen, weil die Juristenausbildung der wissenschaftlichen Aufklärung über sich selbst dringend bedarf.
Sprachspiele, kommunikative Verfahren und Texte in der Politik. Versuch einer Textsortenspezifik
(1986)
Der politische Wortschatz
(1986)
Der Beitrag nimmt die sprachlichen Defizite aufs Korn, die sich in fast allen deutschen Landesverfassungen finden und leider zahlreiche Novellierungen überdauert haben. Verschraubte Syntax und altertümlicher Fachjargon führen zu missverständlichen, oft unfreiwillig komischen Texten. Besonders die Sprache der Verfassungen Bayerns und Baden-Württembergs ist reparaturbedürftig: Diesen beiden Gesetzeswerken sind die meisten Beispiele für solch stilistisches Unvermögen entnommen.
Rechtsnormen beruhen auf grammatischen und textverknüpfenden Sprachnormen, die Sachverhalte entscheidbar machen. Diese Normsprachkompetenz ist Teil der juristischen Ausbildung, des impliziten Praxiswissens in der Justiz und der expliziten Begründungsrügen gegen Urteile. Der Beitrag beginnt mit einem Seitenblick auf den vorbildlich gegen Sprachnormen verstoßenden Richter Azdak aus dem Kaukasischen Kreidekreis, geht über zu einem Kasusmusterexemplar von Andre Jolles und veranschaulicht die Normsprachbestandteile an Beispielen aus höchstrichterlichen Entscheidungstexten.
Die beiden Gerichtssendungen werden auf dem Hintergrund wirklicher Gerichts- und Schlichtungsverhandlungen nach Formen der fernsehmedialen Aufbereitung untersucht. Dabei zeigt sich, dass Streit um Drei eine Unterhaltungssendung ist, in der komödienartige Bühnenunterhaltung mit juristischer Information verbunden wird (Infotainment), während in der Sendung Richterin Barbara Salesch verschiedene Elemente des Affekt-Fernsehens kombiniert werden.
Vom Großen im Kleinen – Über kulturelle Ressourcen juristischer Interaktionen und Darstellungen
(2002)
Aus der Perspektive der linguistischen Verfahrensbeobachtung mit Tonbandaufnahme und anschließender Transkription wird der Versuch unternommen, die sprachlichen Verhaltensformen vor dem Einzelstrafrichter am Amtsgericht genauer zu sichten. Wie jede andere Kommunikation muss auch die gerichtliche Kommunikation darauf gerichtet sein, in der inhaltlichen Thematisierung des verhandelten Falles jeweils Verständigung zu erreichen über das, was verstanden und als was es verstanden wird. Juristisch kodifizierte Verfahrensschritte reichen zur Charakterisierung nicht aus. Anspielungen auf weiterreichende Themen und großräumige' Diskurseinlagerungen sind üblich. Sie bewirken, dass bestimmte Formulierungen und Details eher akzeptiert werden als andere, dass bestimmte Erzählungen leichter über- und angenommen werden als andere. Solche Einlagerungen fungieren als Plausibilisierungsschübe. Die Überzeugungskraft erhöht sich, wo kulturelle Ressourcen in die Formulierungen einfließen: märchenähnliche Analogien, mythische Erzählungen, allgemeinere kulturelle Schemata. Sie tragen dazu bei, dass die Herstellung von Übersichtlichkeit in der Gemengelage der gerichtlichen Interaktionen gelingt. Dies soll in diesem Beitrag aufgezeigt werden (Schwerpunktmäßig werde ich vor allem auf ein Prozessbeispiel - „Verschwörung im Fotohaus" - eingehen).
Preface
(2015)
Resümee der Tagung
(1979)
Für die These, dass Gesetzestexte Grenzgänger zwischen Recht und Politik seien, muss in einem ersten Teil ein Gegensatz aufgebaut werden zwischen dem politischen Diskurs und dem Diskurs des juristischen Normtextes: Der Gesetzestext, wiewohl ein Kind der Politik und von Politik umstellt, ist vom Ideal her etwas ganz anderes als ein politischer Text. Ist die Grenze zwischen den Diskursen dann einmal gezogen, kann in einem zweiten Teil den sprachlichen Elementen des Politischen in Gesetzestexten nachgefragt werden. Das soll mit Beispielen aus der schweizerischen Bundesverfassung, aber auch aus schweizerischen Gesetzen und Verordnungen gezeigt werden. Das Politische hat linguistisch besehen allerlei Gestalt: Es ist zu fassen mit Kategorien der Textfunktion, es zeigt sich in einem bestimmten Umgang mit Implizitheit und Explizitheit, im Einsatz rhetorischer Mittel, vor allem aber im Wortschatz. Bei diesem stellt sich im Besonderen die Frage, welche ausserrechtlichen Bereiche die Gesetzestexte lexikalisch alimentieren und was mit den Wörtern beim Wechsel vom politischen in den juristisch-normativen Diskurs passiert. Anhand von zwei Beispielen wird diesen Fragen etwas intensiver nachgegangen. In einem dritten Teil wechselt die Perspektive: Die Behauptung ist nun, dass die Sprache von Gesetzestexten an sich etwas Politisches ist und die Arbeit an dieser Sprache (Gesetzesredaktion) mithin eine politische: seien das die generellen Bemühungen um Verständlichkeit; der tabulose redaktionelle Eingriff, der immer auch ans Materielle rührt; die bewusste Wahl und Abwahl von Bezeichnungen und damit der Positionsbezug in Wortkämpfen; oder der Einsatz für eine geschlechtergerechte Gesetzessprache. In einem Resümee wird schliesslich die akademische Linguistik von der Praxis der Gesetzesredaktion zu vermehrter Vor-, Mit- und Nacharbeit in Fragen der Gesetzessprache eingeladen.
Die Beschäftigung mit -itis im Rahmen fachsprachlicher Lehnwortbildung (LWB) stand und steht im Zusammenhang mit der Erarbeitung eines LWB-Lexikons im Rahmen des geplanten "Handbuchs der Schweren Wörter" (vgl. Kap. 1, in diesem Band) am Institut für deutsche Sprache. Die vorliegenden Überlegungen gehen sicherlich nicht unmittelbar ein in Form einer Behandlung von -itis innerhalb eines LWB-Lexikons, haben aber vielleicht einiges von dem zusammengetragen, was aus der verarbeiteten Literatur, v.a. aus Methoden der WB-bezogen medizinische Daten verarbeitenden Terminologie für die Beschreibung der LWB zu verwerten ist. Der Index MFS (= medizinische Fachsprache) wird im folgenden immer dann hinzugefügt, wenn das Gesagte als auf die fachsprachliche Teilgeltung von -itis eingeschränkt oder im Unterschied zur gemeinsprachlichen Teilgeltung (GS) gültig hervorgehoben werden soll. Zentrales Anliegen der Untersuchung ist eine WB-strukturelle Studie zum fachsprachlichen Wortbildungsmuster mit -itis, die in erster Linie versucht, seine Bildungsweise durchsichtig zu machen, und - am Rande - seine systematischen Beziehungen zu Mustern mit anderen Suffixen innerhalb eines onomasiologisch zusammenhängenden Wortschatzausschnitts der medizinischen Krankheitsbezeichnungen anzudeuten.